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Radwege, Zweite Stammstrecke, Autoverkehr: Wie wird der Münchner Verkehr in der Zukunft geregelt?

Der Freistaat ist in München für die S-Bahn verantwortlich. Aber dieses Projekt alleine reicht nicht, findet ein Fahrgastverband. Welche Forderungen es an eine neue Staatsregierung gibt.
von  Christina Hertel
Viele Menschen pendeln nach München - mit dem Auto. Stau auf dem Mittleren Ring ist keine Seltenheit.
Viele Menschen pendeln nach München - mit dem Auto. Stau auf dem Mittleren Ring ist keine Seltenheit. © IMAGO / Sven Simon

München - Berlin hat einen Flughafen, der Milliarden verschlang. Stuttgart hat einen Bahnhof, dessen Fertigstellung sich ewig hinzieht. Und München hat ein Projekt, das wohl noch länger dauern und noch teurer wird: die Zweite S-Bahn-Stammstrecke.

Freistaat-Projekte in München: Wie verändert sich die Stadt?

Vergangenes Jahr kam heraus, dass diese voraussichtlich erst 2037 fertig werden und bis zu 14 Milliarden Euro kosten soll. Verantwortlich für die Münchner S-Bahn ist der Freistaat Bayern.

Eine riesige Baustelle mitten in der Stadt: Zufahrt zum Marienhof, wo an der Zweiten Stammstrecke gebaut wird.
Eine riesige Baustelle mitten in der Stadt: Zufahrt zum Marienhof, wo an der Zweiten Stammstrecke gebaut wird. © imago

Das ist nicht das einzige Projekt, bei dem der Freistaat in München mitbestimmt. In diesen Tagen, wenige Wochen vor der Landtagswahl, blickt die AZ deshalb darauf, wie sich München danach verändern könnte. Welche Parteien versprechen was? Und was erhofft sich die Stadt?

Genug? In vier Jahren investierte der Freistaat 7,3 Millionen Euro in neue Münchner Radwege

Heute geht es um den Verkehr in München. Zwischen 2018 und 2022 hat der Freistaat laut Verkehrsministerium insgesamt rund eine Milliarde Euro für die ÖPNV-Infrastruktur in München ausgegeben. Das meiste Geld, rund 700 Millionen Euro, floss in den Bau der Zweiten Stammstrecke. Auch den barrierefreien Ausbau von S-Bahn-Stationen bezuschusste der Freistaat in diesen vier Jahren mit 67 Millionen Euro. Außerdem steckte der Freistaat rund zehn Millionen Euro in den Bau von Park-and-Ride-Anlagen.

Rund 132 Millionen Euro bekam die Stadt, um neue Straßen- und U-Bahnen zu kaufen. Und 7,3 Millionen Euro investierte der Freistaat für neue Radwege in München – in vier Jahren. Zum Vergleich: Alleine die 500 Meter Radweg an der Elisenstraße sollen fast doppelt so viel kosten. Beim 26 Millionen Euro teuren Arnulfsteg half der Freistaat mit 5,8 Millionen.

Andreas Barth von Pro Bahn: "Andere Bundesländer bauen viel großzügiger das Schienennetz aus"

Heuer kommen voraussichtlich Zuschüsse von 227 Millionen für Münchner Verkehrsprojekte dazu. Und wieder geht das meiste – nämlich 150 Millionen Euro – für die Stammstrecke drauf. Reicht dieses Geld? Und klappt so die Verkehrswende?

Andreas Barth vom Verband Pro Bahn sagt: "Ich kann den Leuten nicht verdenken, dass sie weiterhin Auto fahren." Er meint vor allem jene 500.000 Menschen, die täglich nach München pendeln.

Andreas Barth vom Fahrgastverband "Pro Bahn".
Andreas Barth vom Fahrgastverband "Pro Bahn". © privat

Die Strecke München-Freising-Landshut sei zum Beispiel noch im gleichen Zustand wie vor 96 Jahren, sagt Barth. Klar, dass es da oft zu Problemen kommt. Und klar, dass viele dann lieber auf der Autobahn fahren, die genau neben der Bahnstrecke liegt. "Andere Bundesländer bauen viel großzügiger das Schienennetz aus."

Pro Bahn fordert einen Zehn-Minuten-Takt auf allen S-Bahn-Linien auch am Abend

Barth fordert, dass sämtliche S-Bahn-Linien zwei eigene Gleise bekommen müssen. Auf der S1 (zwischen Feldmoching und Neufahrn), auf der S4 (zwischen Pasing und Fürstenfeldbruck), und der S2 (Ostbahnhof-Markt Schwaben) gebe es bloß ein Gleis, sagt Barth. "Es würde doch niemand auf die Idee kommen, auf einer großen Straße bloß eine Spur zu bauen und erst alle Autos in die eine und dann in andere Richtung fahren zu lassen."

Aus Barths Sicht bräuchte es ein klares Bekenntnis der Landesregierung, dass die S-Bahn in München ausgebaut werden muss – und zwar nicht nur die Stammstrecke. Der Verkehrsexperte ist davon überzeugt, dass München sowohl den S-Bahn-Nordring als auch den Südring braucht. Außerdem fordert er einen Zehn-Minuten-Takt auf allen S-Bahn-Linien auch am Abend.

Tram durch Englischen Garten? "Jahrzehnte lang lässt der Freistaat die Stadt warten"

Von einer neuen Landesregierung erhofft sich Barth, dass sie einen besseren Umgang mit der Stadt pflegt. Denn zum Beispiel weiß das Rathaus immer noch nicht sicher, ob es wirklich eine Tram-Linie durch den Englischen Garten bauen kann. "Jahrzehnte lang lässt der Freistaat die Stadt warten", sagt Barth.

Bei anderen Projekten gehe die Stadt in Vorleistung – ohne zu wissen, ob sie dafür jemals Geld von Bund und Freistaat zurückbekommt – etwa beim Vorhaltebauwerk für eine U-Bahnstation am Hauptbahnhof. Und für ihre neue Tram-Linie Richtung Parkstadt Schwabing baue die Stadt eine Brücke extra größer, dass später dort der S-Bahn-Nordring hinpasst. "Solche Mehrkosten müsste der Freistaat übernehmen."

Münchens Mobilitätsreferent Dunkel hofft auf "klaren Finanzierungsplan"

Auch der Grünen-nahe Mobilitätsreferent im Rathaus Georg Dunkel hat Wünsche an eine neue Regierung. Zum Beispiel hofft er auf einen "klaren Finanzierungsplan" für ÖPNV-Projekte. Der Freistaat müsse dringend weitere Finanzierungsmöglichkeiten suchen, sagt Dunkel. In Frage kommt für ihn auch, dass die Bürger höhere Abgaben zahlen. Sowohl Grüne als auch SPD stellen immer wieder in Frage, ob es angemessen ist, dass ein Anwohner-Parkausweis außerhalb der Altstadt bloß 30 Euro kostet. Doch dafür müsste der Freistaat erst eine neue Regelung beschließen.

Verkehrsprojekte in München: Das will die FDP

Durch Felix Meyers Stadtteil Neuhausen soll einmal die Tram-Westtangente Richtung Laim fahren. Er wartet wie viele schon lange darauf. Für die Tram ist die Stadt zuständig, aber noch hapere es wegen des Freistaats. Denn die Tram muss unter dem Laimer Bahnhof durch – aber da kam es zu Verzögerungen wegen der Stammstrecke.

Felix Meyer setzt sich für einen Tunnel an der Landshuter Allee ein 

Felix Meyer, FDP.
Felix Meyer, FDP. © FDP

Meyer kennt das Problem so gut, weil er für die FDP im Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg sitzt. Sollte er ab Herbst im Landtag mitregieren, will er einen besseren Umgang mit der Stadt pflegen, verspricht der 31-Jährige, der in Moosach als Direktkandidat antritt. Außerdem fordert er höhere Zuschüsse für den Öffentlichen Nahverkehr. Das Land Berlin stocke die Gelder, die es vom Bund für den ÖPNV-Ausbau bekommt, um die gleiche Summe auf, sagt Meyer. Bayern sei davon weit entfernt.

Der Jurist glaubt aber auch an die Zukunft des Autos. Er setzt sich für einen Tunnel an der Landshuter Allee ein und hofft, dass der Freistaat diesen mitfinanziert. Außerdem fordert Meyer, dass im Süden Münchens der Autobahnring gebaut wird. Das ist eigentlich Aufgabe des Bundes. Bayern müsste sich aber dafür einsetzten, dass dieses Projekt in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wird, sagt er.

Verkehrsprojekte in München: Das will die SPD

Die Zweite Stammstrecke alleine reicht in München nicht. Auch sonst müsse die S-Bahn ausgebaut werden, fordert Markus Rinderspacher. Er sitzt seit 2008 für die SPD im Landtag und kandidiert erneut im Stimmkreis Ramersdorf. "Wir brauchen einen S-Bahn-Ringschluss", sagt er.

Markus Rinderspacher ist für mehr Barrierefreiheit und mehr Toiletten

Markus Rinderspacher, SPD.
Markus Rinderspacher, SPD. © SPD

Die Strecke verläuft von Karlsfeld im Westen über das BMW-Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) und den Euro-Industriepark im Norden bis nach Johanneskirchen und zum Ostbahnhof im Osten. Dann weiter im Süden über Kolumbusplatz und Poccistraße bis nach Laim. Außerdem will sich Rinderspacher für neue S-Bahnhaltestellen einsetzen – etwa an der Großhesseloher Brücke an der Isar und an der Berduxstraße, das wäre eine Station zwischen Laim und Obermenzing.

Auch der Takt würde sich in einem SPD-regierten Bayern verbessern, kündigt Rinderspacher an. Er will, dass die S-Bahn alle zehn Minuten kommt. Außerdem verspricht er mehr Barrierefreiheit. "Sieben S-Bahnhalte sind noch nicht barrierefrei", sagt er. Darunter seien die Stationen Leuchtenbergring, Riem und Daglfing. Dass noch 29 Stationen keine Toilette haben, will Rinderspacher ebenfalls ändern. Wlan soll es an allen Bahnhöfen geben.

Verkehrsprojekte in München: Das wollen die Grünen

Mehr Freiheit für die Stadt München, weniger Vorschriften durch den Freistaat. Das könnte die Überschrift für Florian Siekmanns verkehrspolitisches Wahlkampfprogramm sein. Siekmann sitzt seit 2018 für die Grünen im Landtag. Er tritt in Hadern an.

Florian Siekmann: Stadt soll selbst entscheiden, ob sie eine Citymaut will

Florian Siekmann von den Grünen.
Florian Siekmann von den Grünen. © Grüne

Siekmann findet, dass das Rathaus selbst entscheiden soll, wie teuer Parkgebühren sind. Momentan hat die Stadt kaum Spielraum für Erhöhungen, weil der Freistaat das nicht erlaubt. Auch eine Citymaut, also eine Gebühr für Autofahrer, die nach München reinfahren, kann die Stadt nicht erheben, weil gesetzliche Grundlagen fehlen. Siekmann will, dass sich das ändert.

Die Stadt soll selbst entscheiden, ob sie eine Citymaut will. Und er setzt auf den Ausbau der S-Bahn. "Der Freistaat muss umgehend die Planungen für einen S-Bahn-Ring beginnen", fordert er. Schließlich liegen auf der Strecke zum Teil schon die Gleise. "Ich würde mich nicht wundern, wenn der S-Bahn-Ring schneller fertig wird als die Stammstrecke."

Außerdem will Siekmann für alle bis 28 Jahre ein kostenloses ÖPNV-Ticket, finanziert durch den Freistaat. Wichtig ist Siekmann zudem der schnelle Ausbau von Radwegen. Der Freistaat soll den Bau bezuschussen – nicht nur Radschnellwege, sondern überall.

Verkehrsprojekte in München: Das will die CSU

Georg Eisenreich, CSU.
Georg Eisenreich, CSU. © imago/Rolf Poss

"Wichtig ist mir ein Miteinander der Verkehrsarten und kein ideologischer Kampf", sagt Justizminister Georg Eisenreich. Er ist Chef der Münchner CSU und tritt in Hadern an.

Er meint damit: ÖPNV, Auto, Rad – alles ist wichtig. Schon vor Inbetriebnahme der Stammstrecke müsse die S-Bahn verbessert werden – etwa durch einen besseren Takt auf der S7 und der neuen Station Berduxstraße. Einen S-Bahn-Ring, vor allem im Norden, hält Georg Eisenreich für sinnvoll ebenso wie den BMW-Tunnel.

Verkehrsprojekte in München: Das wollen die Freien Wähler

Michael Piazolo, Freie Wähler.
Michael Piazolo, Freie Wähler. © Peter Kneffel/dpa

Seine Förderungen für den ÖPNV-Ausbau in München müsse der Freistaat "nachjustieren", sagt der Chef der Freien Wähler in München, Michael Piazolo. Auch wenn die Stadt bereits in einem "hohen Maß" unterstützt werde.

Besonders vorantreiben will er den Bau der U9 (die Linie soll die Stammstrecke entlasten), die Tram-West- und -Nord-Tangente. "Einen S-Bahn-Süd- und Nordring halten wir Freie Wähler seit geraumer Zeit für nötig", sagt Piazolo. Auch mehr Transparenz bei Kostensteigerungen fordert er.

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