Interview

"Nie Verhinderer": Ex-Boss über Einfluss von Hoeneß und Rummenigge bei Transfers des FC Bayern

Der FC Bayern tut sich in diesen Wochen auf dem Transfermarkt enorm schwer. Woran liegt das? Die AZ hat darüber mit dem ehemaligen Bayern-Boss Michael Reschke gesprochen.
Kilian Kreitmair
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Die Granden des FC Bayern: Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß.
Die Granden des FC Bayern: Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß. © dpa

AZ: Herr Reschke, es ist Mitte Juli, der FC Bayern hat bisher nur Jonathan Tah und Tom Bischof verpflichtet. Woran hakt es, dass man sich in Sachen Neuzugänge schwertut?
MICHAEL RESCHKE: Der FC Bayern hat mittlerweile eine extreme sportliche und wirtschaftliche Konkurrenzsituation. Es gibt viel mehr Player auf dem Markt als noch vor zehn Jahren. Das zeigt sich gerade beim Werben um Top-Spielern, die eine Qualitätsverbesserung garantieren. Vor allem der englische Markt ist für viele Spieler nicht nur vom Wirtschafts-, sondern auch vom Leistungsniveau die Liga, die weltweit die Nummer eins ist. Das ist für viele Spieler reizvoller als die Bundesliga. Das klassische Beispiel war Florian Wirtz. Von den sechs Top-Teams wollten ihn mindestens fünf haben. Dann wird es für den FC Bayern schwer. Es war für mich deshalb keine Transferniederlage. Sie waren sozusagen im Finale um Wirtz und wenn der sich für Liverpool und die Premier League entscheidet, gilt es das zu respektieren und neue Ziele festzulegen.

Reschke: "Ich sehe den FC Bayern nach wie vor als großen Player"

Bedeutet, der FC Bayern ist durch neue Konkurrenten wie Manchester City nicht mehr die eine Adresse, wo jeder Spieler hinwill?
In der Zehnjahreswertung der Champions League, und soweit reicht das Gedächtnis der Spieler schon aus, ist der FC Bayern auf Platz zwei oder drei. Wie in der vergangenen Saison im Viertelfinale auszuscheiden, ist bitter. Andererseits man muss da auch erstmal hinkommen. Bedeutet: Ich sehe den FC Bayern weiterhin als großen Player, aber mit einer gewachsenen Konkurrenzsituation.

Hat dem FC Bayern vielleicht ein klarer Plan B gefehlt, nachdem der Deal mit Florian Wirtz nicht geklappte?
Die Transferperiode ist immer total dynamisch. Da gehen auf einmal Fenster auf, die eine Woche zuvor komplett geschlossen waren. Optimal ist es  immer ganz früh einen klaren Plan zu verfolgen. Die Fokussierung auf Wirtz war für mich total richtig, hat es aber kaum zugelassen, bei anderen Hochkarätern in den Ring zu steigen, da die wirtschaftliche Kapitalbindung für Wirtz kaum andere Topverpflichtungen zugelassen hätte.  Es sei denn man würde hohe Erlöse erwirtschaften.

Der ehemalige Kaderplaner des FC Bayern: Michael Reschke.
Der ehemalige Kaderplaner des FC Bayern: Michael Reschke. © dpa

Hoeneß-Engagement bei Wirtz-Gesprächen war "höchst sinnvoll"

Generell schalten sich beim FC Bayern derzeit viele Alpha-Tiere in die Kaderplanung von Max Eberl und Christoph Freund ein. Wie war das bei Ihnen damals?
Zu meiner Zeit waren Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge die Hauptansprechpartner bei Transferideen. Sie kannten den internationalen Spielermarkt nicht aus dem ff und dies war auch nicht ihre Aufgabe. Wenn man zu den Beiden kam,  eine klare sportliche Überzeugung und ein sinnvolles wirtschaftliches Konzept vorlegte  und das auch noch mit aussagekräftigen Videos und Reports untermauerte, hat man immer Flankenschutz erhalten. Natürlich gab es Rückfragen und Diskussionen, aber Beide waren nie Verhinderer. Ich erinnere mich gut an Gespräche um die Transfers von Kimmich und Coman, die beide logischerweise nicht kannten. Da gab es auch mal dicke Fragezeichen. Aber wenn Marco Neppe und ich ein klares Konzept präsentierten, konntest du sie definitiv überzeugen.

Also liegt das Problem nicht bei zu vielen Alpha-Tieren?
Klar hat sich Uli Hoeneß in die Wirtz-Geschichte miteingeklinkt, aber das war doch auch höchst sinnvoll. Hoeneß hat gerade, was den Vater-Wirtz angeht, eine enorme Strahlkraft. Er ist für diese Generation eine absolute Größe und war gewiss ein Joker, den Eberl gerne eingesetzt hat. Dass es trotzdem nicht gepasst hat, lag sicher nicht an Uli.

Reschke: "Die Transfermaßeinheit ist beim FC Bayern völlig anders"

Jupp Heynckes wollte unbedingt Javi Martinéz, Pep Guardiola wollte Thiago oder nix. Wäre es nicht mal an der Zeit für Vincent Kompany zu sagen: Spieler X oder nix?
Wie Kompany den Klub verkauft, finde ich bisher sensationell, auch das er sich bisher nicht als Transferforderer-Lautsprecher hervorgetan hat. Aber ich bin mir sicher, dass er intern ganz klare Wünsche  äußert und Aussagen trifft.

Wenn wir nochmal auf die Gesamtsituation schauen: Ist der Transfermarkt in dieser Saison vielleicht nochmal schwerer, weil nicht die Spieler auf dem Markt sind, die wirklich weiterhelfen?
Auf jeden Fall. Die Spieler, die den absoluten Unterschied ausmachen, sind nicht viele. Beim FC Bayern wirst du aber genau an diesen Spielern gemessen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus meiner Zeit: Wir hatten Sebastian Rudy verpflichtet. Er kam ablösefrei, bekam natürlich Handgeld und ein sinnvolles Gehalt, aber definitiv Beides im Rahmen. In der Saison hat er dann 37 Pflichtspiele, teilweise sehr gute, absolviert und wurde dann  für 16,5 Millionen Euro an Schalke verkauft. Bei jedem anderen  Bundesliga-Klub wäre dies als Top-Transfer bewertet worden . Beim FC Bayern nicht. Die Transfermaßeinheit ist dort völlig anders.

Brachte dem FC Bayern ein Transferplus: Sebastian Rudy.
Brachte dem FC Bayern ein Transferplus: Sebastian Rudy. © dpa

Transfermarkt wurde in den letzten Jahren aggressiver und gläserner 

Aktuell ist Luiz Diaz im Gespräch, der aber sehr teuer werden dürfte und auch schon 28 Jahre alt ist. Sehen Sie als Perlentauscher nicht jemand auf den Transfermarkt, der etwas für den FC Bayern wäre, so ein nächster Coman?
Die Verpflichtung von Coman ist rückblickend natürlich top gewesen. Auch, weil das wirtschaftliche Risiko überschaubar war. Wir haben ihn erst zwei Jahre für eine relativ hohe Leihgebühr ausgeliehen (7  Millionen Euro., d. Red.), weil wir dringend eine Ergänzungs-Alternative für Arjen Robben , Franck Ribéry und Douglas Costa benötigten. Jede andere Alternative wäre deutlich teurer gewesen. Unser Vorteil:  Marco Neppe und ich waren total überzeugt und Pep Guardiola und Rummenigge haben uns total vertraut. Zwei Jahre später haben wir Ihn dann für 21 Millionen Euro fest verpflichtet. Solche Deals sind mittlerweile schwerer zu realisieren. Der Markt ist noch gläserner und aggressiver geworden.

Wenn die Situation auf dem Transfermarkt derart kompliziert ist, wäre dann nicht eine Rückholaktion eines ehemaligen Jugendspielers wie Malik Tillman eine Option?
Wenn der FC Bayern so eine Möglichkeit nicht nutzt, bin ich sicher, dass Eberl einfach die sportliche Überzeugung fehlte. Wenn dir die fehlt, nutzt das beste Konstrukt nichts. Ich habe Max Eberl immer als absoluten Überzeugungstäter kennen und schätzen gelernt. Er hat gemeinsam mit Kompany und Freund gewiss sehr sorgfältig abgewogen.

Der US-Nationalspieler und Neuzugang bei Bayer Leverkusen: Ex-Bayern-Talent Malik Tillman.
Der US-Nationalspieler und Neuzugang bei Bayer Leverkusen: Ex-Bayern-Talent Malik Tillman. © IMAGO

Reschke über die Chance für Talente: "Die Bayern haben nie einen überbesetzten Kader"

Von den Talenten, die am Campus sind, ist man offenbar auch nicht wirklich überzeugt. Fehlt es da vielleicht an Risikobereitschaft, mal einen Kaderplatz mit einem Talent zu füllen, Lennart Karl zum Beispiel?
Wichtige Kaderspieler aus dem eigenen Nachwuchs zu entwickeln ist für jeden Klub ein Traum. Die Lahms, Schweinsteigers, Alabas  und Müllers sind aber halt dünn gesät. Jeder Spieler, jedes Talent ist am Ende eine Einzelfallentscheidung und am Ende entscheidet die Klasse. Die Bayern haben nie überbesetzte Kader mit 30 oder mehr Spielern. Also gibt es  als Nachwuchsspieler immer die Chance durch die offene Türen zu gehen. Aleksandar Pavlovic hat das bewiesen und auch Josip Stanisic mit dem Zwischenschritt Leverkusen. Durch die Verletzung von Jamal Musiala wird zum Beispiel jetzt die Chance für Tom Bischof größer auf Spielzeit zu kommen.

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