Abwehr-Luxus: Schlotterbeck und Rüdiger mit Sahnetag gegen Dänemark
Dortmund – Es war die Szene beim 2:0-Sieg im Achtelfinale gegen Dänemark, die den unbedingten Willen der deutschen Mannschaft zeigte, bei dieser Heim-EM etwas Großes zu erreichen. Antonio Rüdiger warf sich in der Nachspielzeit auch noch in den letzten Schuss der Dänen, blockte ihn ab. Und dann schrie der Verteidiger der DFB-Elf seine Freude heraus, als wäre Deutschland gerade schon Europameister geworden, er ballte seine Fäuste und hämmerte immer wieder auf den Boden. Die Anspannung musste einfach raus.
Rüdiger wird nach Oberschenkelverletzung zum Spieler des Spiels
"Ich habe mir das angeschaut. Wenn ich jetzt so nachdenke, dann denke ich mir so: ,Was habe ich gemacht?", sagte Rüdiger später: "Aber das ist einfach aus Emotionen heraus, es war wie ein Tor." Ein schönes. Rüdiger, zum Spieler des Spiels gewählt und in den Tagen zuvor noch von einer Oberschenkelzerrung beeinträchtigt, zeigte wie sein Nebenmann Nico Schlotterbeck, der den gelbgesperrten Jonathan Tah vertreten hatte, eine herausragende Leistung.
Daher war seine Freude über die gelungene Abwehraktion absolut angebracht. "Es wird viel über Stürmer gesprochen, über Tore", sagte Rüdiger: "Aber es ist auch wichtig, zu null zu spielen – gerade in der K.o.-Phase. Da müssen wir jede Aktion bejubeln."
BVB-Verteidiger Schlotterbeck sah es bei seinem Heimspiel in Dortmund ähnlich. "Ich hatte nicht die glücklichsten Auftritte beim DFB", sagte er mit Blick auf die verpatzte WM 2022 in Katar: "Ich bin gottfroh, dass wir zu null gespielt haben. Wir haben ein super Spiel gemacht, hatten wieder wahnsinnige Fans hinter uns. Das Stadion hat gebebt. Das kenne ich aus Dortmund, aber nicht unbedingt von der Nationalmannschaft." Doch inzwischen können sich die Fans wieder mit dem Team identifizieren - auch deshalb, weil leidenschaftlich verteidigt wird.
Raum über die DFB-Kicker: "Jeder ist mit Herz dabei"
David Raum, der auf der linken Abwehrseite anstelle von Maximilian Mittelstädt spielte und den Elfmeter vor Kai Havertz' 1:0 herausholte, überzeugte ebenfalls. Vor allem kämpferisch. "Der Trainer entscheidet, wie er spielen will. Ich habe es im Laufe des Tages erfahren und hatte es ein bisschen gehofft", sagte der Leipziger: "Vor dem Elfmeter, das war, glaube ich, auch meine Flanke. Jeder ist mit Herz dabei - das macht es aus in dem Turnier."
Mit Herz spielen sie alle – nicht zuletzt Rüdiger und Schlotterbeck. "Für mich sind beide MVPs gewesen", sagte Torhüter Manuel Neuer über die seiner Meinung nach wichtigsten DFB-Akteure des Abends: "Über Toni Rüdiger brauchen wir ja gar kein Wort verlieren. Für Schlotti war es ein Heimspiel - und es war sehr überzeugend."

Neuer mit Sonderlob für Schlotterbeck
Den Dortmunder hob Neuer dann sogar noch ein bisschen hervor, bezeichnete Schlotterbeck als "heimlichen MVP", obwohl ja Rüdiger die offizielle Auszeichnung erhalten hatte. "Er wurde gefeiert, hat hier zuhause in Dortmund gespielt. Da so reinzukommen für den Jona (Tah) und so ein Spiel zu machen - Kompliment an unsere Verteidiger, das haben sie wirklich stark gemacht." Rüdiger sagte über seinen Innenverteidiger-Kollegen: "Er hat es über 90 Minuten sehr gut gemacht, war von der ersten Minute an da."
Die Frage lautet nun: Rückt im Viertelfinale wieder Tah in die erste Elf - oder spielt Schlotterbeck neben Rüdiger? "Nico hat sehr gut gespielt, aber Jonathan Tah hat alle Spiele auch herausragend gut gestaltet", sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann: "Das ist ein Luxusproblem." Wer hätte das vor dem Turnier gedacht? In vier Partien gab es erst zwei Gegentore, Neuer, ebenfalls in Bestform, hat schon zweimal zu null gespielt. "Ich hoffe, dass es so weitergeht, dass wir so stabil stehen", sagte der Keeper. Dann ist der EM-Titel wirklich realistisch.