Finanzminister Markus Söder erklärt in der AZ seine Pläne für die Stadt

CSU-Finanzminister Markus Söder erklärt in der AZ seine Pläne für die Stadt, seine Rolle im Wahlkampf – und wieso sein Verhältnis zu Seehofer dem zwischen den Fußballern Robben und Ribéry ähnelt.
Natalie Kettinger, Michael Schilling |
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"Ich glaube, ich bin einer der wenigen Nicht-Münchner in der CSU, der diese Stadt versteht": der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU).
Daniel von Loeper "Ich glaube, ich bin einer der wenigen Nicht-Münchner in der CSU, der diese Stadt versteht": der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU).

Finanzminister Markus Söder erklärt in der AZ seine Pläne für die Stadt und seine Rolle im Wahlkampf. Er sagt, warum sein Verhältnis zu Horst Seehofer dem zwischen den Fußballern Robben und Ribéry ähnelt.

Markus Söder (CSU) ist seit 2011 Bayerischer Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat. Im AZ-Interview erklärt er unter anderem seine München-Pläne.

AZ: Herr Söder, aktuell sind alle Politiker im Wahlkampf. Sie auch – obwohl Sie gar nichts gewinnen können.
MARKUS SÖDER: Natürlich gewinnen alle in der CSU, wenn wir ein gutes Ergebnis und eine ordentliche Regierung bekommen. Es gilt für uns alle, die CSU so stark wie möglich zu machen. Deshalb habe ich jeden Abend Wahlkampfauftritte überall in Bayern – allein an diesem Sonntag zwei in München, erst in Aubing, dann bei Markus Blume in Perlach.

Wie geht die Wahl denn aus?
Ich glaube, dass es eine gute Chance gibt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel Kanzlerin bleibt. Die Deutschen wollen jetzt keine Experimente und kein Rot-Rot-Grün. Mein Wunsch wäre, dass die Union nach der Wahl mit der FDP regiert. Die SPD hat ihr Pulver verschossen und ist meines Erachtens nicht für einen neuen Aufbruch in der nächsten Regierung bereit.

"Mit Hofreiter gut zu koalieren, kann ich mir nicht vorstellen"

Lieber Schwarz-Gelb als eine Koalition mit den Grünen?
Ja. Wir haben mit den Grünen die größten Differenzen bei den zentralen Themen Zuwanderung und kulturelle Identität. Da gibt es große Gräben. Es beginnt bei der Sprache: Wie oft haben uns die Grünen Zwangs-Germanisierung vorgeworfen, wenn wir gefordert haben, dass Zuwanderer Deutsch lernen sollen. Und statt an Multikulti glauben wir daran, dass es eine Art Regelwerk für die Gesellschaft braucht: eine Leitkultur. Und zuletzt menschlich: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie man mit Anton Hofreiter gut koalieren kann.

Gehen wir von einem Sieg der Union aus: Dann wird Andreas Scheuer Bundesminister, Joachim Herrmann auch – und Markus Söder wird: nichts.
Wir sollten Posten nicht vor der Wahl verteilen. Und was mich angeht: Ich habe mich klar für meine Aufgabe in Bayern entschieden.

Warum eigentlich?
Ich habe den Wählern versprochen, in Bayern zu arbeiten. Dafür bin ich gewählt. Und auch im Fußball gilt Vereinstreue als zwar seltenes, aber wesentliches Element. Man muss wissen, wo sein Platz ist und wo man den besten Beitrag erbringen kann. Im nächsten Jahr ist die Landtagswahl für die CSU mindestens so wichtig wie die Bundestagswahl jetzt. Da muss ein starkes Team an Bord sein. Ich glaube, dass ich dazu einen überdurchschnittlichen Beitrag erbringen kann.

Um im Bild zu bleiben: Sie hätten doch vom 1. FC Nürnberg zum FC Bayern wechseln können.
Sie werden doch nicht ernsthaft behaupten, die bayerische Staatsregierung sei zweitklassig. Für die CSU ist die Staatsregierung immer auf Augenhöhe mit der Bundesregierung.

Welche Rolle wird Karl-Theodor zu Guttenberg in Zukunft spielen?
Er macht Wahlkampftermine und will der Partei helfen. Das ist doch gut.

Als Finanzminister haben Sie sich lang gegen eine Tram durch den Englischen Garten gewehrt. Jetzt hat Horst Seehofer Sie überstimmt.
Da bin ich völlig offen.

Man könnte auch sagen: Ober sticht Unter. Wieder mal.
Natürlich respektiere ich den Wunsch des Ministerpräsidenten. Jetzt muss die Stadt München einen konkreten Vorschlag machen. Und schließlich sollte man auch die Bürger einbinden. Denn je dichter sie am Englischen Garten leben, desto skeptischer stehen sie einer Tram gegenüber.

Trotzdem festigte sich auch bei der Garten-Tram der Eindruck: Der Seehofer bremst den Söder ein, wo er nur kann.
Das sehe ich nicht so. Bei der Garten-Tram gab es doch eher Skepsis bei der Münchner CSU. Generell gilt: Horst Seehofer und ich arbeiten zum Wohle Bayerns gut zusammen. Gerade wenn es schwierige Momente gab – etwa bei der Rettung des Landesbank –, war die Zusammenarbeit immer gut und konzentriert.

Auch wenn es nicht so aussieht?
Politik braucht Kondition und Konzentration. Man muss in der Lage sein, in schwierigen Zeiten Kurs zu halten. Deswegen ist das ja auch kein Ausflugsjob. Ob Sanierung der Landesbank, Breitbandausbau, Schuldentilgung – ich versuche, mein Bestes für unser Land zu erbringen. Wir haben ein gutes Miteinander.

Ein besseres?
Ein sehr vernünftiges. Robben und Ribéry müssen auch nicht zusammen in den Urlaub fahren, um miteinander erfolgreich Fußball zu spielen.

Was unterscheidet Franken von Altbayern?
Zunächst einmal: Der Franke ist innerlich genau so euphorisch wie der Altbayer, aber er hat sich entschieden, es nach außen nicht so sehr zu dokumentieren. Er ist eher schüchtern und zurückhaltend.

Sprechen Sie jetzt etwa von sich?
Klar. Der Franke ist zudem eher skeptisch als optimistisch; das liegt wohl auch am Club. Der Altbayer ist ein bissl anarchischer und geht mit den Obrigkeiten härter ins Gericht als der Franke.

Deswegen fühlen Sie sich in München so wohl?
Ich glaube, ich bin einer der wenigen Nicht-Münchner in der CSU, der diese Stadt versteht. Dabei sind die derzeitigen Veränderungen fundamental. Eine Stadt, die so wächst, kann das nicht negieren, sondern muss sich überlegen, wie sie mit diesem zentralen Metropol-Charakter umgehen will. Ein Gesundschrumpfen, das manche wollen, ist kein vernünftiger Weg.

Wie sieht Ihr Wachstumsplan für München aus?
An manchen Stellen muss höher gebaut, an anderen nachverdichtet werden. Es braucht ein intelligent-urbanes Verkehrskonzept. Da kann man sich von innovativen Konzepten in anderen Weltmetropolen etwas abschauen. Ich bin ja auch für die dritte Startbahn. Wobei ich auch Leute verstehe, die sagen, es reiche ihnen. Aber wenn eine Stadt so wächst wie München, kann man nicht einfach stehenbleiben. Wir wollen vom Freistaat aus München helfen, den ÖPNV weiterzuentwickeln. Die Stadt hat trotz der Diskussion um Stickoxide etwa bisher kaum Elektro-Busse.

Wenn Sie von Elektromobilität sprechen: Ist Ihnen als Finanzminister schon bang um die künftigen Steuereinnahmen von Audi und BMW?
Für die Zukunft wird nicht die aktuelle Diesel-Diskussion entscheidend sein, sondern die Frage nach den Verkehrskonzepten. Die deutschen Autofirmen sind weltweit führend. Wenn sie an China oder Teile der USA denken, wird der Verbrennungsmotor auch in Zukunft ein fester Bestandteil sein. Darum wäre ein Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor falsch. Trotzdem müssen wir uns beim autonomen Fahren, bei Elektro- und Hybrid-Antrieb technologisch Dinge überlegen, um auf dem Weltmarkt in Zukunft zu punkten.

Da sind Sie doch wieder erstaunlich nah an den Grünen.
Nein. Die Grünen sind Autofeinde und haben eine grundlegende Skepsis gegenüber der individuellen Mobilität des Menschen. Außerdem stellen sie den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor als Koalitionsbedingung. Das gefährdet Tausende Arbeitsplätze allein in Bayern – und es gibt viele Leute, die sich ein neues Elektroauto gar nicht leisten können.

Wie sähe Ihr Anreiz für den Privatkunden aus?
Wir müssen weg davon, dass Elektroautos als etwas Skurriles betrachtet werden. Und wir müssen die Vision dieser Autos zeigen: Wie ein alternativer Antrieb plus eine autonome Fahridee in einer Großstadt zu positiven Veränderungsprozessen führen können. Staus könnten so deutlich reduziert, wenn nicht gar verhindert werden. Dazu eine E-Bike-Initiative! Es gibt so viele interessante Dinge, über die derzeit zu wenig nachgedacht wird, weil es ausschließlich um den Diesel geht.

Wie hätten Sie eigentlich bei der Ehe für alle abgestimmt?
Mit Nein, weil ich den Prozess überstürzt fand. Generell glaube ich auch, dass die Ehe im Grundgesetz von Mann und Frau definiert wird. Aber: Wenn zwei Menschen sich lieben, sollte man das respektieren. Deshalb fand ich es gut, die Abstimmung zu einer Gewissensentscheidung zu machen.

Mehr als 1,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen extra könnten bis Ende 2018 in Bayerns Staatskasse gespült werden – was haben Sie damit vor?
Wir haben Rekord-Steuereinnahmen und Niedrigzinsen. Beides stärkt den Staat – aber die Bürger haben nichts davon. Sie zahlen Steuern, bekommen aber keine Zinsen mehr auf das, was sie zurücklegen. Deswegen ist es an der Zeit, dem Bürger jetzt etwas zurückzugeben.

Haben Sie Wolfgang Schäuble schon davon überzeugt?
Ja, klar. Im Wahlprogramm steht: Wir werden die Einkommenssteuer senken, den Soli schrittweise abbauen, Kindergeld und -freibeträge erhöhen. Für viele Einkommensgruppen können das bis zu 1000 Euro im Jahr sein, die mehr beim Bürger bleiben.

Welche Schwerpunkte setzen Sie noch, Herr Söder?
Bildung und Digitalisierung. Wir werden weiter Geld in den Breitband- und den WLAN-Ausbau stecken und in den Ausbau der Schulen: Die Umstellung von G8 auf G9 wird kommen, mit mehr Lehrkräften. Und der dritte Schwerpunkt bleibt die Infrastruktur: Wenn Sie an die Stammstrecke denken und viele andere große Bauprojekte in München – die muss man ordentlich finanzieren.

Die 1,5 Millionen Menschen, die laut Paritätischem Wohlfahrtsverband in Bayern unterhalb der Armutsgrenze leben, erreichen diese Maßnahmen nicht.
Den Bayern ging es noch nie so gut wie jetzt. An der genannten Statistik gab es sehr viel Kritik. Die dortige Definition für Armut, die sich nur an Prozentwerten vom allgemeinen Durchschnittseinkommen orientiert, gilt es schon zu hinterfragen. Bedeutet Armut, dass man kein Dach über dem Kopf hat und nichts zu essen hat? Oder geht es nur darum, wie viel Geld man im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung hat? Diese Herangehensweise halten viele Experten und Wissenschaftler für unseriös, weil sie nicht auf echte Notlagen abstellt. Mein Eindruck ist: Es gibt viele Menschen, denen es nicht perfekt geht und denen man helfen muss – der deutsche Sozialstaat ist aber auch der effizienteste, den wir je hatten. Über 50 Prozent des gesamten Bundeshaushalts sind Sozialleistungen.

Trotzdem gibt es Bayern, denen die Rente nicht zum Leben reicht.
Auch denen muss man selbstverständlich helfen. So wird ja etwa die Rente erhöht.

Auch dann wird sie vielen nicht reichen, gerade in München.
In München gilt es, das schwierige Thema Wohnungsnot und hohe Mieten zu lösen. Da brauchen wir eine grundlegende Veränderung.

Welche?
Wir wollen die steuerliche Abschreibungsmöglichkeit für Wohnungsbau grundlegend revolutionieren, damit wieder mehr investiert und gebaut wird. Außerdem wollen wir bei der Grunderwerbssteuer und beim Baukindergeld staatliche Instrumentarien so ausbauen, dass die Bürger mehr Möglichkeiten haben, selbst Wohneigentum zu erwerben. Und drittens brauchen wir eine Veränderung des Bauzyklus. Wir bauen staatlich in München mit der Stadibau für Beamte, Polizisten, Krankenschwestern – aber ein normales Bauprojekt dauert zwischen fünf und zehn Jahren. Das muss schneller gehen, sonst werden wir die Probleme nie lösen.

Zurück zum Thema Steuereinnahmen: Die könnten Sie noch vergrößern, wenn Sie Flüchtlingen in Bayern den Zugang zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt erleichtern würden. Die Asylverfahren dauern oft Monate, wenn nicht gar Jahre. Währenddessen sind diese Menschen zur Untätigkeit verdammt.
Die Verfahren müssen beschleunigt werden. Außerdem haben wir die Möglichkeiten erleichtert, Arbeit anzunehmen – das darf aber nicht dazu führen, dass das Verfahren durch die Hintertür ausgetrickst wird. Wenn wir der festen Überzeugung sind, dass das Asylrecht richtig und wertvoll ist, müssen wir die Regeln einhalten. Das heißt: Jemand, der nicht politisch verfolgt ist und auch nicht anerkannt wird, muss wieder in seine Heimat zurück. Deswegen müssen wir konsequenter abschieben, die Grenzen besser sichern und für eine gelingende Integration werben.

Würden Sie aktuell in die Türkei reisen?
Nein. Ich war immer ein großer Türkei-Fan und oft im Urlaub dort, etwa in Istanbul und in Belek oder Antalya mit der Familie. Aber die Türkei nimmt unter Erdogan einen falschen Weg. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass wir Klartext mit der Türkei reden müssen: Wir sollten die EU-Beitrittsgespräche beenden und Zahlungen einstellen. Mit Erdogan wird es nie einen EU-Beitritt der Türkei geben.

Haben Sie Sorge, dass Erdogan dann den Flüchtlingspakt platzen lässt?
Dieser Pakt ist mindestens so sehr im Interesse der Türkei wie im Interesse Europas. Die Türkei verhindert ja nicht nur, dass niemand das Land verlässt – sie sorgt vor allem dafür, dass niemand ihr Land betritt. Außerdem gibt es mit der Nato ein verbindendes Element. Aber wer Europäer als Nazis beschimpft, kann nicht ernsthaft EU-Mitglied werden.

Haben Sie Angst vor Trump?
Das Einzige, wovor ich Angst habe, ist, dass meinen Kindern oder meiner Familie etwas passieren könnte. Sonst bin ich zwar ein gläubiger, aber kein ängstlicher Mensch. Aber natürlich kann man kein Fan von Trump sein. Ich bin ein echter Atlantiker und mag den American Way of Life – und genau deshalb hat es mir wehgetan, als er sagte, Deutschland sei sehr, sehr böse. So redet man über ein Land wie Nordkorea, aber nicht über Deutschland. Aber Amerika ist so ein tolles Land – das übersteht auch Trump. Und ich finde, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel unsere Position gegenüber Washington gut vertritt. Trump spürt, dass wir eine eigene Meinung haben. Wir sorgen außerdem dafür, dass wir in Europa wieder stärker werden – das ist der richtige Weg.

Sie erwähnten Ihren Glauben und sagten mal, sie sprächen täglich mit Gott. Worüber?
Meist erbitte ich nur, mir die Kraft zu geben, das auszuhalten, was ich aushalten muss und das zu schaffen, was ich schaffen kann – und mit mir dabei im Reinen zu bleiben.

Haben Sie einen Lieblings-Bibelspruch?
Nein, die Bibel ist ein Riesen- Schatz an sensationellen Weisheiten. Auf meinem Schreibtisch liegt eine Bibel. Oft schlage ich willkürlich eine Seite auf und finde eine Stelle, die mir für den Tag hilft.

Zu Ihnen passt vielleicht ein leicht abgewandelter Matthäus-Vers: Wie eng ist die Pforte und wie schmal ist der Weg, der in die Staatskanzlei führt – und nur wenige sind’s, die ihn finden.
Das stimmt – aber es gibt immer einen, der reinkommt. Das ist übrigens der Unterschied zwischen Genies und Ämtern: Für Genies gibt es keinen Ersatz, für Ämter gibt es immer Nachfolger.

Sie wollen also doch noch Ministerpräsident werden.
Das habe ich mit keinem Wort gesagt.

Bundestagswahl 2017: So wählen die MünchnerVideo: Horst Seehofer über Jogginghosen und Streit zuhause

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