Franz Maget im AZ-Interview: "Steinmeier? Nicht so sexy"
MÜNCHEN - Dafür ist Bayerns SPD-Chef sicher: Sein Genosse wäre der kompetenteste Kanzler, den Deutschland jemals hatte - sogar besser als Willy Brandt. Gleichzeitig hofft Maget auf einen Überraschungserfolg der SPD.
AZ: Noch drei Wochen bis zur Wahl – und die SPD dümpelt im Bund laut Umfragen bei 23 Prozent herum. Die Bayern-SPD schneidet traditionell noch deutlich schlechter ab als die Genossen im Bund. Angst vor einem Debakel?
FRANZ MAGET: Nein. Ich denke, die SPD in Bayern sollte dasselbe Ergebnis wie bei der letzten Bundestagswahl anstreben – 25,5 Prozent. Das ist ein Ziel, das man erreichen kann. Der vorletzte Sonntag mit den Wahlen in Thüringen, Sachsen und im Saarland war ein Weckruf für die SPD. Hoffentlich sind jetzt alle in meiner Partei aufgewacht, denn es geht noch was. Die Umfragen sind schlecht, aber sie haben sich in letzter Zeit immer als unzutreffend herausgestellt.
Haben Sie mit Steinmeier schon darüber geredet, wie es ist, in aussichtslosen Situationen Spitzenkandidat zu sein?
Steinmeier hat eine mentale Verfassung wie ich. Er ist zuversichtlich, geradlinig. Er lässt sich nicht unterkriegen.
Aber vielen ist er zu farblos – genau wie Frau Merkel.
Diese Problembeschreibung will ich gar nicht vom Tisch wischen. Dass Merkel und Steinmeier beide nicht den Sexappeal von Gerhard Schröder ausstrahlen, stimmt. Das wissen die Menschen in Deutschland aber. Sie wissen, es stehen jetzt zwei Persönlichkeiten zur Abstimmung, die anders sind. Manche sagen vielleicht langweiliger, ich sag’ sachlicher. Ich behaupte, ohne meinem Freund Schröder etwas Negatives unterzuschieben: Ein Steinmeier ist kompetenter als ein Schröder.
Aber Schröder war Kanzler – und Steinmeier wird’s nicht.
Das behaupten Sie. Aber mit Steinmeier hätten die Deutschen den kompetentesten Kanzler aller Zeiten. Steinmeier hat Politik gelernt. Weder ein Helmut Kohl noch ein Willy Brandt waren Fachmänner. Ich würde sagen, der letzte Fachmann als Kanzler war vielleicht Helmut Schmidt, der wirklich selber wusste, was zu tun ist. Schröder hatte das in der Nase oder im Urin. Frau Merkel hat auch mehr Gespür als fundierte Kenntnis in jedem Detail. Mit Steinmeier hätten die Deutschen fachlich den fundiertesten und kenntnisreichsten Kanzler, den es je gab.
Bei der Landtagswahl lag die Bayern-SPD bei unter 20 Prozent. So verhelfen Sie Steinmeier nicht in die Regierung.
Mit 18,6 Prozent wie bei der Landtagswahl nicht, aber mit 25,5 wie bei der letzten Bundestagswahl schon. Das ist der Punkt. Wenn wir annähernd das Ergebnis vom letzten Mal erreichen, kann Schwarz-Gelb nicht regieren. Und die SPD kann weiter den Kurs in der Großen Koalition bestimmen.
Das klingt viel bescheidener als das, was Sie kürzlich in einem Weinzelt sagten. Da hieß es: „Wir können noch gewinnen!" Wir haben uns gefragt: Wen meinen Sie mit „wir"?
Unter Gewinnen verstehe ich: Schwarz-Gelb verhindern und selber an der Regierung sein. Und ich kann mir sogar vorstellen, dass es so ausgeht, dass Steinmeier – und das ist seine Wunschvorstellung, wenn Rot-Grün nicht reicht – mit der FDP eine vernünftige Regierung zusammenbringt.
In Thüringen muss eine Regierung gebildet werden – und die SPD möchte dabei sein. Was raten Sie den Genossen?
Dass sie bei der Aussage, die sie vor der Wahl trafen, bleiben. Diese Lektion aus Hessen muss die SPD ein für allemal gelernt haben. Man kann Koalitionen mit der Linkspartei bilden. Das ist keine Sünde. Aber dann darf man sie vor der Wahl nicht ausschließen. Christoph Matschie hat nur eins ausgeschlossen: Dass die SPD einen Ministerpräsidenten der Linkspartei wählt.
Große Koalition oder Rot-Rot-Grün - was soll er tun?
Es ist richtig, dass er mit der CDU redet. Und er wird offen mit den Grünen sprechen. Ich stelle es mir so vor, dass SPD und Grüne ein Papier machen, in dem steht: Das Vorschlagsrecht für den Ministerpräsidenten hat die SPD. Wenn die Linkspartei das Papier inhaltlich und mit diesem Zusatz akzeptiert, kann es auch zu Rot-Rot-Grün kommen. Nur dann.
Ist die Linkspartei für Sie jetzt salonfähig geworden?
Die Linkspartei ist durch die Medien längst salonfähig gemacht worden. Wenn ich spät heimkomme und ich mache den Fernseher an, sind Lafontaine und Gysi unvermeidlich. Die Linkspartei ist in der Medienöffentlichkeit und damit im Bewusstsein der Bevölkerung zum Bestandteil unseres Parteiensystems geworden. Ob man mit ihr aber koalieren will, ist eine politische Frage.
Wie lang kann dann die SPD ihre Verweigerungshaltung noch aufrecht erhalten?
Die hat die SPD ja da, wo es möglich ist, schon aufgegeben. Längst regiert die SPD auf Länderebene mit der Linkspartei. Das heißt: Überall dort, wo es inhaltlich passt, kann man auch mit der Linkspartei koalieren. Das macht Wowereit seit zehn Jahren. Und Berlin ist nicht kommunistisch geworden. Und auf Bundesebene ist das ja keine Verweigerungshaltung der SPD. Es ist nicht so, dass wir Menschen ausgrenzen und sagen: Ihr seid uns zu eklig. Sondern man muss prüfen, ob eine Koalition mit der Linkspartei inhaltlich möglich ist. Und da sagt die SPD: Nein.
Interview: lj, bö, tha