Söder weist Maischberger in ihrer eigenen TV-Sendung zurecht
Mit 20 Prozent liegt die Zufriedenheit mit der Regierung auf einem Rekordtief. Schuld seien die Grünen: Deren erhobener Zeigefinger treibe das Land in die falsche Richtung – und in die Arme der AfD, kritisiert Markus Söder und appelliert an den Kanzler: "Ein bisschen mehr John Wayne" wäre erwünscht.
110 Seiten umfasst das neu überarbeitete Heizungsgesetz, das noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll. Ob Markus Söder das Konvolut gelesen hat oder nicht, diese Antwort blieb er im ARD-Talk "Maischberger" am Dienstagabend schuldig. "Das Ganze ist ein Desaster", steht für den Bayrischen Ministerpräsidenten und CSU-Parteichef fest.
Auch wenn von der Union kritisierte Punkte wie Technologieoffenheit, Fristen sowie finanzielle Förderungen in der aktuellen Version enthalten seien, "stimmen wir dem Gesetz nicht zu. Wir würden es in der Form überarbeiten und wieder abschaffen", machte er aus seiner Ablehnung keinen Hehl.
Markus Söder ätzt: "Sie finden immer etwas in Ihren tollen Recherchen"
"Die grüne Philosophie, die der ideologisch dominante Teil der Regierung ist, führt unser Land in die falsche Richtung", sagt Söder, der damit seinen Sündenbock gefunden hat. Dass Fleisch im Bundeslandwirtschaftsministerium von Cem Özdemir (Grüne) nur mit einer Sondererlaubnis aufgetischt werde, sei schlimm genug. Wenn "mein geliebter evangelischer Kirchenrat" zum Fleischverzicht aufruft, schlägt das dem Vertreter der Union erst recht auf den Magen. "Alles wird moralisch aufgeladen diskutiert", beschwert er sich, selbst das Fliegen von Luftballons.
Ein konkretes Beispiel für Letzteres kann er – auf mehrmaliges Nachfragen von Sandra Maischberger – zwar nicht nennen, dass es "zig Forderungen von Landesverbänden von den Grünen" gibt, davon ist aber überzeugt ("Sie wollen mir doch nicht im Ernst erzählen, dass die Grünen eine Freiheitspartei sind?").
"Sind Sie sicher?", lässt die Moderatorin nicht locker, "wir haben genau eines gefunden: 2019 in Gütersloh, gefasst vom Ausschuss für Umwelt und Ordnung. Sechs Stimmen CDU. Zwei von den Grünen." Es sind wenige Sekunden, in denen selbst Söder sprachlos ist. "Sie finden immer etwas in Ihren tollen Recherchen", meint er dann trocken, "das ist immer das Lustige an diesen Sendungen, dass immer die grundlegende Richtung versucht wird umzudrehen, und am Ende wird gesagt, ihr seid schlimmer als die anderen."
Überrascht Söder als Kanzlerkandidat? "Ich kandidiere für Bayern, und da bleibe ich"
Dass solche Behauptungen, Grüne-feindliche Tweets und provokative Aussagen wie "Energie-Stasi" durch den CDU-Fraktionschef in Thüringen das Misstrauen der Bevölkerung in die Politik fördern, das weist Söder in einem weiteren Schlagabtausch mit Maischberger ("Lassen Sie mich ausreden." "Sie haben völlig recht. Ich darf Sie ja nicht unterbrechen." "Machen Sie trotzdem" "Jetzt unterbrechen Sie." "Nur einmal." "Dreimal." "Ich habe noch ein paar gut.") von sich. Viele würden sich vielmehr aus Frust und Sorge darüber, dass das ganze Land in die falsche Richtung geht, der Partei anschließen.
Anders als der harte AfD-Urkern seien das keine Antidemokraten, ist es ihm wichtig zu unterscheiden. Und "die beste Lösung gegen Antidemokraten ist gute Demokratie mit guten Lösungen zu machen – wie in Bayern", erklärt er. Seine Spitzenkandidatur bei der bayerischen Landtagswahl hat sich der Politiker ja bereits vor zwei Monaten gesichert. "Ich kandidiere für Bayern, und da bleibe ich", betont er auf die Frage, ob er – wie 2020 – auch erneut als Kanzlerkandidat überrascht. Für Kanzlerkandidatendiskussionen sei es allerdings noch zu früh, hält er sich ganz offensichtlich eine Tür offen. "Ich verstehe die Botschaft", entgegnet Maischberger, "Sie kommen im nächsten Jahr wieder."
Vielleicht kann bei diesem nächsten Besuch dann Walter Sittler direkt mit Markus Söder sprechen. Der Schauspieler, der mit den beiden Journalistinnen Katharina Hamberger (Deutschlandfunk) und Hannah Bethke (Die Welt) die Diskussionsrunde ausmachte, war nämlich von Söders Aussagen wenig überzeugt: "Sie (die Union) machen die Grünen verantwortlich für das, was sie selbst verschuldet haben", übt er Kritik, zieht diese aber gleich wieder zurück: "Er kann sich ja jetzt nicht mehr wehren." Eines revidiert er jedoch nicht: "Wenn die Grünen der Hauptfeind ist, sind 20 Prozent der Bürger ebenfalls Feind", warnt er, "der Feind der Demokratie ist die Partei mit f in der Mitte."
Ex-Chef der Münchner Sicherheitskonferenz rechnet mit langer Kriegsdauer
Während solche "Feindschaft" in Deutschland wortgewaltig ausgetragen wird, ist der Krieg zwischen Russland und der Ukraine weiter in vollem Gang. Dass der jüngst durchgeführte Wagner-Aufstand in Moskau auf ein Ende der Gefechte hindeutet, möchten weder der langjährige Moderator des ZDF-"heute journals", Claus Kleber, noch Wolfgang Ischinger, ehemaliger Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz und Botschafter a.D., prognostizieren: "Ich fürchte, wir müssen erst einmal damit rechnen, dass es schlimmer wird als besser", meint letzterer. Er gehe eher von einem Marathon-Lauf aus als von einem 100-Meter-Lauf. "Der Marathon setzt voraus, dass wir es im Worst Case noch lange mit dem Regime, mit dem Krieg zu tun haben werden."
Dass Russland vor Kurzem Nuklearwaffen nach Belarus verlagert und die USA Atomwaffen in Deutschland positioniert habe, bringe die Gefahr nah. Allerdings sei "der Zweck der in Deutschland stationierten Nuklearwaffen (...) effektive Abschreckung und damit Kriegsverhinderung", betont Ischinger. Zumindest zwischen den USA und Russland. "Gleichzeitig entsteht ein neuer Konflikt mit China", nennt Maischberger ein weiteres Land, das mit Nuklearwaffen aufrüstet.
Wachsende Gefahr von Atomwaffen: "Keine guten Nachrichten"
"Bei allen Versuchen, in denen die USA, Russland und China darüber reden, wie wir Atomwaffen begrenzen, sagt China: Moment, erst mal kommen wir auf euer Niveau. In 20 Jahren reden wir weiter. Es sind Jahrzehnte des gefährlichen Wackelzustands, und wir sind darauf angewiesen, dass am Ende die Leute am Knopf die moralische Größe haben, die eine Lösung finden, die verhindert, dass jemand den Knopf drückt", weiß Kleber durch die Arbeit an seinem aktuellen Dokumentarfilm über die wachsende Gefahr von Atomwaffen.
"Einblicke in eine komplizierte Welt", meint Maischberger zum Abschied. Ischinger klatscht die Hände zusammen: "Keine guten Nachrichten", und Kleber zuckt mit den Schultern: "Sie haben uns eingeladen". "Mit gutem Grund", erklärt die Moderatorin, "wir wissen mehr als vorher."