Trainer auf Abruf

Nach einem fünfstündigen Krisengipfel im Hause Rummenigge sieht es so aus, als bekäme van Gaal nun doch noch eine Chance – dabei war er am Samstagabend schon so gut wie entlassen
von  Filippo Cataldo

München - Gepackt hatte Louis van Gaal noch nicht. Nur seine Computertasche und eine gelbe Plastiktüte hatte der Niederländer dabei, als er mit ernster Miene um kurz vor 15 Uhr das Geschäftsstellengebäude des FC Bayern verließ, in die Tiefgarage lief und kurz darauf in seiner goldenen Dienstkarosse davon fuhr.
Immerhin: Seine letzte Dienstfahrt für den FC Bayern war dies nicht. Van Gaal wird noch einmal an die Säbener Straße kommen. Mindestens. Dies hatte er zuvor seiner Mannschaft versprochen. „Genießen Sie die zwei freien Tage. Wir sehen uns am Mittwoch“, hatte van Gaal den Spielern nach dem nur 18 Minuten dauernden Auslaufen gesagt – und hinzugefügt: „Vielleicht zum letzten Mal.“

Oder doch nicht? Nach einem Krisengipfel am Sonntagabend scheint es nun so, als bekäme er noch eine Gnadenfrist. Der Trainer auf Abruf.
Van Gaal hatte schon vor dem 1:3 am Samstag in Hannover, das Bayern zunächst auf Rang vier und dann nach dem gestrigen Sieg von Mainz bei HSV sogar auf Rang fünf abstürzen und den Rückstand auf Rang zwei auf sieben Punkte anwachsen ließ, gewusst, dass er seine Zukunftsplanung nicht mehr selbst in der Hand hatte. „Das entscheidet mein Vorstand“, hatte er schon am Mittwoch nach dem Pokal-Aus gegen Schalke gesagt. Drei Tage also vor diesem „absoluten Tiefpunkt der Saison“, wie Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge am Samstag sagte.

Diese dritte Niederlage hintereinander schien das Ende einer am Ende doch sehr kurzen Ära van Gaal besiegelt zu haben. „Der ganze Verein ist in einer kritischen Situation, da das Mindestziel in Gefahr ist. Da ist ein enormer Druck und viel Verunsicherung. Der FC Bayern gehört eigentlich in die Champions League. Was nun mit dem Trainer geschieht? Das kann kein Spieler beantworten, das ist eine Frage für den Vorstand“, hatte Kapitän Philipp Lahm festgestellt. Nach der Ankunft in München hatte sich Lahm an der Säbener Straße zu einem 18 Minuten dauernden Krisengespräch mit Sportchef Nerlinger getroffen.

Da schien die Entscheidung kontra van Gaal gefallen. „Es waren katastrophale acht Tage", sprach Rummenigge, „ich bin angeschlagen. Da mache ich gar keinen Hehl daraus. Ich mache mir große Sorgen." Er sagte es ruhig, fast zurückhaltend. Und dennoch klang das sehr nach Entlassung. Auch wenn sich Rummenigge zuletzt demonstrativ vor den angeschlagenen Trainer gestellt hatte, schien er am Samstag einfach das Gefühl zu haben, handeln zu müssen.
Präsident Uli Hoeneß, der bereits vor Monaten harte Kritik am Umgangston des Holländers geübt hatte, fand am Samstag drastischere Worte. „Wir müssen handeln, nicht reden“, hatte er gesagt.

Am Sonntag redeten sie trotzdem, sogar sehr lange. Die Vorstandsmannschaft um Rummenigge, Finanzchef Karl Hopfner, Sportdirektor Christian Nerlinger und Präsident Hoeneß traf sich nachmittags in Rummenigges Grünwalder Villa. Die Nacht zum Sonntag nämlich soll vor allem Nerlinger und Rummenigge zunächst in etwas mildere Stimmung versetzt haben.

Zu Beginn des Krisenmarathons sollen sich die Herren nicht wirklich einig gewesen sein. Weder über die notwendigen Schritte noch über die Frage, wer Nachfolger werden könnte. Van Gaal könnte doch wenigstens bis zum Champions-League-Achtelfinal-Rückspiel gegen Inter Mailand am 15. März oder vielleicht sogar bis zum Saisonende im Amt bleiben, soll ein Vorschlag gewesen sein. Man muss nicht viel Phantasie haben, um zu erahnen, wie Hoeneß, seit Monaten mit van Gaal überkreuz, auf diesen Vorschlag reagiert haben dürfte. Dennoch: Sie haben sich am Sonntagabend auf keine Alternative zu van Gaal einigen können – die Nachfolge-Suche gestaltete sich schwierig. Um 19.34 Uhr vertagte sich die Gruppe wieder.

Nerlinger rief den Reportern beim Einsteigen ins Auto nur kurz zu, dass es nichts Neues zu verkünden gäbe.
Und heute, am Montag? Es heißt, es werde eine Erklärung geben. Und die soll plötzlich doch für van Gaal ausfallen. Man werde ihm noch eine Chance geben, wenn er sich einsichtig zeige im Gespräch mit dem Vorstand. Und wenn er denn weitermachen will.

Natürlich will er. Auch wenn er nur noch Trainer auf Abruf ist.
 

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