Presseschau: Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel bei Jauch

Der Redaktion von Günther Jauch ist ein Coup gelungen. Denn: Erstmals nahm eine Organisatorin der umstrittenen Pegida-Bewegung in einer TV-Talkshow teil. Die Presse bewertet den Auftritt von Kathrin Oertel ganz unterschiedlich.
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Erstmals trat ein Mitglied der Pegida-Initiatoren in einer Talksshow auf: Kathrin Oertel (36) war am Sonntagabend zu Gast bei Günther Jauch.
dpa Erstmals trat ein Mitglied der Pegida-Initiatoren in einer Talksshow auf: Kathrin Oertel (36) war am Sonntagabend zu Gast bei Günther Jauch.

Der Redaktion von Günther Jauch ist ein Coup gelungen. Denn: Erstmals nahm eine Organisatorin der umstrittenen Pegida-Bewegung an einer TV-Talkshow teil. Die Presse bewertet den Auftritt von Kathrin Oertel ganz unterschiedlich.

München/Berlin - "Blamable Talksendung", "endlich kommt ein Dialog in Gang", "Oertel-Auftritt gerät zur gemütlichen Runde" - die Reaktionen auf die gestrige ARD-Talksendung "Günther Jauch" fallen grundverschieden aus. Während sich manche Autoren auf das vermeintliche Versäumnis Jauchs, eine kritisch-neutrale Talksendung zu gestalten, eingeschossen haben, ziehen andere ein positives Fazit aus dem Auftritt von Pegida-Mitorganisatorin Kathrin Oertel.

Auf faz.net heißt es zum Beispiel: "Stuhlkreis statt Aufklärung". Autor Nils Minkmar kritisiert eine Selbstgerechtigkeit der Jauch-Redaktion, die die Einladung eines sonst so gesprächsscheuen Pegida-Mitglieds schon als "Großleistung" feierte. Inhaltlich hingegen sei während des Talks wenig Neues zur Diskussion um die Patriotischen Europäer ans Licht gekommen. Was sind die Sorgen der Dresdner, die sie dazu veranlassen, jeden Montag auf die Straße zu gehen um gegen die "Islamisierung des Abendlandes" zu demonstrieren? Für Minkmar ist die Frage in der Sendung nicht beantwortet worden. Der Grund dafür sei in erster Linie der zu brav und unenergisch agierende Moderator Jauch gewesen. Schwierig sei es, so der Autor, in Zeiten der "Halbwahrheiten und Gerüchte" Realität und Unwahrheit voneinander zu trennen. Gerade deshalb brauche es einen "politisch wachen" Moderator, der hier eine sensible Differenzierung vornehme. Jauch habe diese Rolle gestern nicht erfüllt.

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Auch für den Autor von Zeit online, Lenz Jacobsen, ist Pegida-Sprecherin Oertel zu sanft angegangen worden. Jauch habe mit der 36-Jährigen "so verständnisvoll und vorsichtig gesprochen, als sei sie ein scheues Tier." Die fehlende Angriffslust der übrigen Talkgäste habe die Livesendung zu "einer gemütlichen Runde" geraten lassen. Oertel sprach über die Beweggründe von Pegida: "Wir wollen auf die Defizite aufmerksam machen, die in den letzten Jahren durch die Regierung zustande gekommen sind und mit deren Auswirkungen wir jetzt leben müssen." Welche Defizite? Welche Auwirkungen? Auch für Jacobsen ist eine der größten Schwachstellen bei Jauch an diesem Abend: er hakt nicht nach. Als Oertel behauptet, in Deutschland würden islamische Friedensrichter Recht sprechen, lässt der Moderator das unkommentiert stehen. Jacobsen prangert außerdem an, dass die Runde nicht ein einziges Mal auf "Carlie Hebdo" zu sprechen kommt, oder dass der Tod des in Dresden vermutlich ermordeten Flüchtlings Khaled Idris Bahray nicht diskutiert worden ist.

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In Sachen Jauch-Bashing geht die Huffington Post noch einen Schritt weiter. Unter der Überschrift "Blamable Talk-Sendung wird zur Werbeveranstaltung für "Islamisierungsgegner" kritisiert Sebastian Christ die Arbeitsweise von Moderator Jauch. Der Talkmaster habe schlecht vorbereitet und passiv gewirkt. Die Chance, endlich mal mit einem der Pegida-Organisatoren zu sprechen und eine kritische Diskussion zu eröffnen, habe Jauch blamabel verspielt ("eine Blamage für den ARD-Talkmaster"). Laut Christ habe Oertel ihre vorurteilslastige Sicht der Dinge zu kritikfrei vortragen dürfen. Streckenweise sei die Sendung am Sonntag "zu einer Werbeveranstaltung für Pegida" geworden.

Ganz anderer Meinung ist Gerd Appenzeller vom Tagesspiegel. Er findet, es habe sich "gelohnt", Kathrin Oertel einzuladen. Endlich sei ein Dialog in Gang gekommen. Jauch habe es geschafft, aus dem Gespräch "gegeneinander ein Gespräch miteinander zu machen." Klug sei es gewesen, Oertel zu Beginn der Sendung eine Bühne zur Selbstpräsentation zu geben. Die These der Pegida-Sprecherin, "das Volk" würde von der Politik nicht mehr wahrgenommen, stellt der Autor allerdings in Frage. Schließlich nehme sich das Volk bei nur noch 50 Prozent Wahlbeteiligung selbst kaum wahr. Bei den übrigen Talkgästen schreibt er von "Mut", die sie für die Diskussion mit einer Pegida-Organisatorin mitgebracht hätten. AfD-Sprecher Alexander Gauland nennt er einen "guten Beobachter", nachdem dieser dem CDU-Politker Jens Spahn die Aussage "Wir sind die Folge Ihres politischen Versagens" an den Kopf warf.

 

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