Senior statt Super-Mario
Bremen - Was tut man nicht alles für Rekorde. Speziell für diesen Rekord. 63 Tore hat Miroslav Klose im Nationaltrikot erzielt, nur fünf Treffer fehlen ihm, um Gerd Müller zu erreichen. Der scheinbar unerreichbare Bayern-Stürmer der 60er und 70er Jahre hat die Marke 68 erreicht. Klose wird sie wohl übertreffen.
Doch von nichts kommt nichts. Um 4 Uhr morgens war Klose am Montag in Rom aufgestanden, ab zum Flughafen – nach nur zwei Stunden Schlaf. Erst dann hat ihn das Adrenalin aus der Partie seines Klubs Lazio Rom gegen Florenz ruhiger werden lassen. Das Siegtor zum 1:0 war sein Treffer. Flug nach München, umsteigen, weiter nach Bremen. Dort begab sich der 33-Jährige in Behandlung bei den Ärzten des DFB-Teams – Rückenprobleme. Doch Klose will. Er will spielen. Er will treffen. Er will den EM-Titel. Und natürlich den Rekord.
Die Saison bei Lazio Rom ist eine beinahe einjährige Vorbereitung auf das Turnier in Polen/Ukraine für den Ex-Bayern. Dort hatte er keinen Stammplatz mehr, doch er braucht das Gefühl, sich auszupowern. Er ist kein Joker für ein paar Minuten, wie viele andere Stürmer in seinem Alter. Nur ein fitter Klose ist ein guter Klose. „Miro muss nicht mehr jedes Spiel pro Saison machen“, sagte Bundestrainer Joachim Löw in Bremen, „er hat ein gutes Gespür, kann sich auf den Punkt vorbereiten.“ Die Erfahrung macht’s.
Für den EM-Test gegen Frankreich war Klose als Ein-Mann-Sturm vorgesehen und als Kapitän. Das allerdings ist in Abwesenheit von Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Lukas Podolski eine nebensächliche wie selbstverständliche Sache bei 113 Länderspielen.
Löw zieht Klose dem aktuellen Bayern-Torjäger Mario Gomez momentan vor, bei der EM kann es nur einen geben. Dabei wähnte sich Gomez auf einem guten Weg. 18 Treffer hatte er erzielt, seine Torjägerkanone will er sogar verteidigen. Auch in der Nationalelf konnte er sein Phlegma und seinen Anti-Lauf, der mit der EM 2008 begann, überwinden. Doch Löw setzt auf Klose. Der ist zwar der Senior im Team, aber ein Zeitgeist-Stürmer. Ein Angreifer der modernen Prägung. Immer auf dem Sprung, viel rochierend. Er bietet sich an, weicht ins Mittelfeld zurück, macht beim Pressing auf die Verteidiger an vorderster Front mit. In den Strafraum flitzt er nur zum Toreschießen. Der klassische Knipser? Gomez ist so einer. „Ein Überbleibsel einer für ausgestorben erklärten Spezies, der sogenannte Knipser. Jener Art Stürmer, die mit allen Körperteilen irgendwie Tore erzielen, aber sonst wenig tun“, schrieb die „SZ“ und erklärte ihn zum „Sorgenkind des FC Bayern“.
Lob gab es in Bremen vom Bundestrainer nur für Klose, dem „Torphänomen“, wie ihn die Italiener nennen. Ein Frühaufsteher vor dem goldenen Herbst seiner Karriere.