Kosten für die zweite Stammstrecke in München: Darum wird's so teuer
München - Warum die Zweite Stammstrecke erst 2035 oder sogar erst 2037 fertig werden soll, wo doch schon 2017 der Spatenstich hinter dem Rathaus auf dem Marienhof erfolgte, ist nicht leicht nachzuvollziehen. Das gilt sogar für Landtagsabgeordnete. Um die wichtigsten Fragen zu klären, tagte am Montag der Verkehrsausschuss in einer Sondersitzung.
Zeit- und Kostenplan für zweite Stammstrecke: Grünen-Sprecher sieht "Skandal"
Zufrieden wirkten viele jedoch nicht mit den Antworten von Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) und Bahnvorstand Berthold Huber. In der Opposition hält sich der Verdacht, dass die Verzögerungen und die Preissteigerungen schon viel früher bekannt waren als diesen Sommer.
Markus Büchler, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, spricht deshalb von einem "erschreckenden Skandal". Die Staatsregierung sei informiert gewesen, doch Maßnahmen habe sie keine ergriffen. "Ich habe im Januar nachgefragt, aber da hieß es: Die Bahn rechnet noch."
Verzögerung: Wusste Söder-Regierung Bescheid?
Zumindest theoretisch wusste die Söder-Regierung tatsächlich, dass der Zeit- und der Kostenplan aus dem Ruder zu laufen droht. Das belegt auch der Terminkalender, den Bernreiter in der Sitzung offenlegte. Ein Beispiel: Im Oktober 2020 berechnete die Baubegleitung des Freistaats Kosten von 5,2 Milliarden und mit der Fertigstellung 2034. Auch Ingenieur Wolfgang Rauscher, der mit seinem Büro für das Baucontrolling zuständig ist, musste zugeben, dass er durchaus über Kosten und die Terminplanung informiert worden sei – nur ein Enddatum nannte die Bahn nicht, sagt er.
Auch Bernreiter verweist immer wieder auf die Zuständigkeit der Bahn: Die Planung und die Fertigstellung liege bei ihr. Freistaat und Bund geben lediglich das Geld dazu, so schildert es Bernreiter.
Allerdings – so rechnete es der Verkehrsexperte der FDP, Sebastian Körber, aus – waren von der Staatsregierung beauftragte Experten 35.000 Arbeitsstunden damit beschäftigt, die Stammstrecke zu prüfen. "Was haben die eigentlich gemacht?", fragt Körber. "Ich bin fassungslos."

Auch aus seiner Sicht sei das Parlament grob missachtet worden, weil dieses trotz Anfragen nicht informiert wurde. Bernreiters Begründung dafür: Erst diesen Sommer habe die Bahn Zahlen genannt.
Probleme am Hauptbahnhof: Deshalb dauert der Bau der zweiten Stammstrecke so lange
Doch was macht die Stammstrecke überhaupt so komplex, dass der Bau um die 20 Jahre dauern soll? Wolfgang Rauscher vom Baucontrolling nannte dafür die wesentlichen Gründe.
Alles, was im Westen geplant und gebaut wurde, liege im Zeitplan, sagte er. Auch der Marienhof, die neue Haltestelle hinter dem Rathaus, ist aus seiner Sicht unkritisch. Am Hauptbahnhof und im Osten gebe es jedoch Probleme:
Statt das Hauptbahnhofgebäude nur teilweise abzureißen, soll es komplett neugebaut werden. Auch Tiefgeschosse wurden neu geplant. Und ein Vorhaltebauwerk für eine U-Bahnlinie 9 musste in die Planungen integriert werden. Außerdem kam ein neuer Rettungsschacht plus ein Erkundungsrettungsstollen dazu.
Alternative Südring?
Ganz anders sieht auch die Planung im Osten aus: Statt am Orleansplatz, wie es noch 2016 hieß, befindet sich nun die Haltestelle an der Friedenstraße. Der Tunnel hat deshalb eine andere Führung. Er muss auf Höhe der Rosenheimer Straße unter den Bahngleisen hindurch. Und er quert die Gleise an der Berg-am-Laim-Straße. Neu sieht auch die Station Leuchtenbergring aus. Statt zwei gibt es dort nun drei Fahrgleise.

Sollte die Zweite Stammstrecke überhaupt weiterverfolgt werden, wenn sie so komplex und teuer ist? Markus Büchler von den Grünen hält den Südring für eine Alternative. Auch die Kosten sind aus seiner Sicht überschaubar. Bis jetzt verbaute die Bahn etwa eine Milliarde Euro. Doch Büchler glaubt, viele Bauwerke im Westen seien so oder so für den S-Bahn-Betrieb nützlich.
Bahn-Chef Huber hingegen rechnet damit, dass mit einem Abbruch 3,1 Milliarden Euro verschwendet wären. Außerdem hat ihm zufolge keine andere Maßnahme so einen Effekt. Mit der Stammstrecke verdoppeln sich die Kapazitäten auf 1,6 Millionen Fahrgäste.
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