Italien, England, Italien, Ungarn: Hansis Mini-WM
Schwül-heiß war es am Ankunftstag der deutschen Nationalelf in Bologna, fast schon asiatisch anmutend. Ganz ungewohnt für diese entspannte, eher gemütliche Region Italiens, für die Emilia-Romagna, die wie kaum eine andere für Kulinarik steht.
Ex-Bayern-Trainer Carlo Ancelotti, Sternzeichen Genießer, wurde in Reggiolo geboren, nur eine Autostunde von der Universitätsstadt Bologna entfernt. Der frisch gebackene Champions-League-Sieger mit Real Madrid hätte für seine früheren Spieler sicher eine Menge Tipps, was die Auswahl der Rotweine und die Zubereitung der wahren Bolognese nach dem örtlichen Original-Rezept betrifft.
Beim Klassiker: Mini-Stadion in Bologna ist nicht ausverkauft
Aber, aber - basta così. Es soll ja um Fußball gehen, um die Nations League und den Auftakt des DFB-Teams am Samstag im "Stadio Renato Dall'Ara" (20.45 Uhr, RTL). Warum hier gekickt wird und nicht im großen Meazza in Mailand oder in der modernen Arena in Turin? Man hätte im Land des Europameisters und NICHT-WM-Teilnehmers die größeren Stadien nicht vollbekommen. Aber auch für das altehrwürdige "Renato Dall'Ara" gab es noch Karten (es fasst rund 27.000 Zuschauer, 21.000 sind verkauft). Der Grund ist simpel: Am ersten Samstag im Juni sind die Italiener am Strand.
Dabei haben beide Nationalteams gute Gründe, die anstehenden Nations-League-Spiele sehr ernst zu nehmen. Die Italiener, um sich für das erneute Scheitern in einer WM-Qualifikation zu rehabilitieren - vor allem nach dem jüngsten 0:3 gegen Argentinien.

Und für die Tedeschi, die Deutschen? Beginnend mit dem Klassiker gegen Italien startet die Vorbereitung auf die Winter-WM in Katar (ab 21. November), damit einhergehend das Einspielen von Gerüst und System einer zu findenden Stammelf. Außerdem entbrennt der Konkurrenzkampf um die 26 Kaderplätze für Katar.
Mini-WM: Vier Länderspiele in elf Tagen
Diese vier Spiele in elf Tagen gegen Italien (am 14.6. folgt das Rückspiel in Mönchengladbach) sowie am Dienstag in München gegen England und am Samstag in einer Woche in Ungarn ähneln "einem kleinen Turnier" wie Serge Gnabry sagte. Der Bayern-Angreifer gab die Marschrichtung der Mannschaft wieder, in dem er sagte: "Ich habe große Lust."
Und Joshua Kimmich meinte vor der Abreise nach Bologna: "Die Spiele, die anstehen, sind keine Freundschaftsspiele. Ich finde es besser, eine Nations League zu spielen, also Partien, in denen es um was geht. Danach sieht man dann schon ein Stück weit besser, wo wir stehen."
In der Fußballersprache heißt das: Standortbestimmung oder Härtetest. Für Bundestrainer Hansi Flick ist es eine Art "Mini-WM". Kurioserweise mit Ungarn, gegen das sein Vorgänger Joachim Löw vor Jahresfrist im Juni im EM-Gruppenspiel mit Ach und Krach ein 2:2 erreichte, sowie England, das durch das 2:0 im Wembleystadion die Ära Löw im Achtelfinale beendete.
Flick als Bundestrainer noch ungeschlagen
Gegen Europameister Italien coacht Flick das zehnte Länderspiel seiner Amtszeit. Bisher ist der 57-Jährige ungeschlagen, hat mit 34:3 Toren acht Siege und einem Remis (1:1 in Holland) eingefahren. Doch Flicks Ziele sind ganz andere: der WM-Titel kurz vor Weihnachten. "Wir wollen unter die Besten der Welt zurückkommen", sagte der ehemalige Bayern-Trainer: "Wir sind gut vorbereitet, wollen die vier Spiele gewinnen. Danach sehen wir, was wir für die WM besser machen müssen."
Im September bleibt noch das Rückspiel in England als echter WM-Härtetest, davor das Heimspiel gegen Ungarn. Ein merkwürdiger, nie dagewesener Herbst mit umgekrempeltem Spielplan bevor es Mitte November mitten in der Hinrunde ab an den Persischen Golf geht. Um nach zwei Flop-Turnieren (blamables Vorrunden-Aus bei der WM 2018 in Russland und die verkorkste EM letzten Sommer) wieder mal abzuliefern.
"Wir haben uns und der deutschen Fußballnation etwas zu beweisen. Das spüre ich auch im Team", sagte Führungsspieler Thomas Müller: "Jeder Einzelne will sich nun mit Blick auf die WM in eine gute Ausgangslage bringen. Wir sind ein bisschen wie auf einer Mission."
Eine Mini-WM eben.