Rückblick auf Deutschlands krasseste Elfmeterschießen

Der Elfmeter-Krimi im EM-Viertelfinale gegen Italien ist jetzt legendär. Die Deutschen haben bei großen Turnier schon oft diese Nervenschlacht bestehen müssen. Meist mit Happy-End.
von  Patrick Strasser
EM-Viertelfinale 2016: Jonas Hector, der 18. Schütze in diesem Elferkrimi, macht gegen Italiens Buffon den Halbfinaleinzug klar.
EM-Viertelfinale 2016: Jonas Hector, der 18. Schütze in diesem Elferkrimi, macht gegen Italiens Buffon den Halbfinaleinzug klar. © GES/Augenklick

In letzter Sekunde entscheidet der Bauch des Torhüters, die Intuition. Nach rechts, nach links? Stehen bleiben. Nur der Schütze hat Angst vorm Elfmeter. Zuvor darf die Wissenschaft ran. Helfer erfassen in Datenbanken jedes Detail über die Schützen und deren Vorlieben wie Schwächen. Die Torwarttrainer kommen in den letzten Minuten vor dem Drama vom Punkt mit einem Zettel, der alle Infos erhält. „Natürlich sind wir gut vorbereitet“, sagt Welttorhüter Manuel Neuer, „am Ende aber entscheide ich dann spontan“.

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In seinem ersten Elfmeterschießen als Nationaltorhüter fischte der Bayern-Torwart im EM-Viertelfinale zwei Versuche der Italiener, zwei weitere versemmelten sie selbst. 6:5 endete das epische Duell. Nie in der DFB-Historie sind bei einem Elfmeterschießen mehr Schützen (18) angetreten. Es war das Nerven aufreibendste und spannendste seiner Art. Und das siebte der Geschichte der Nationalelf bei großen Turnieren. Sechs Mal ging es gut, bei der Premiere 1976 jedoch schief. Macht eine Siegquote von 86 Prozent. Das AZ-Ranking:

1 EM-Viertelfinale 2016 gegen Italien

Bastian Schweinsteiger hätte als fünfter Schütze zum Matchwinner werden können, setzte den Ball aber über das Tor. 2:2 nach zehn Elfmetern. So wurde am Ende Jonas Hector, Linksverteidiger vom 1. FC Köln, zum Helden, weil er als Schütze Nummer 18 traf. Lediglich Benedikt Höwedes und Torhüter Neuer kamen nicht zum Zuge.

2 WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich

Das Drama von Sevilla, das erste Elfmeterschießen der WM-Geschichte beendet das 3:3 nach Verlängerung. Uli Stielike, damals bei Real Madrid, versagt und muss, Tränen in den Augen von Pierre Littbarski getröstet werden. Doch Toni Schumacher rettet ihn und Trainer Jupp Derwall. Der Keeper pariert gegen die Franzosen Six und Bossis. Manfred Kaltz, Paul Breitner, Littbarski, Karl-Heinz Rummenigge sowie Horst Hrubesch (als Letzter) treffen, Deutschland zieht mit 5:4 ins Finale ein.

3 EM-Halbfinale 1996 gegen England

Dieses Duell von Wembley gegen die Gastgeber bleibt in Erinnerung, weil Andy Möller, Kapitän für den verletzten Jürgen Klinsmann, nach seinem letzten Schuss stolz und entrückt posiert, die Hände in die Hüften gestemmt. In diesem Halbfinale (1:1 nach Verlängerung) verwandeln Thomas Häßler, Thomas Strunz, Stefan Reuter, Christian Ziege, Stefan Kuntz und Möller sicher. Vor Möllers Schuss hatte Andreas Köpke gegen Gareth Southgate pariert – 6:5, Deutschland unter Berti Vogts im Endspiel.

4 WM-Viertelfinale 2006 gegen Argentinien

Das Tor von Miroslav Klose (samt Jubelsalto) rettete die Mannschaft von Bundestrainer Jürgen Klinsmann gegen stärkere Argentinier ins Elfmeterschießen. Jens Lehmann bekam von Torwartcoach Andreas Köpke einen Zettel zugesteckt, den er sich in den Stutzen stopfte und spickte. So parierte er gegen die Südamerikaner Ayala und Cambiasso. Oliver Neuville, Michael Ballack, Lukas Podolski und Tim Borowski blieben in der Hitze des Berliner Olympiastadion cool – 4:2, das Halbfinale war erreicht.

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5 WM-Halbfinale 1990 gegen England

In Turin muss das Duell vom Punkt über den Finaleinzug entscheiden. Teamchef Franz Beckenbauer schickt Andy Brehme, Lothar Matthäus, Karl-Heinz Riedle und Olaf Thon – sie verwandeln. Torwart Bodo Illgner pariert gegen Stuart Pearce, Chris Waddle ballert die Kugel weit über das Tor. 4:3, Deutschland weiter, der Fluch der Engländer in Sachen Elfmeterschießen fand hier seinen Ursprung.

6 WM-Viertelfinale 1986 gegen Mexiko

Ein grottenschlechtes 0:0 in Monterrey findet keinen anderen Ausweg als den Shootout: Wie 1982 wird Toni Schumacher zum Held, erneut hält der Kölner zwei Elfmeter – diesmal gegen die Mexikaner Quirarte und Servin. Die deutschen (Tor-)Schützen heißen Klaus Allofs, Andreas Brehme, Lothar Matthäus und Pierre Littbarski. Das Halbfinale gegen Frankreich war erreicht.

7 EM-Finale 1976 gegen die CSSR

Die Nacht von Belgrad ist auf alle Zeiten mit Uli Hoeneß und seinem Schuss übers Tor der Tschechen verbunden. „Den Ball suchen sie dort heute noch“, sagt Torhüter-Legende Sepp Maier gerne. Dabei war er es, der am Ende von Antonin Panenka mit einem legendären Lupfer in die Tormitte gefoppt wurde. Vorher hatten Rainer Bonhof, Heinz Flohe, und Hannes Bongartz verwandelt, dennoch reichte es nicht. 3:5 – die Tschechoslowakei wurde Europameister.

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