Münchner muss wegen Erbschaftssteuern Mieten erhöhen: "Gezwungen, sozial unverträglich zu handeln"

Wer in München ein Haus erbt, muss schnell Hunderttausende Euro Erbschaftssteuer zahlen. Einer von ihnen glaubt: Am Ende müssen das die Mieter ausbaden - wenn die Eigentümer ihre Immobilien verkaufen.
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Rudolf Stürzer, Chef des Hauseigentümerverbands zusammen mit dem Erben Wolfgang Donhärl.
Rudolf Stürzer, Chef des Hauseigentümerverbands zusammen mit dem Erben Wolfgang Donhärl. © Daniel von Loeper

München - Vor über 120 Jahren schenkte ein Münchner Ehepaar, das sich mit Pferdehandel und einer Gaststätte einen kleinen Reichtum aufgebaut hatte, seinen zehn Kindern so viel Geld, dass sich jedes von ihnen ein Haus in München bauen konnte. Eines dieser Häuser, ein beiger Altbau mit 13 Wohnungen und drei Ladenflächen, steht in der Au, an der Aurbachstraße 1.

Wolfgang Donhärl hat dieses Haus, das seine Urgroßeltern errichteten, vor fünf Jahren geerbt - und gleichzeitig einen Haufen Schulden gemacht. Laut Bodenrichtwert lag 2017 der Wert für Donhärls Haus bei mehreren Millionen Euro.

Mieterhöhungen finanzieren den Kredit

Eine Million Euro musste er an Erbschaftssteuer bezahlen, sagt der 56-Jährige. Doch weil er als Chemiker das Geld nicht auf dem Konto herumliegen hatte und weil er das Haus auch nicht verkaufen wollte, nahm er einen Kredit auf, den er die nächsten 30 Jahre zurückzahlen muss. Dann ist er Mitte 80 - und vererbt dann vielleicht selbst bald wieder.

Um den Kredit abzubezahlen, hat Donhärl in den vergangenen fünf Jahren zweimal die Miete erhöht, sagt er. Jedes Mal um 15 Prozent, das höchste, was rechtlich zulässig war.

Eigentlich hätte er das gerne vermieden, meint er. "Doch ich bin praktisch gezwungen, sozial unverträglich zu handeln."

Höhe der Erbschaftssteuer hängt von Immobilienwert ab

Bloß das Gejammer reicher Menschen? Wer ein Wohnhaus einfach so bekommt - nur weil er zufällig als Sohn von Eigentümern auf die Welt kam - kann doch ruhig etwas an die Allgemeinheit abgeben. Wert ist so ein Haus in Münchens bester Lage schließlich das zehn- oder 20-fache. Was ist da schon eine Million an Steuern?

Wenn Ihnen nun solche Gedanken durch den Kopf gehen, ist das ein ganz natürlicher Reflex. Dass die Sache aber doch nicht so einfach ist, das versuchten Donhärl und Rudolf Stürzer vom Eigentümer-Verein "Haus und Grund" am Montag zu erklären. Beide setzen sich nämlich gerade für eine Reform der Erbschaftssteuer ein.

Denn bemessen wird diese momentan nicht nach den Mieten, die Erben einnehmen, sondern nach dem Wert der Immobilie. Gerade in München sind die Bodenpreise exorbitant gestiegen - und damit auch die Erbschaftssteuer.

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Hohe Abgaben zwingen Vermieter zu Mieterhöhungen

Donhärl und Stürzer vom Eigentümerverein glauben beide: Wenn Immobilien-Erben, die moderate Mieten verlangen, zu viel an Steuern bezahlen müssen, zwingt sie der Staat quasi die Miete zu erhöhen oder im schlimmsten Fall zu verkaufen.

"Nur: Wer kauft dann?", fragt Donhärl. Er ist davon überzeugt, dass dann die Häuser, die bis dahin Privatleute vermieten, an große Immobiliengesellschaften gehen - die den maximalen Gewinn aus ihren Gebäuden herauspressen.

Auch Rudolf Stürzer von "Haus und Grund" bezeichnet das Thema als eine "tickende Zeitbombe". Hunderte Mietshäuser in München könnten in den nächsten Jahren vererbt werden. Und Tausende Mieter könnten damit ihre netten Vermieter verlieren, so schätzt Stürzer die Lage ein.

Steuer sollte sich nach Miteinnahmen richten

Als so einen netten Vermieter, der die Bewohner persönlich kennt und moderate Preise verlangt, stellt Stürzer Wolfgang Donhärl vor. Er selbst sagt, dass manche seiner Mieter schon seit über 30 Jahren in seinem Wohnhaus leben. Vor der Erbschaft sei die Miete jahrelang nicht erhöht worden, erzählt er. Doch wegen der Erbschaftssteuer habe es am Ende keine andere Möglichkeit gegeben.

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Dass jemand, der viel erbt, auch etwas an die Allgemeinheit abgegeben muss - das sieht Donhärl grundsätzlich auch so. "Ich möchte aber nach dem besteuert werden, was ich auch erwirtschaften kann."

Die Erbschaftssteuer müsste sich aus seiner Sicht nach den Mieteinnahmen richten - und nicht nach dem Wert der Immobilie, zumindest so lange das Haus nicht verkauft wird.

Die Forderung: Freibeträge sollen erhöht werden

"Wer ein Unternehmen erbt, und garantiert, die Jobs zu erhalten, muss schließlich auch weniger Steuer zahlen", erklärt er. Für eine solche Befreiung spricht sich auch Stürzer aus.

Außerdem fordert er, dass die Freibeträge auf Immobilienerbschaften erhöht werden. Momentan gilt: Leben die Nachkommen nicht selbst im Elternhaus, sondern andernorts, beträgt der Freibetrag pro Kind 400.000 Euro. Doch eine Immobilie in München ist schnell über eine Million Wert, meint Stürzer.

Politische Unterstützung bekommt Stürzer für seine Forderungen von der CSU. Finanzminister Albert Füracker forderte schon vor Monaten eine Reform der Erbschaftsteuer. "Das Familienheim muss Familienheim bleiben können. Wenn Kinder das Eigenheim der Eltern verkaufen müssen, weil sie sich die Erbschaftsteuer nicht leisten können, dürfen wir das nicht hinnehmen", sagte er.

Ampelregierung ist sich uneinig über eine Reform

Auch die FDP ist offen für eine Reform. Der Münchner Bundestagsabgeordnete Daniel Föst beobachtet ebenfalls, dass sich Eigentümer in Großstädten die Erbschaftssteuer oft nicht leisten können. Eine charmante Lösung wäre aus seiner Sicht, wenn sich die Erben zu einer günstigen Miete verpflichten. Doch mit ihren Koalitionspartnern der SPD und den Grünen hat sich die FDP bis jetzt nicht geeinigt. Da finden viele eher: Statt weniger sollten Erben eigentlich viel mehr Steuern bezahlen.

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  • Der wahre tscharlie am 15.11.2022 17:37 Uhr / Bewertung:

    "Doch mit ihren Koalitionspartnern der SPD und den Grünen hat sich die FDP bis jetzt nicht geeinigt. Da finden viele eher: Statt weniger sollten Erben eigentlich viel mehr Steuern bezahlen."

    Das ist die eine Sache, die eigentlich beschämend ist, wenn es um Wohnraum geht.
    Aber in meinen Augen ist das Thema viel komplizierter. Wie in diesem Fall wird die Steuer nach dem Wert des Hauses berechnet. Und es geht um den Bodenrichtwert.

    Und dazu weis ich auf H.J.Vogel hin, der über 50 Jahre eine Reform des Bodenrechts gefordert hat, damit Mieten bezahlbar bleiben. Wenn ich mich erinnere, hatte die AZ auch öfter darüber berichtet.

    Die Forderung des Finanzamtes mag gesetzlich richtig sein, aber die Berechnungsgrundlage ist nicht sozial. Deshalb gehört das geändert.

  • eule75 am 15.11.2022 12:08 Uhr / Bewertung:

    Mich wundert gar nichts mehr. Wann kommt die Luft-/Atemsteuer?

  • koeju am 15.11.2022 14:43 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von eule75

    Luftsteuer gibt's schon. Die wird für über den Gehweg ragende z.B. Firmenschilder bezahlt.

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