Baumgärtner gegen Reiter: So will er den SPD-Oberbürgermeister schlagen
München – Eine neue Brille darf sich Clemens Baumgärtner das nächste Jahr nicht zulegen. Denn seine runde Maulwurfsbrille ist sein Markenzeichen. Sogar Sticker mit einem "B" und einer Brille hat er drucken lassen. "Scharf auf Veränderung" steht darauf. Baumgärtner, der bis vor drei Wochen noch Münchner Wirtschaftsreferent war, bewirbt sich damit nicht als neuer Chef von Fielmann.
Er will für die CSU Münchner Oberbürgermeister werden. Wie will er das schaffen – in dieser Stadt, in der bis auf ein Mal alle OBs SPDler waren, in der Amtsinhaber Dieter Reiter wieder antritt, der bekannt und beliebt ist?
"Die besten Jahre für die Stadt": CSU will Beteiligung an Regierung erzwingen
Bei einer Pressekonferenz in einem startup-artigen Büro-Meeting-Raum (Tische und Stühle – Fehlanzeige, dafür saßen alle auf großen Stufen) präsentierte Baumgärtner seine Kampagne – und sein Team. Wer schon länger die Kommunalpolitik verfolgt, dürfte sich an alte Zeiten erinnert haben.
Wahlkampfleiter ist Josef Schmid, der ehemalige Münchner Bürgermeister, der so wie Baumgärtner auch einst Wirtschaftsreferent war und inzwischen für die CSU im Landtag sitzt. Zweimal kandidierte Schmid als CSU-OB-Kandidat. Daran scheiterte er zwar, aber 2014 wurde die CSU immerhin stärkste Kraft im Stadtrat.

"Unser Ziel ist, den OB zu stellen, stärkste Fraktion zu werden und dass ohne die CSU nicht regiert werden kann", sagte Schmid. Er will an die sechs Jahre anknüpfen, in denen die CSU in München mitregierte, die – laut Schmid – die besten für die Stadt gewesen sind.
Schmid: München bleibt hinter seinem Potenzial zurück
"München ist eine Superstadt, bleibt aber weit hinter ihrem Potenzial zurück", findet er. Und das liege, meint Schmid, an der "grün-roten Politik, die von Ideologie getrieben sei". OB Dieter Reiter (SPD) sei zwar ein sympathischer Mann, habe aber die Probleme nicht gelöst, sondern sei jahrelang abgetaucht.
Baumgärtner soll das Gegenmodell dazu sein. Einen "Anpacker", einen "Gestalter", nannte Schmid ihn. Schließlich brachte Baumgärtner die Auto-Ausstellung IAA und Stars wie Adele nach München. Als Rechtsanwalt für Wirtschaftsrecht sei Baumgärtner außerdem ein "Profi", aber trotzdem "bürgernah" und "down to earth". Baumgärtner wurde 1996, also mit 20 Jahren, Mitglied des Bezirksausschusses Untergiesing-Harlaching. Acht Jahre lang bis 2020 war er Chef des Gremiums.
Wahlprogramm soll erst im Sommer entstehen
Konkrete Inhalte verriet Baumgärtner bei dieser Pressekonferenz nicht. Auch ein Wahlprogramm gibt es noch keines. Es soll im Sommer entstehen, wenn Baumgärtner seine Tour durch alle 25 Stadtviertel hinter sich gebracht hat.
Das ist keine neue Idee: 2014 ist Seppi Schmid mit einem Bulli umher gefahren und hat sich von Bürgern, Vereinen, Anwohnern erklären lassen, welche Probleme sie haben. Genau das hat Baumgärtner nun ab Mai wieder vor – auch, wenn der VW-Bus von damals nicht aus der Garage geholt wird. Schließlich wolle man nicht die Vergangenheit kopieren.
Zwar nannte Baumgärtner seine drei wichtigsten Themen: Wirtschaft, Verkehr und Sicherheit. Doch welche Tram- oder U-Bahn-Linien er genau bauen würde, verriet er nicht. Auch als ein Journalist fragte, wie er mit Asylbewerber-Unterkünften in den Vierteln umgehen wolle, gab Baumgärtner keine konkrete Antwort.
Baumgärtner: "Ich will die Dinge pragmatisch angehen"
Bei seiner Tour durch die Stadtviertel wolle er die Probleme begreifen, sagte Baumgärtner. Es solle nicht der Stil sein, ohne Kenntnis von vor Ort, Schlagzeilen zu produzieren. Klar sei für ihn aber: "Ich will die Dinge pragmatisch angehen." Dabei wolle er genau hinschauen, warum diese Stadt, die eigentlich Steuereinnahmen von rund neun Milliarden Euro jährlich hat, trotzdem knapp bei Kasse ist.
"Mein Eindruck ist: Viel Geld versickert, weil Flyer gedruckt und Konzepte geschrieben werden", sagte Baumgärtner. Wenig Effizienz beobachtet er auch bei Münchens Baustellen – etwa auf der Fürstenrieder Straße, wo die Tram-Westtangente gebaut wird, wo Spuren gesperrt sind, aber längst nicht überall Bauarbeiter schuften.
Tour durch Stadtviertel geplant
Baumgärtner will Projekte neu priorisieren – und welche ganz oben auf seiner Liste landen, soll seine Tour durch die Stadtviertel zeigen.
Und die soll so ablaufen: Die CSUler, die in den Bezirksausschüssen sitzen, sollen ein Programm für ihren Stadtteil ausarbeiten - mit den wichtigsten Themen, Problemen, Baustellen. Baumgärtner will sich dann vor Ort mit Bürgerinitiativen, Vereinen und Nachbarn treffen, die ihm alles erklären.
Am Abend soll es immer eine Abschlussveranstaltung im Biergarten oder in einem Vereinsheim geben. "Das werden intensive Tage, die von mittags bis nachts dauern", kündigte Schmid an.
Baumgärtner lebt jetzt von seinem Ersparten
Dafür hat Baumgärtner nun Zeit. Denn er wird sich das ganze Jahr bis zur Kommunalwahl komplett dem Wahlkampf widmen – also auch als Rechtsanwalt keine Mandate übernehmen, sagte Schmid. Baumgärtner lebe dann von seinem Ersparten. Das verschafft ihm Freiheit – und Zeit.
Schmid ist überzeugt, dass das ein Vorteil gegenüber OB Reiter und dem Grünen-Kandidaten, Bürgermeister Dominik Krause, ist. Die sitzen schließlich im Rathaus fest. Für Schmid zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass er recht hat:
Der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Georg Kronawitter trat 1978 wegen Streitereien mit seiner SPD nicht mehr an. Der CSUler Erich Kiesel wurde OB. Dann versuchte es Kronawitter doch noch einmal - und holte den Wahlsieg, nachdem er Tag für Tag in der Münchner Fußgängerzone Moosröschen verteilt hatte.
Ob Clemens Baumgärtner auch bald Blümchen verschenkt? Ein Jahr Zeit dafür hätte er jetzt.