Er führte den TSV 1860 als Kapitän zum Meistertitel – und erlitt privat eine doppelte Tragödie

München, Heimat der Blauen und der Roten, Schauplatz großer Spiele in der Champions League, bei Welt- und Europameisterschaften. Eine Stadt, in der der Fußball Geschichte schrieb.
Der tapfere Kampf von Grosser
In seinem neuen Buch "99 Münchner Fußballorte" geht AZ-Autor Florian Kinast nun in München und seinem Umland auf Spurensuche und besucht nicht nur alte und aktuelle Spielstätten. Er geht auch Fragen nach wie: Wo liegen die Gründungsorte der Bayern und der Löwen? Wo lebten und wirkten bedeutenden Persönlichkeiten der beiden Klubs?
Wo kam der Kaiser auf die Welt und wo liegt er begraben? Wo wohnte Otto Rehhagel unter dem Pseudonym Rubens und wo baute Uli Hoeneß seinen ersten Autounfall? Wo drehte Thomas Müller sein Abschiedsvideo aus München, wo brach Manuel Neuer zu einer verhängnisvollen Skitour auf? Und wo blieb Karl-Heinz Wildmoser auf seinen Kalbshaxen sitzen?
In einer sechsteiligen Exklusiv-Serie stellt die Abendzeitung in dieser Woche sechs der Orte aus Kinasts Buch vor. Teil III: Der tapfere Kampf des einsamen Meister-Löwen. Im Asamhof auf einen Cappuccino: Wie 1860-Legende Peter Grosser dem Schicksal trotzte.
Grosser war Teil der Löwen-Mannschaft
Wenn man bei Peter Grosser anrief, ob er mal wieder spontan Zeit hätte für ein Gespräch, dann sagte er fast immer zu - und schlug vor, sich wie sonst auch gleich bei einem Cappuccino im Café im Asamhof zu treffen, direkt unter seiner Wohnung. Meist ging es bei den Begegnungen um den Zustand der Sechzger, das war schon schlimm genug. Noch viel trauriger aber wurde es, wenn es um sein persönliches Schicksal ging. Um den Tod seiner Kinder.
Peter Grosser war Teil der großen Löwen-Mannschaft aus den 1960er Jahren, 1966 führte er den Klub als Kapitän zum Meistertitel. Später entfremdete er sich von seinem Verein, er beklagte die Grabenkämpfe sowie fehlende Kompetenz bei Verantwortlichen. Grosser selbst machte sich bei vielen Blauen keine Freunde, als er das Grünwalder eine "marode Bruchbude" nannte und von der Allianz-Arena schwärmte.

Grosser: "Ein Kind zu beerdigen, ist furchtbar"
Alles kindisch belangloses Geplänkel, gemessen an seiner eigenen Tragödie. 1979 starb Grossers ältester Sohn Peter als Beifahrer bei einem Autounfall in Fürstenried. Sein zweiter Sohn Thomas, selbst einst Zweitliga-Profi bei Haching, fiel 2008 beim Hallenfußball tot um. Mit 42, das Herz.
2018 traf man Peter Grosser kurz vor seinem Achtzigsten noch einmal im Asamhof. Seine feste Stimme wurde brüchig, als er über die beiden Buben sprach. "Ein Kind zu beerdigen, ist furchtbar", sagte er, "aber zwei? Drüber weg kommst du nie." Dass er auch mal daran dachte, von der Brücke zu springen. Aber lieber wolle er noch 90 werden und seine Löwen wieder in der Bundesliga sehen.

Ein letztes Telefonat 2020 zu Pandemiezeiten, das Café unten hatte zu, Grosser klagte über Einsamkeit, Kontaktsperre, Isolation. Am frühen Morgen des 2. März 2021 fand man ihn hier tot auf. Irgendwann ging selbst diesem so tapferen Löwen die Kraft aus.
Florian Kinast: 99 Münchner Fußballorte, Carl Ueberreuter Verlag, 18 Euro, ISBN: 3800078929