Nagelsmann lässt Neuer-Zukunft offen: FC-Bayern-Vergangenheit könnte für Zündstoff sorgen
München - Seine Reha-Zeit nach dem Unterschenkelbruch nähert sich den zehn Monaten, das Comeback lässt sich weiterhin nicht terminieren – und doch gibt es einen Mutmacher für Manuel Neuer. Der langzeitverletzte Bayern-Torwart steht wieder auf dem Platz, nachdem eine Wadenblessur zuletzt für einen kleinen neuerlichen Rückschlag gesorgt hatten.
"Körpersprache und Ausstrahlung" von Neuer machen Hoffnung
"Ich habe mit Manu gesprochen, er ist sehr positiv. Ich glaube inzwischen zu erkennen, an der Körpersprache, an der Gestik, an der Mimik, ob es Manu gutgeht oder nicht. Und die Körpersprache und Ausstrahlung waren gut", berichtete Trainer Thomas Tuchel (50) vor dem Bundesliga-Heimspiel am Samstag gegen den VfL Bochum (15.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker).
Der Coach führte aus, dass sich der 37 Jahre alte Kapitän des deutschen Rekordmeisters wieder auf dem Platz im individuellen Torwart-Training befände. Bereits Ende August kehrte Neuer erstmals ins Torhüter-Training zurück, an die Seite von Neuzugang Daniel Peretz (23) und dem momentan verletzten Tom "Ritzy" Hülsmann (19).
Dennoch gab es den Schritt zurück – bewusst, wie Tuchel erklärte.
Tuchel über Ulreich: "Macht einen guten Job"
"Wir wollten kein Risiko eingehen, dass daraus eine Verletzung wird", sagte Tuchel, denn er sieht die Blessur am gesunden linken Bein als recht unkonkret und schwerwiegend an. "Die Verletzung ist nicht wirklich eine Verletzung. Ich würde das Wadenbeschwerden nennen, die sind sehr diffus, die kommen und gehen. Das hat gar nicht so sehr mit Absprungtechnik oder Muskelkontraktion zu tun, sondern sie sind einfach da und stören."
Zeitdruck empfinden weder der FC Bayern noch Tuchel, auch weil Vertreter Sven Ulreich (35) keinen Anlass zu Sorgen gibt. "Wir sprechen wenig über die Torhüter, das bedeutet, dass Ulle einen guten Job macht. Er hat schon ein paar richtig wichtige Bälle für uns gehalten", merkte der Coach an und lobte zudem die Einsatzbereitschaft des nachverpflichteten dritten Torhüters Daniel Peretz: "Er hat den richtigen Kopf und die richtige Einstellung, die es benötigt, um bei Bayern zu spielen."

Trotz Aus beim FC Bayern: Nagelsmann war im ständigen Austausch mit Neuer
Auch bei der Vorstellungs-Pressekonferenz des neuen Bundestrainers Julian Nagelsmann (36) war das Neuer-Comeback Thema. Auf die Frage, wie er mit dem Bayern-Keeper plane, sagte der Nachfolger von Hansi Flick: "Das Allerwichtigste und das habe ich auch als Bayern-München-Trainer gesagt, ist, dass wir Manu die nötige Zeit geben, gesund zu werden und wieder 100 Prozent leistungsfähig zu werden."

Weiter führte Nagelsmann aus: "Es war eine schwere Verletzung. Und ich bin immer im Austausch mit ihm gewesen, auch in der Zeit, in der ich nicht mehr Trainer war, war ich im Bilde. Das Wichtigste ist, dass er gesund wird. Wenn dieser Fall eintritt, dann werden wir die Situation bewerten. Da haben wir das große Glück, Zugriff auf Weltklasse-Torhüter zu haben."
Kein Stammtorhüter, kein Kapitän: Sägt Nagelsmann an Neuers Thron?
Ein klares Plädoyer für den eigentlichen Kapitän klingt anders. Bereits zu Bayern-Zeiten lagen sich Neuer und Nagelsmann über Kreuz – insbesondere nach der Entlassung von Torwarttrainer Toni Tapalovic. "Für mich war das ein Schlag, als ich bereits am Boden lag. Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Herz rausgerissen, das war das Krasseste, was ich in meiner Karriere erlebt habe", schilderte Neuer seine Sicht der Dinge Anfang Februar in der "Süddeutschen Zeitung".
Nagelsmann gilt als federführend hinter dieser Entscheidung. Der Vorwurf: Tapalovic soll Interna aus der Trainerkabine weitergegeben haben. Daraufhin verpflichtete der FC Bayern Michael Rechner, den heute letzten noch Verbliebenen aus Nagelsmanns Amtszeit.
Auch, dass sich der neue Bundestrainer für Ilkay Gündogan als Kapitän aussprach, stärkt Neuers Position nur bedingt: "Ich belasse es dabei, ich bin von Ilkay als Mensch und auch als Spieler extrem überzeugt", erklärte Nagelsmann am Freitag. In Ermangelung eines "vorerst" oder "bis auf Weiteres", kombiniert mit Neuers Alter, darf man davon ausgehen, dass Nagelsmann nicht nur die nächsten beiden Länderspiele gegen die USA und Mexiko meinte. Insbesondere, da Gündogan als Kapitän von Manchester City erst vergangene Saison Champions-League-Sieger wurde.

Deshalb sieht auch Neuers langjähriger Mitspieler Bastian Schweinsteiger in der Situation eine Menge Zündpotential: "Wenn das Thema vielleicht nicht ausgeräumt ist, was ich hoffe, dass es schon ist, dann könnte das natürlich belastend sein", erklärte der Weltmeister in einem Beitrag für die "Sportschau".
Neuers (DFB)-Comeback könnte daher mit einer größeren Überraschung verbunden sein.