Manuel Neuer: Der verhinderte Held
Bayerns Torhüter pariert im Elfmeterschießen den ersten Chelsea-Versuch. Dann tritt er selbst an, weil sich die Kollegen nicht trauen – und trifft. Trainer Jupp Heynckes sagt: „Einige Spieler wollten nicht schießen.“
Das Problem mit den verhinderten Helden ist ja das: Nichts bleibt für die Ewigkeit, selbst wenn sie selbst alles richtig gemacht haben. Wer wird sich in einigen Jahren, wenn er zurückdenkt an das Finale dahoam, das zur größten und absurdesten aller anzunehmenden Tragödien wurde, an die Heldentaten von Manuel Neuer erinnern? Wer wird noch vor Augen haben, wie der Keeper im Elfmeterschießen erst den Schuss von Juan Mata parierte und später selbst traf gegen Petr Cech? Eben.
Dabei hat Manuel Neuer am Samstag alles getan, um seinen Vor-Vorgänger Oliver Kahn zu erreichen. In einer Mannschaft, in der plötzlich die meisten die Nerven verloren, blieb er cool und übernahm Verantwortung. Es hätte nicht viel gefehlt, und Neuer wäre wieder zum Elfer-Helden geworden. Wie im DFB-Pokalhalbfinale gegen Gladbach. Wie im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid. Dank Neuer, der bei Didier Drogbas Gegentor in der regulären Spielzeit machtlos gewesen war, führten die Bayern bei ihrem dritten Matchball, dem Elfmeterschießen also, schon mit 3:1; erst hatte er, nachdem Philipp Lahm für Bayern getroffen hatte, den ersten Strafstoß der Londoner pariert. Nachdem dann Mario Gomez und Chelseas David Luiz getroffen hatten, herrschte kurze Verwirrung bei den Bayern. Wer ist der nächste Schütze? Die Mitspieler zeigten auf Neuer. Der nahm sich also den Ball, legte ihn sich hin, lief recht langsam an – und verwandelte souverän. Die vorherige Verwirrung um den Schützen erklärte Neuer später so: „Es war klar, dass ich schieße. Aber ich habe gedacht, dass ich eine Runde später dran wäre.“
Dass Neuer überhaupt als Schütze ran musste, lag an der Indisponiertheit (oder besser: Angst?) einige seiner Kollegen. Arjen Robben, der den zweiten Matchball, den Elfer in der Verlängerung verschossen hatte? Wollte nicht mehr. Anatoliy Tymoshchuk, der erfahrene Allrounder aus der Ukraine ? Ließ sich weder von Thomas Müller noch Manager Christian Nerlinger überzeugen (siehe unten). Franck Ribéry? Thomas Müller? Beide längst ausgewechselt. Also musste Neuer ran, der zuletzt 2005 als B-Junior einen Elfer in einem Pflichtspiel getreten hatte. „Ich bin kurzfristig eingesprungen“, sagte er dazu lapidar. „Manuel ist ein Topschütze, mit einer sehr, sehr guten Schusstechnik. Deswegen war das eigentlich klar“, betonte Lahm. Etwas deutlicher formulierte es Jupp Heynckes: „Einige Spieler wollten keinen Elfmeter schießen. Aber man kann ja niemanden zwingen. Ich habe mit einigen Spielern dreimal gesprochen, ob sie schießen wollen. Aber sie haben trotzdem gesagt, dass sie sich nicht gut fühlen, es sich nicht zutrauen.“
Neuer hat keine Probleme mit dem Glauben an die eigenen Stärken. Und so bleibt vielleicht als Erkenntnis dieser bitteren Nacht, dass ausgerechnet ein Junge, der „auf Kohlen geboren wurde“ (Neuer über Neuer), den die Südkurve wegen dessen Schalker Vergangenheit nicht haben wollte, als einer der wenigen Bayern das Vereins-Credo Mia san Mia am meisten verkörpert hat.