Der Kampf der Münchner um die Tela-Post – Hoffen auf Außergewöhnliches
München - Acht Grad, Nieselregen: denkbar mieses Demo-Wetter. Kein Wunder also, dass sich kaum mehr als ein halbes Hundert protestwilliger Regenschirmträger auf dem Tegernseer Platz vor der Hausnummer sieben versammelt haben. Der Grund: in dem Gebäude, wo die Kunden nicht selten bis vor die Tür Schlange standen, soll demnächst sehr viel weniger los sein, denn: Die dort seit einer gefühlten Ewigkeit beheimatete Postfiliale soll künftig als sogenannte "Beratungsfiliale ohne Postgeschäft" geführt werden.
Kein Scherz: Ist die Tela-Post schon am 1. April Geschichte?
Will sagen: keine Briefmarken mehr, keine Päckchen, keine Kuverts, auch kein Geld vom Postbankkonto mehr. Sollte nicht noch irgendetwas Außergewöhnliches passieren, ist die Tela-Post schon am 1. April Geschichte. Angelika Luible vom "Bündnis HeimatGiesing" orakelt in ihrem leuchtend gelben Ostfriesen-Nerz, "es gibt ja oft unerwartete Wendungen", sagt sie. "Die erste Niederlage ist die, es erst gar nicht versucht zu haben", doch sie weiß auch, dass es sich dabei wohl eher um das berühmte Pfeifen im Walde handelt. Wenn sich ein börsennotiertes Unternehmen wie die Deutsche Post AG mit mehr als 600.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 84 Milliarden Euro (2024) zu einem solchen Schritt entschließt, ist die Handhabe dagegen sehr überschaubar.

Das sagen Politiker dazu
Das musste auch schon Oberbürgermeister Dieter Reiter unlängst im Rahmen seiner Bürgersprechstunde einräumen, so wie nun auch sein SPD-Parteikollege, der Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff. Er habe auch ständig in dieser Schlange gestanden, sagt der Jurist und bekennende FC Bayern-Fan, der im Wirtschaftsausschuss des Bundestags unter anderem zuletzt für die SPD auch das Postrechtmodernisierungsgesetz verhandelt hatte. Seine Forderung: "Die Filialstruktur muss gleich bleiben, der Herzschlag des Viertels erhalten werden." Die von der Post AG angeführte Überversorgung am Tegernseer Platz könne er beim besten Willen nicht erkennen: "Die nächstgelegenen Filialen am Hans-Mielich-Platz und in der Humboldtstraße liegen auf keinem Weg. Das ist schwach von der Post. Aber wir können die zu nichts zwingen."
Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine Herausforderung
Auch Carmen Dullinger-Oßwald, die Vorsitzende des Bezirksausschusses Obergiesing-Fasangarten, schimpft über die in der Tat reichlich absurde Luftlinien-Bemessung, die in Kontrast steht zur perfekten Erreichbarkeit der TeLa-Post, wo Tram, Bus und U-Bahn praktisch direkt vor der Haustür liegen, was gerade für ältere, womöglich in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen ein entscheidender Faktor sei. "Die ganze Stadt muss auf die Beine kommen!", gibt sich Dullinger-Oßwald kämpferisch. Ricky Dörrie, Vorsitzende des Unterausschusses Arbeit & lokale Wirtschaft, schlägt in die selbe Kerbe: "Die Post wird deshalb nicht pleite gehen." Die Tela sei ja nun beileibe keine Luxus-Meile, biete aber alles, was man brauche und wolle, so Dörrie - was ohne die Tela-Post allerdings nicht mehr der Fall wäre.
Die Historie der Tela
Der Historiker Herbert Dandl weist in einem kurzen Vortrag nochmal auf die Entstehungsgeschichte der Tela-Post hin, die vor knapp hundert Jahren von dem Architekten Robert Vorhoelzer im Stil der Neuen Sachlichkeit entworfen worden war, was "manche Giesinger gar nicht mal so gut fanden", sagt Dandl. Auch die Postfilialen am Harras und am Goetheplatz gehen auf Pläne Vorhoelzers zurück. 1929 wurde die Tela-Post samt dem Café TeLa eingeweiht, sollte von den Nazis nach deren Machtergreifung eigentlich abgerissen werden, wurde dann aber erst im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört, danach in seiner strengen Symmetrie wieder originalgetreu aufgebaut und steht heute unter Denkmalschutz. Dumm nur, dass künftig wenig Leben darin sein wird – wenn nicht doch noch etwas Außergewöhnliches passiert.
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