Interview

Landshuter Facharzt: Deshalb ist Nachhaltigkeit im Unternehmen so wichtig

Der Landshuter HNO-Arzt Dr. Ioannis Charalampakis macht vor, wie Unternehmen nachhaltiger wirtschaften können.
Kerstin Petri
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Dr. Ioannis Charalampakis in seiner Praxis in der Altstadt.
Dr. Ioannis Charalampakis in seiner Praxis in der Altstadt. © Kerstin Petri

Landshut - Wie kann ich als Unternehmer nachhaltiger arbeiten und gleichzeitig einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten? Diese Fragen stellten sich sechs Unternehmen in der Region Landshut.

Zu diesem Zweck erstellten sie eine Gemeinwohl-Bilanz. Vor Kurzem wurden sie mit einer Urkunde ausgezeichnet. Einer von ihnen ist der HNO-Arzt Dr. Ioannis Charalampakis. Im AZ-Interview erzählt er, was er in seiner Praxis bereits umgestellt hat und warum auch andere Unternehmer nachhaltiger arbeiten sollten.

AZ: Wie haben Sie von der Gemeinwohl-Ökonomie erfahren?
IOANNIS CHARALAMPAKIS: Ich kannte sie aus der Zeit, als ich in Traunstein gewohnt habe. In der Nähe ist die Gemeinde Kirchanschöring, die eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt hat. Als ich nach Landshut kam, gab es einen Vortrag von Christian Felber (Initiator der Bewegung, Anm. d. Red.) in der Fachhochschule. Kurz darauf hat der Koordinator der Regionalgruppe Landshut, Georg Ohmayer, ein Seminar veranstaltet, bei dem der Prozess des Erstellens einer Gemeinwohl-Bilanz erläutert wurde. Bei diesem Seminar habe ich die Entscheidung getroffen, selbst eine zu erstellen.

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"Ich hatte in der Praxis von Anfang an Ökostrom" 

Warum wollten Sie eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen?
Als Unternehmer kann ich nicht so tun, als würde mich die von Menschen gemachte Zerstörung der Natur nichts angehen. Spätestens jetzt müsste jedem klar sein, dass wir gegensteuern müssen. Als Unternehmer sitze ich an einem längeren Hebel als meine Angestellten oder Verbraucher. Und diese Verantwortung will ich auch wahrnehmen. Außerdem wollte ich einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Die Erstellung eines Berichtes ist einerseits eine Bestandsaufnahme, andererseits ist es ein Prozess, bei dem man eine Vielzahl von Ideen findet, wie man etwas noch besser machen kann. Im Zuge der ersten Bilanz sind viele Ideen entstanden, die jetzt umgesetzt werden. Zum Beispiel die ökologischen Auswirkungen zu reduzieren. Bei der Erstellung der Bilanz war bereits einiges umgesetzt. Ich hatte in der Praxis von Anfang an Ökostrom. Außerdem achte ich darauf, keine Einweg-, sondern Mehrweginstrumente zu kaufen, um Müll zu vermeiden.

"Einweginstrumente sind Materialverschwendung"

Bestimmt nicht ganz einfach für eine Arztpraxis. Gibt es da genug Angebote?
Ja, schon. Historisch gesehen gibt es Mehrweginstrumente länger als Einweginstrumente. Aber diese sind mit einem gewissen Aufwand für die Sterilisation verbunden, die viele Kollegen abschreckt, weshalb sie auf Einweginstrumente zurückgreifen. Diese sind aber eine Materialverschwendung. Mehrweginstrumente haben den Vorteil, dass sie eine höhere Verarbeitungsqualität haben und damit kann ich besser arbeiten. Das kommt natürlich auch den Patienten zugute. Ich habe in diesem Prozess festgestellt, wenn ich Medizin so betreibe, dass sie umweltverträglicher ist, kommt am Ende auch eine bessere Medizin heraus.

Es gibt drei Möglichkeiten, eine Gemeinwohl-Bilanz zu erstellen: eigenständig, zusammen mit einem GWÖ-Berater oder in einer Peer-Gruppe. Wofür haben Sie sich entschieden?
Für die Peer-Gruppe. Im Seminar waren wir mehrere Unternehmer, die gleichzeitig die Entscheidung getroffen haben. Daher war es naheliegend, dass wir eine Peer-Gruppe bilden. Es kostet etwas mehr Zeit, aber man hat ein festes Programm, wann man sich trifft - virtuell übrigens, wegen der Pandemie. Es war eine sehr interessante Erfahrung des Austausches.

Das sagt Dr. Ioannis Charalampakis über Menschenwürde im Job

Welche Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen?
Sehr viele. Eine wichtige Erkenntnis war, was verstehe ich unter Menschenwürde. Jedes Schulkind weiß: Die Menschenwürde ist unantastbar. Aber was ist Menschenwürde? Das ist mir erst jetzt bewusst geworden. Die Idee, dass jeder Mensch schützenswert und einmalig ist und Respekt verdient, unabhängig von äußerlichen Merkmalen wie Herkunft oder der Verwertbarkeit seiner Arbeitskraft. Das zu verinnerlichen war für mich als Arbeitgeber sehr wichtig. Das hat mir wiederum Vertrauen vonseiten meines Personals eingebracht.

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In welchen Bereichen können Sie sich noch verbessern?
Zum Beispiel im Bereich der Lieferanten. Durch meine Kaufentscheidung trage ich Verantwortung für die Menschen, die arbeiten, um die Produkte herzustellen, die ich kaufe. Wer nur das Günstigste kauft, läuft Gefahr, sich an Kinderarbeit zu bereichern, was ich nicht will. Oder man spart zulasten der Umwelt. Das wäre auch nicht richtig. Auch deswegen, weil die Folgekosten uns insgesamt langfristig gedacht teurer kommen. Infolgedessen habe ich angefangen, Regeln zu definieren, wie ich einkaufe. Manche von diesen sind schon umgesetzt, zum Beispiel kaufen wir nur noch Papier mit dem Blauen Engel.

 Charalampakis: Deshalb ist eine Gemeinwohl-Bilanz so wichtig

Auf Ihrer Homepage steht, dass Sie die erste HNO-Praxis in Deutschland mit einer Gemeinwohl-Bilanz sind.
Es gibt schon einige Praxen anderer Fachrichtungen, die eine Bilanz gemacht haben. Insgesamt sind es über 600 Unternehmen in Deutschland. Das Thema Nachhaltigkeit wird zunehmend dringender und die Menschen werden sich der Notwendigkeit immer bewusster, das ist zumindest mein Eindruck. Daher denke ich, dass das Thema Nachhaltigkeit uns noch mehr beschäftigen wird und noch mehr Entscheidungen nach diesem Kriterium getroffen werden.

Dann sind Sie eine Art Vorreiter?
Das würde mich freuen. Ich kann Kollegen und anderen Unternehmern nur empfehlen, eine Gemeinwohl-Bilanz zu erstellen.

Warum sollten es andere Unternehmer auch machen?
Um auf der Höhe der Zeit zu sein und die soziale und ökologische Verantwortung, die man hat, wahrzunehmen. Der andere Aspekt ist, Unternehmen stehen im Wettbewerb, um Arbeitskräfte und Kunden zu gewinnen. Wenn mehr Menschen sich für das Thema Nachhaltigkeit interessieren, werden Unternehmen, die Nachhaltigkeit in ihrer Philosophie integriert haben, es leichter haben, Arbeitskräfte und Kunden zu gewinnen.


Die Gemeinwohl-Bilanz der HNO-Praxis ist auf der Homepage www.hno-altstadt.de veröffentlicht. Weitere Informationen zur GWÖ gibt es unter bayern.ecogood.org/landshut.

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