Letzte Wende im Hanna-Prozess? Verteidigung stellt Verzweiflungsantrag
Traunstein/Aschau - Wie es wohl dieser Mutter geht? Man kann es nicht beschönigen: Hätte sie nicht bei der Polizei angerufen und berichtet, dass ihr Sohn Sebastian T. (22) in der Nacht auf den 3. Oktober 2022 joggen war, säße er jetzt nicht auf der Anklagebank.
Prozess im Eiskeller-Mord: Ohne Anruf keine Anklage
Denn nur so wurde sein Umfeld befragt, nur so kam man auf Verena und Lea R., die durch ihre Aussagen dafür sorgten, dass aus dem Zeugen S. ein Tatverdächtiger wurde. Ansonsten wäre der Mord an Hanna, wenn man so will, das perfekte Verbrechen gewesen.
Am inzwischen 31. Verhandlungstag am Landgericht Traunstein muss sich T. verantworten, weil er wegen Mordes angeklagt ist. Er soll die 23-jährige Hanna auf ihrem Heimweg vom Club Eiskeller in Aschau im Chiemgau überfallen haben – wohl mit dem Ziel einer Vergewaltigung.
Mordfall Hanna: Angeklagter Sebastian T. zeigt keinerlei Reaktion
Sebastian T. bietet seit 32 Tagen dasselbe Bild. Stets mit einer olivgrünen Daunenjacke bekleidet, stets in der gleichen Sitzposition, stets mit dem gleichen Gesichtsausdruck. Nahezu teilnahmslos wirkt er – aber Zeugen haben auch ausgesagt, dass er bei Ärger in der Arbeit wie auch bei seiner Verhaftung keine Regung zeigte. Weil er über etwas geminderte Intelligenz verfügt, wie die Gutachter festgestellt haben? Oder weil er, auch wenn es wie ein Klischee klingt, ein kaltblütiger Mörder ist?
Verteidigung um Regina Rick: Gar ein sechsstelliger Betrag der Kosten?
Die Familie von T. scheut jedenfalls keine Kosten und Mühen, ihren Sebastian vor einer Verurteilung zu bewahren. Nach Schätzungen von Prozessteilnehmern soll es sich allein für die Wahlverteidigerin Regina Rick und Unterstützung durch den Wiederaufnahme-Experten Gerhard Strate um einen Betrag im unteren sechsstelligen Bereich handeln.
Ein immenser Aufwand
Die Verfahrenskosten, die dem Angeklagten im Falle einer Verurteilung drohen, dürften ebenfalls hoch sein. Ein Beispiel: Der 31. Verhandlungstag dauert zwar nur 30 Minuten, offenbar weil kein freier Raum verfügbar ist. Aber auch für den kurzen Termin muss Rick extra aus München und die beiden Pflichtverteidiger Harald Baumgärtl und Markus Frank sowie die beiden Staatsanwälte Wolfgang Fiedler und Florian Jeserer von Rosenheim nach Traunstein fahren, ebenso Walter Holderle, der Vertreter von Hannas Eltern als Nebenklägern.
Mal ganz abgesehen von der Vorsitzenden Richterin Jacqueline Aßbichler, ihren Beisitzern und Schöffen. Hinzu kommen Zeugen, die Verdienstausfall und Fahrtkosten erstattet bekommen, sowie Gutachten.
Das Handy des Angeklagten: Wer hat wirklich gespielt?
Rick stellt am Donnerstag einen allerletzten Beweisantrag, nämlich Nummer 21. Er ähnelt Beweisantrag 12, bei dem es ebenfalls darum geht, wie das Handy von T. in der Tatnacht genutzt wurde. Fest steht, dass in jener Nacht "Clash of Clans" gespielt wurde. Am Nachmittag lief dann ein Strick-Video auf dem Handy. Sofern es Sebastian war, der in der Nacht gespielt hat, würde das den möglichen Tatzeitraum stark einschränken.
Aber wer hatte das Handy wirklich in der Hand? Schließlich wurde der Account seiner Mutter genutzt – und schaut ein junger Mann wirklich Strickvideos? Hat also möglicherweise seine Mutter nachts "Clash of Clans" gespielt? Dazu sollen nochmals Google-Daten ausgewertet werden, obwohl das laut einem LKA-Beamten schon vollständig getan worden ist.
Anwalt spricht von "verzweifeltem Versuch"
Dadurch, dass T. nicht aussagt und keine sogenannten "Einlassungen" gibt, wirken viele Anträge der Verteidigung widersprüchlich. Aber die Verteidigung hat bereits ein Konzept für die Plädoyers, die bald anstehen, sagt Baumgärtl der AZ.
Walter Holderle, Anwalt von Hannas Eltern, sieht in dem neuen Beweisantrag einen "verzweifelten Versuch", ihren früheren Beweisantrag, der T. doch belastet hatte, nochmals zu drehen. Er habe keine Stellung genommen, weil das Gericht feststellen werde, dass der Beweisantrag ohnehin formal falsch sei, so Holderle.