Plötzlich Privatleben: Das machen Münchner Ex-Bundestagsabgeordnete jetzt
München - Florian Post, Michael Kuffer und Margarete Bause: Drei Münchner Politiker, die man kennt in der Stadt. Drei markante Typen. Und drei Menschen, die heute vor zwei Monaten plötzlich aus ihrem Abgeordneten-Leben geworfen wurden.
Abgewählt! Michael Kuffer und Florian Post hatten auf die Direktmandate im Süden beziehungsweise Norden spekuliert, Margarete Bause gehofft, über die Liste wieder in den Bundestag einzuziehen. In der AZ sprechen drei, die nichts mehr zu entscheiden haben - zumindest vorläufig.
Margarete Bause, Grüne: "Auszeit bis Jahresende"
Es ist schon das zweite Mal, dass Medien munkeln, was aus der Grünen-Politikerin Margarete Bause wohl wird. Das erste Mal war Anfang des Jahres, als nicht sie, die renommierte Menschenrechtlerin, als Direktkandidatin der Grünen im Münchner Osten nominiert wurde, sondern ihre ehemalige Praktikantin. Über die Landesliste hoffte sie, trotzdem in den Bundestag einzuziehen. Doch Bause scheiterte. Was tut jemand wie sie, die bereits Mitte der Achtziger in den Landtag einzog, wenn dieser ganze Trubel vorbei ist?
Margarete Bause: "Gerade habe ich mich in ein tolles Buch vertieft: die Autobiografie von Ai Weiwei ,1.000 Jahre Freud und Leid'. Er beschreibt darin, wie schon sein Vater, ein berühmter Dichter, unter der Kommunistischen Partei litt. Da ich Ai Weiwei persönlich kenne, ist das hochspannend für mich. Und jetzt habe ich Zeit dafür. Denn als Politikerin muss man zwar viel lesen, aber für Literatur ist selten Zeit. Eine andere Leidenschaft von mir ist das Kochen. Im Moment lade ich oft Freunde ein und bewirte sie, am liebsten mit italienischer Küche. Ich genieße es, dass ich mich all diesen schönen Dingen widmen kann.

Trotzdem muss ich zugeben: Über das Wahlergebnis war ich sehr enttäuscht. Denn ich hätte die Chance, die Menschenrechtspolitik jetzt in Regierungsverantwortung mitzugestalten, unglaublich gerne genutzt. Die neue Bundesregierung muss die Menschenrechte in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen, gerade auch in der Außenpolitik und insbesondere gegenüber China. Hier braucht es einen Richtungswechsel gegenüber der Merkel-Ära.
Erst einmal den Kopf freikriegen, bevor es an neue Aufgaben geht
Ein Parteiamt strebe ich derzeit nicht an, bin aber immer ansprechbar, wenn ich um Rat oder Unterstützung gefragt werde. Denn ich bin und bleibe ein politischer Mensch. Und meinem Lebensthema - der Menschenrechtspolitik - werde ich auf jeden Fall treu bleiben.
Ab dem nächsten Jahr kann ich mir vorstellen, wieder in diesem Bereich zu arbeiten, beispielsweise für eine Menschenrechtsorganisation. Bis zum Jahresende gönne ich mir eine Auszeit. Deshalb habe ich auch die Angebote, die ich bisher bekommen habe, abgelehnt, denn ich muss erstmal den Kopf frei kriegen."
Florian Post, SPD: "Mein Leben ist nicht mehr fremdbestimmt"
Florian Post (SPD) kämpfte diesen Sommer einsam um das Bundestagsmandat. Denn obwohl er seit 2013 für die SPD im Parlament saß, war er nicht auf der bayerischen Landesliste vertreten. So sehr hatte er sich mit seiner Partei zerstritten. Aufgeben wollte er trotzdem nicht. Er trat deshalb für das Direktmandat im Münchner Norden an und machte dort Wahlkampf auf eigene Faust. Sogar eigene Plakate hängte er auf. An die 40.000 Euro habe er aus privater Tasche für den Wahlkampf ausgegeben, sagte Post am Wahlabend zur AZ.
Schon in dieser Nacht war klar, dass Post dieses Geld umsonst ausgegeben hatte: Im Norden gewann der CSUler Bernhard Loos. Er holte 25,7 Prozent, Post bloß 21,9 Prozent. Damals sagte er, dass er keinen Plan B habe. Hat er ihn inzwischen gefunden?
Florian Post: "Mein Motto ist: dankbar rückwärts, mutig vorwärts. Mir kommt deshalb mein Leben als Bundestagsabgeordneter schon jetzt vor wie eine andere Welt - obwohl die Wahl erst acht Wochen her ist. Ich lebe heute entspannter, weil ich mich nicht mehr mit Leuten auseinandersetzen muss, mit denen ich mich privat nie an einen Tisch setzen würde. Von denen gibt es in der Münchner SPD einige.
Jetzt heißt es erst einmal: Zeit für die Familie!
Ich bin froh, wie alles kam. Ich kümmere mich jetzt intensiv um meine sechs Monate alten Zwillinge und meine Frau. Sie hat in den vergangenen Jahren auf vieles verzichten müssen. Ich bekomme gerade zwar viele hochinteressante Angebote aus der Wirtschaft, bei denen ich noch dazu viel mehr verdienen würde als früher, aber das muss warten. Ich habe mich bewusst entschieden, ein Jahr lang nur für meine Familie da zu sein. Nächstes Jahr wollen wir mindestens vier Monate in Andalusien verbringen.

Ich genieße es, dass mein Leben nicht mehr fremdbestimmt ist und dass ich jetzt viel mehr Zeit für alles habe, was in den vergangenen Jahren zu kurz kam. Meistens stehe ich um 7 Uhr morgens auf, lese Zeitung, gehe mit dem Hund spazieren. Jeden zweiten Tag gehe ich zum Viktualienmarkt und kaufe frisch ein. Gut kochen macht Spaß! Außerdem mache ich viel Sport. Ich habe mir einen Hometrainer gekauft und gehe oft in die Berge. 4,5 Kilo habe ich so schon abgenommen. Zurück in die Politik zu kehren, ist derzeit kein Thema. Ein politischer Mensch bleibe ich aber natürlich. Deshalb werde ich auch meine Kolumnen fortsetzen."
Michael Kuffer, CSU: "Ich schaue dem Bundestag jetzt gerne zu"
Es muss ein Schock gewesen sein für Michael Kuffer. Als CSU-Direktkandidat den Münchner Süden nicht gewinnen und aus dem Bundestag fliegen - sowas ist in der Geschichte der Stadt noch keinem passiert. Und warum sollte es ausgerechnet dem engagierten Abgeordneten Kuffer passieren? Doch so kam es, die erst 28-jährige Jamila Schäfer von den Grünen hat ihm das Direktmandat abgeluchst. Kuffer ist kein Abgeordneter mehr.

Michael Kuffer: "Ich arbeite jetzt wieder als Anwalt - und kann mir wieder mehr Zeit für meine Kinder nehmen. Ich bin Partner in einer überörtlichen deutschen Sozietät, dort arbeite ich jetzt wieder Vollzeit. Ich bin sogar mehr in Deutschland unterwegs, als ich es als Abgeordneter war. Ich vermisse die politische Arbeit im Bundestag, die Pendelei zwischen Berlin und München vermisse ich nicht.
Das Schönste an Berlin, dabei bleibe ich, bleibt der Rückflug und wenn man dann wieder in München ist. Obwohl mir die politische Arbeit fehlt, habe ich zur Zeit auch irgendwie das Gefühl, da oben nichts zu verpassen. Für die Union beginnt eine schwierige und bleierne Zeit. Man sieht schon jetzt, da die Ampel im Parlament ja bereits funktioniert, dass wir nicht mehr das Sagen haben. Und Opposition ist halt nicht schön.
Wie es sich anfühlt, jetzt Debatten im Bundestag zu verfolgen? Ambivalent. Natürlich ist es, wenn man da so gerne mitgespielt hat wie ich, irgendwie nicht schön. Andererseits schaue ich auch sehr gerne zu, einfach, weil ich sehr politisch bin. Die konstituierende Sitzung habe ich ganz angeschaut. Es klingt ein bisserl pathetisch, aber ich weiß eben auch als Zuschauer, dass das ein besonderer Moment ist, ein besonderer Moment für unsere Demokratie.
Nach der Bundespolitik ruft jetzt wieder die Münchner CSU
Politisch habe ich ja meine Ämter in der Münchner CSU weiterhin, bin im Vorstand und Kreisvorsitzender und für das Thema Innere Sicherheit zuständig. Da werde ich mich jetzt wieder stärker einbringen. Morgens die Zeitung zu lesen und nicht mehr für alles mitverantwortlich zu sein, kann manchmal sogar schön sein. Selbst dann, wenn man so gerne im Sturm steht wie ich. Ja, ich habe ein aufgeräumtes Verhältnis dazu, nicht mehr Abgeordneter zu sein. Und alles andere werden wir sehen."