Steuer-Anklage gegen Hoeneß: Die Pressestimmen
Uli Hoeneß muss sich wegen Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten. Gefängnis? Deal? Kavaliersdelikt? Das schreibt die Presse: Reaktionen und Stimmen.
München - Nach Einschätzung der Juristin Margrit Lichtinghagen darf Uli Hoeneß auf Bewährung hoffen. Aber ist es wirklich so einfach? Darf tatsächlich gedealt werden?
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Welche Auswirkungen hätte eine Bewährungsstrafe auf künftige Straftaten anderer Prominenter, Politiker oder Promis.
Das schreibt die Presse über die Anklage von Uli Hoeneß:
„Süddeutsche Zeitung“ (München): „Für Hoeneß wird es ernst! Doch Uli Hoeneß steht noch nicht mit einem Fuß im Gefängnis. Es geht aber um Steuerhinterziehung in einer Dimension, bei der man Gefängnis gegebenenfalls schwer entkommt. Gegenbenenfalls: Das bezieht sich auf die rechtliche Bewertung der Selbstanzeige. War sie rechtzeitug, also strafbefreiendn, ist Hoeneß aus dem Schneider. War sie nicht rechtzeitig, ist der Knast offen. Die Frage der Bewertung der Selbstanzeige soll – wie alle Hauptfragen – im Hauptverfahren geklärt werden. Und einen Deal (zwei jahre mit Bewährung plus exorbitant hohe Geldzahlung) kann man auch erst im Hauptverfahren aushandeln. Man kann also die Zulassung der Anklage auch so sehen: „Es darf gedealt werden!“
„Frankfurter Rundschau“: „Hoeneß selbst hat auf die Zulassung der Anklage durch das Landgericht München II so reagiert, wie man es inzwischen von ihm erwarten durfte. Er staunte über die Uneinsichtigkeit der Strafverfolger und kündigte an, Präsident des Vereins bleiben zu wollen. Herbert Hainer, Vorstandschef von Adidas und Mitglied des Aufsichtsrats des FC Bayern, plädierte dafür, an Hoeneß festzuhalten: „Ich bin der Meinung, dass es keinen Besseren für die Position gibt.“ Es verdient Beachtung, dass der Verein sich keinen besseren Präsidenten wünschen kann als einen geständigen Betrüger, Im Übrigen, heißt es, habe Hoeneß die Straftat als Privatier begangen, nicht als Vereinspräsident. Das ist eine subtile Differenzierung, die noch beträchtliche Wirkungen entfalten könnte: Wird ein Politiker künftig beim Ladendiebstahl erwischt, darf er zu seiner Rechtfertigung darauf verweisen, als Privatmann gehandelt zu haben, und sich Rücktrittsforderungen verbitten. „
„Spiegel“: „Hoeneß hatte sich selbst angezeigt und eingeräumt, ein Konto in der Schweiz über Jahre vor dem Finanzamt verheimlicht zu haben. Der FC Bayern und seine Sponsoren wie Adidas Chart, Volkswagen und die Deutsche Telekom Chart haben sich geschlossen hinter Hoeneß gestellt. Der Fall hatte im Bundestagswahlkampf eine Debatte über Steuerbetrug ausgelöst. Das Thema spielt auch in den laufenden Koalitionsverhandlungen von Union und SPD eine Rolle. So könnten die gesetzlichen Regeln bei einer Selbstanzeige, die unter bestimmten Voraussetzungen vor Strafe schützt, weiter verschärft werden.“
Der Fall hatte im Bundestagswahlkampf eine Debatte über Steuerbetrug ausgelöst. Das Thema spielt auch in den laufenden Koalitionsverhandlungen von Union und SPD eine Rolle. So könnten die gesetzlichen Regeln bei einer Selbstanzeige, die unter bestimmten Voraussetzungen vor Strafe schützt, weiter verschärft werden.“
„Die Welt“: „Die Frage, die ab März in München verhandelt wird, lautet also auch: Wird Hoeneß auf den Status eines verachtungswürdigen Steuerhinterziehers zurückgeworfen – oder bekommt der Fall bei ihm den Charakter eines Kavaliersdelikts? Es steht viel auf dem Spiel. Für Hoeneß selbst – aber auch für den Umgang mit Fehltritten in diesem Land.“
„Handelsblatt“: „Auf den deutschen Rechtsstaat ist verlass. Uli Hoeneß wird nun doch wegen Steuerhinterziehung angeklagt. Das Drama um den Fußball-Gott treibt damit seinem Höhepunkt entgegen. Es dauert nicht mehr lange, dann hat Pontius Pilatus seinen Auftritt.“
„Bild“: „Die Kanzlerin war einmal Ihr Fan, Uli Hoeneß. Ich auch, ich liebte Sie als Außenstürmer mit wehendem Wikinger-Haar bei der WM 1974. Weltmeister, Europameister wurden Sie. Ich liebte Sie als Manager und Präsident des FC Bayern, der heute den besten Fußball der Welt spielt. Ich liebe Sie auch als Angeklagter. Wer ist schon nur gut? Heilige vielleicht? Wir Menschen sind halb und halb. Wir haben die Sonne und den Mond in uns, das Dunkle und das Helle. Für mich hat Uli Hoeneß auf der Waagschale mehr Helligkeit.“
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Die Selbstanzeige, die zur Strafbefreiung führen kann, reichte aber in den Augen der Ermittler im Fall Hoeßen nicht aus, war fehlerhaft. Allerdings können heutzutage selbst Fachleute kaum eine fehlerfreie Steuererklärung oder Selbstanzeige garantieren – zu wirr ist das Steuerrecht. Das entschuldigt Hoeneß natürlich nicht. Aber bei den üblichenVerdächtigen wird auch nicht das Steuergeheimnis verletzt. Dabei istdiese Vertraulichkeit Voraussetzung dafür, dass der Staat dieMitwirkung des Bürgers verlangen kann. Gewiss hat Ruhm auch seinenPreis, aber ein öffentlicher Pranger stößt sich an rechtsstaatlichen Prinzipien, die nun einmal für alle gelten.“
„Kölner Stadt-Anzeiger“: „Der Steuerbetrug ist in Deutschland jahrzehntelang als Kavaliersdelikt betrachtet worden, das von jedermann begangen und von der Justiz nur milde oder überhaupt nicht bestraft wurde. Erst seit der Bundesgerichtshof die Steuerhinterziehung zum seriösen Delikt erklärte und verfügte, dass ab einer Million Euro hinterzogener Steuern Täter ins Gefängnis müssen, hat sich herumgesprochen, dass der Steuerbetrug gegen die Compliancekultur der Gesellschaft verstößt. Nur die Sponsoren und die Mitglieder des Aufsichtsrats des FC Bayern haben das noch nicht begriffen.“
„Mannheimer Morgen“: „Nachdem dem erfolgreichen Unternehmer und noch erfolgreicheren Fußballfunktionär bereits zwei folgenschwere Fehler (Steuerhinterziehung und unvollständige Selbstanzeige) unterlaufen sind, sollte er nicht noch einen dritten machen – er sollte sowohl die Präsidentschaft des FC Bayern als auch den Vorsitz des Aufsichtsrats von sich aus niederlegen. Welches Desaster falsches Krisen-Management nach sich ziehen kann, haben ein Ex-Bundespräsident und zwei Ex-Minister bewiesen.“
„WAZ“: „Das triste Ambiente in Pilsen besaß Symbolcharakter. Der FC Bayern hat sich ein Hotel am Rande einer Plattenbausiedlung für seine Dienstreise ausgesucht. Als Uli Hoeneß dort gestern Nachmittag mit der Mannschaft eintraf, war das heutige Spiel seines Vereins in der Champions League beim tschechischen Meister FC Viktoria längst zur Nebensache geraten. Es ging nur um Hoeneß – und um die Frage, ob er sogar im Gefängnis landet. Die Untterstützung, die er erfahren habe, habe ihm und seiner Frau „in den letzten schweren Monaten extrem geholfen“. In den kommenden Monaten wird Hoeneß vor allem rechtlichen Beistand gut gebrauchen können.“
„Nordbayerischer Kurier“ (Bayreuth): „Geld stinkt also doch, wenn Menschen plötzlich auf Abstand gehen. Die Causa Hoeneß steht für eine verhängnisvolle Gier. Die davon Befallenen tun auf der anderen Seite im Stillen oder öffentlich durchaus Gutes. So wird auch Hoeneß' Großzügigkeit gerühmt. Treue Fans und FC-Bayern-Obere scharen sich trotzig um ihn. Aber beim Prozess im März werden die Wohltaten von Hoeneß nicht in die Waagschale geworfen werden. Es geht einzig und allein darum, ob er Steuerhinterziehung in großem Stil begangen hat oder nicht.“
„Neue Osnabrücker Zeitung“: „ Die Nation wird gebannt hinschauen und heißblütig mitreden. So ist das eben, wenn ein Top-Promi erwischt wird und Häme, Neid, Wut und Missgunst provoziert. Diese Emotionen werden die Stimmung prägen, im Verfahren haben sie nichts zu suchen. Die Wirtschaftsstrafkammer wird die Vergehen untersuchen, bewerten und zu einem angemessenen Urteil kommen – so viel Vertrauen in den Rechtsstaat darf es sein. Deshalb dürfen die Vertrauensbekundungen der Freunde, Partner und Sympathisanten von Hoeneß keine Rolle spielen.“
„Schwäbische Zeitung“: „Dass es nun zur Verhandlung kommt, ist ein klares Signal in zweierlei Hinsicht: Zum einen werden Steuervergehen nicht mehr als Kavaliersdelikt betrachtet, zum anderen gibt es offenbar auch in Bayern keinen Prominenten-Bonus. Dass sich Hoeneß einst in Talkshows als Saubermann aufgespielt hat, ist moralisch verwerflich, als Rechtfertigung für den öffentlichen Pranger taugt dies nicht. Der Verein ist sein Lebenswerk. Sollte Hoeneß jedoch rechtskräftig zu einer Strafe ohne Bewährung verurteilt werden, ist er als Vorbild nachhaltig beschädigt. Dann sollte Uli Hoeneß Größe zeigen – und zurücktreten.“
Weser-Kurier (Bremen): „Hoeneß steht an der Spitze einer Branche, in der mit Milliarden jongliert – und in der nicht selten getrickst wird, nicht nur auf dem Spielfeld. Zugleich stellt sich die Frage, wie der Aufsichtsrat der FC Bayern München AG seine Aufgabe versteht. In diesem Gremium sitzen acht Herren, die in Wirtschaft, Politik und Medien in der Champions League spielen oder einmal gespielt haben. Nun baut man Hoeneß bereits Brücken für den Fall einer Verurteilung. Menschlich ist das lobenswert. Bloß man ahnt: Darum geht es in erster Linie wohl gar nicht, sondern ebenfalls darum, sich zum Beispiel als Sponsor Vorteile zu verschaffen. Das macht auch diese Vorbilder verdächtig.“
„Stuttgarter Zeitung“: „Der Rückhalt des Clubs ist zu loben, da sich die Anklage gegen den Privatmann Uli Hoeneß richtet. Das würde sich aber schnell ändern, sollte sich herausstellen, dass der vom einstigen Adidas-Chef Robert-Louis Dreyfus gewährte Privatkredit auf das Hoeneß'sche Zockerkonto in einem Bezug zu dem Sponsorenvertrag steht, den die Herzogenauracher 2002 beim FC Bayern unterschrieben. Die Aufsichtsräte sind also bei aller Loyalität als Aufklärer gefragt.“
„Rheinpfalz“ (Ludwigshafen): Überrascht“ ist Uli Hoeneß dem eigenen Bekunden nach, dass er im März nun doch wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung vor Gericht erscheinen muss. Überrascht? In dieser ersten Reaktion steckt alles, was den Fall des Bayern-Präsidenten seit seinem Bekanntwerden zum
Gegenstand lebhafter Diskussion hat werden lassen. Hoeneß selbst war offenbar selbstverständlich davon ausgegangen, mit seiner Selbstanzeige und freiwilligen Nachzahlungen davonzukommen. Das wäre schon eine sehr bizarre Vorstellung
Rheinische Post (Düsseldorf): Dem guten Menschen vom Tegernsee droht tatsächlich eine Haftstrafe. Uli Hoeneß muss wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung vor Gericht. Das ist völlig in Ordnung. Schließlich kann der Bürger Hoeneß keine Sonderbehandlung verlangen, auch für ihn gilt das Gesetz. Daran ändert sein soziales Engagement nichts, Er brachte sogar ein juristisches Gutachten bei, das ihm erlaubt, Hoeneß selbst im Falle einer Verurteilung im Amt zu behalten. Das ist auch der Versuch, das Steuervergehen mit Gewalt zu einer Privatangelegenheit vzu erklären. Den Privatmann Hoeneß aber gibt es in dieser Affäre so lange nicht, wie er das Gesicht des FC Bayern ist. Deshalb muss er zurücktreten.
Westdeutsche Zeitung (Düsseldorf): Wie auch immer der Prozess endet, Uli Hoeneß ist nicht mehr derselbe. Das Bild vom erfolgreichen, gradlinigen Unternehmer und Manager hat tiefe Risse bekommen. Das mag die eine Hälfte der Bevölkerung bejubeln, die andere Hälfte darf es ruhig bedauern. Auch in Deutschland ist der Fundus an Vorbildern schließlich nicht unerschöpflich.
„Neue Presse“ (Hannover): Hoeneß hat immer betont, Steuern als Privatmann hinterzogen zu haben, dafür auch gerade stehen zu wollen. Doch eine Trennung zwischen Persönlichem und Präsident fällt schwer, denn Hoeneß steht wie kein Zweiter für den FC Bayern. Schon deshalb muss die Klubführung neu abwägen, sollte Hoeneß vom Gericht rechtskräftig verurteilt werden. Der derzeit erfolgreichste Verein Europas kann es sich nicht leisten, einen vorbestraften Präsidenten zu haben.“
„Donaukurier“ (Ingolstadt): Bewährung dürfte reichen
Mag die Reue auch echt sein, in Hoeneß' Selbstanzeige muss irgendwie der Wurm drin sein. Kam sie zu spät? Hat er nicht die ganze Wahrheit über das in der Schweiz gebunkerte Geld gesagt? Das wird der Prozess zeigen. Wie er ausgeht, ist offen. Franz Beckenbauer meint, man solle "niemanden verurteilen, der mal einen Fehler gemacht hat". Das ist zu einfach. Strafe muss sein. Aber gehört Hoeneß hinter Gitter? Bewährung dürfte reichen – und: ordentlich zahlen.“
„Südwest Presse“ (Ulm): „Der einstige Nationalstürmer war nach Lage der Dinge auch besonders aktiv auf jenem Spielfeld der Gaunerei, die als Volkssport der Besser- und Bestverdienenden inzwischen besonders im Fokus steht. 3,2 Millionen Euro sollen hinterzogen worden sein. Es ist das folgenreichste Eigentor seines Lebens.“
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