Giesings Seleção: Auch ohne Brasilianer spielt 1860 brasilianisch
München - Die größten Fußballkünste auf unserem Planeten Erde werden mitunter dem Völkchen der Brasilianer zugeschrieben. Den Ballzauberern vom Zuckerhut. Die südamerikanischen Ball-Streichler werden trotz mehr oder weniger funktionierender Expemplare bei 1860 (etwa Rodrigo Costa, Marcos Antonio, Leonardo, Victor Andrade, Amilton oder Ribamar) mehr noch mit dem Kult-Spruch von Comedian Hannes Ringlstetter über den Giesinger Größenwahn in Verbindung gebracht: "Jetz steingma auf und dann kaffma an Brasilianer!"
Nach dem 4:1-Sieg der Löwen am Samstag gegen Drittliga-Aufsteiger VfB Lübeck stellt sich die Frage: Hat die Mannschaft von Cheftrainer Michael Köllner überhaupt noch einen Brasilianer nötig? "Einen Brasilianer brauchen wir erst, wenn wir in der Zweiten Liga sind", scherzte Köllner auf AZ-Nachfrage - wohlwissend, in der Dritten Liga im Normalfall keine Nicht-EU-Ausländer einsetzen zu dürfen. Also richteten es die Löwen - für gewöhnlich kämpfend, kratzend und beißend unterwegs - eben selbst auf die brasilianische Art.
An Spieltag Nummer vier holte sich 1860 trotz der verhinderten Fan-Rückkehr die Tabellenführung eindrucksvoll zurück, liegt nun mit zehn Zählern an der Spitze. "Das waren lauter super Tore", schwärmte Köllner über die Vielzahl der Treffer bei Sechzigs zweithöchstem Drittliga-Sieg der Vereinshistorie - und auch über deren Ästhetik.
Die Highlights des TSV 1860 gegen Lübeck
Nach frühem Rückstand durch Lübecks Torjäger Patrick Hobsch, dessen Vater Bernd auch mal das 1860-Trikot getragen hatte (7.), drehten die Blauen mächtig auf: Erst mit dem Ausgleichstreffer durch Marius Willsch (29.), bevor das Offensiv-Trio Sascha Mölders (36.), Richard Neudecker (62.) und Stefan Lex (66.) den klaren und schönen Heimdreier heraus schoss.
Und wie: Sechzig brasilianisch! Die AZ zeigt die Highlights der Giesinger Seleção.
Marius Willschs wunderbares Willenstor
Neudecker verpasste mit seinem versuchten Kung-Fu-Tritt noch den "Aaah-Moment", weshalb die Kugel bei Willsch landete - und der Rechtsverteidiger über Umwegen an die Latte und vor dort hinter die Linie traf. Sehenswert, wenngleich noch abgefälscht.
Sascha Mölders feiner Heber
Just nach Hobschs zweitem Treffer, der zu Sechzigs Glück wegen Abseits aberkannt wurde, ließ Mölders einen weiten Ball von Dennis Dressel nochmal in aller Ruhe vor sich auftitschen, bevor er ihn technisch blitzsauber und genau richtig über Keeper Lukas Raeder hinweg lupfte. "Ronny König hat es letzte Woche ganz gut gesagt: Es gibt nicht alt oder jung, es gibt nur gut oder schlecht", sagte Samba-Mölders in Anspielung auf das kürzliche Duell mit den anderen Drittliga-Dino in Zwickau (2:1). Getroffen hatten sie beide - diesmal lieferte Mölders im Stile eines Kickers vom Zuckerhut.
Richard Neudeckers Hackentrick
Nach einer Willsch-Hereingabe schaffte der 23-Jährige das Kunststück, Raeder per Hacke zu tunneln. "Ich glaube, da habe ich Glück, dass ein Spieler wie der Richy dasteht, den macht nicht jeder", lobte Vorbereiter Willsch und schickte als Superlativ hinterher: "Saugeil!" Was die Künste am Ball anbelangt, glänzte Neudecker gleich mehrfach durch engste Führung des Spielgeräts am Fuß, blitzschnelle Drehungen und geniale Momente - so dass ihm an diesem Tag der Titel des weißen Brasilianers gehört. Neudecker sagte nach der Sechzger-Show brav: "Es freut mich, dass ich der Mannschaft helfen konnte."
Stefan Lex' cooler Konter
Sechzigs letzten Treffer verwandelte Lex nach seinem Lauf in die Spitze und zirkelte den Ball um Raeder ins kurze Eck. Dreimal dürfen Sie raten, wie sich der Ex-Bundesligaspieler in den Sozialen Medien nennt? Richtig: "Lexinho".