Sie wollen nur spielen

Es war einmal ein Capitano: Die Nationalelf kickt ohne den verletzten Ballack nicht nur erfolgreich, sondern auch schneller, ansehnlicher, effizienter. Die Experten feiern vor allem Sami Khedira
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Hier feiern die Spielfreudigen: Philipp Lahm(2.v.l.) mit Lukas Podolski (links), Sami Khedira, Bastian Schweinsteiger und Mesut Oezil (v.l.)
GES/Augenklick Hier feiern die Spielfreudigen: Philipp Lahm(2.v.l.) mit Lukas Podolski (links), Sami Khedira, Bastian Schweinsteiger und Mesut Oezil (v.l.)

Es war einmal ein Capitano: Die Nationalelf kickt ohne den verletzten Ballack nicht nur erfolgreich, sondern auch schneller, ansehnlicher, effizienter. Die Experten feiern vor allem Sami Khedira

FRANKFURT Eine neue Zeit ist angebrochen. Für manche könnte es die Zeit ihres Lebens sein. Und besondere Momente brauchen besondere Zeitmesser. Noch vorm 3:1 im letzten WM-Test gegen Bosnien hat jeder der 23 Südafrika-Auserwählten seine persönliche WM-Uhr, eine „Big-Ingenieur-Chronograph“, erhalten. Edition DFB versteht sich. Das Besondere: Der Bundesadler auf der Rückseite, und vor allem die eingravierte jeweilige Trikotnummer an der Seite des Gehäuses.

Thomas Müller hat die Uhr mit der „13“ bekommen. Der Bayern-Aufsteiger hatte auf die Rückennummer keinen gesteigerten Wert gelegt. Nun hat er die für Michael Ballack vorgesehene Uhr. Der Kapitän fehlt verletzt, Philipp Lahm vertritt ihn, was das Amt betrifft. Und wie am Donnerstag zu sehen war: Eine ganze Mannschaft vertritt ihn sportlich. Sie macht das mit Leichtigkeit, sie löst es spielerisch. Eine Elf hat sich emanzipiert.

So schnell kann’s gehen. Es war einmal ein Capitano.

„Das Thema Ballack wird durch die Leistung von Schweinsteiger und Khedira aus den Köpfen der anderen 21 Spieler ausgestanden sein“, meinte Ex-Weltmeister Paul Breitner in der ARD und erklärte: „Khedira passt wunderbar zu Schweinsteiger, das Thema Ballack sollte gegessen sein.“ Während Schweinsteiger wie beim FC Bayern gewohnt ruhig und clever die Bälle verteilte, tauchte Khedira immer da auf, wo es eine Lücke gab, ob im eigenen Strafraum oder in der Offensive. Beide machten vor allem eines: Sie beschleunigten das Spiel.

Früher war es so: Ballack, einst von Jürgen Klinsmann zum Capitano ernannt, führte diese Rolle erstens gut und zweitens – ganz die alte Schule – auch bewusst auf dem Platz aus. Der Kapitän bin ich, alle Bälle zu mir. Was oftmals half, da er das Aufbauspiel beruhigte, andererseits verschleppte Ballack dabei meist das Tempo.

Die neue DFB-Elf kennt nur einen Rhythmus: ab nach vorne. „Wir sind passsicherer. Da ist auch mehr Bewegung drin“, sagt Schweinsteiger. Lahm ergänzt: „Wir haben sehr, sehr viel Qualität.“

Mesut Özil, Thomas Müller, Lukas Podolski, Toni Kroos, Marko Marin – die Zeit des Zerstörerfußballs der Deutschen, vom Ausland als Panzer belächelt wie gefürchtet, ist vorbei. „Wir dürfen diese Spieler auf keinen Fall in irgendeiner Form bremsen“, sagte Joachim Löw, der Bundestrainer, und betonte den nächsten Satz auf dem letzten Wort: „Wir wollen Fußball spielen.“ Ohne Ballack.

Sicher, dessen Fehlen ist ein Verlust. Spielen sich jetzt die Jungen frei? Löw: „2006 hatten wir auch hohe spielerische Qualität mit Ballack und Schneider. 2010 sind diese vielen jungen Spieler fußballerisch sehr gut ausgebildet, die können kombinieren, das ist eine gute Basis.“ Und eine Zeitenwende? „Sami Khedira hat Michael Ballack vergessen lassen, war fast besser als Ballack“, sagte Toni Schumacher, als Torhüter 1982 und 1986 Vize-Weltmeister. Er sieht in Khedira den möglichen „Shooting-Star der deutschen Mannschaft bei der WM“.

Ballack will nach Reha und Vereinssuche (Real Madrid hat Interesse, sein letzter Verein Chelsea zögert noch) zurückkehren ins DFB-Team. Nach 98 Länderspielen hat er die EM 2012 in Polen/Ukraine als Ziel auserkoren. Bayern-Präsident Uli Hoeneß riet ihm jedoch zum Rücktritt, „als Freund“, wie er sagte: Diese EM sei nicht lohnenswert.

„Ich denke, dass Ballack in der Lage ist anzugreifen“, meint Ex-Nationalspieler Hansi Müller, „aber ich habe Bedenken, ob er es nochmal packen kann in der Nationalelf.“

Patrick Strasser

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