Hoeneß sieht Bayern als Champions-League-Außenseiter: War der Transfer-Sommer wirklich so schwach?

Uli Hoeneß zeigt sich fassungslos über die Ausgaben auf dem internationalen Transfermarkt und erklärt seinen FC Bayern in der Champions League kurzerhand zum Außenseiter. Doch waren die Verpflichtungen der Münchner wirklich so schwach?
von  Bernhard Lackner
Bayern-Patron Uli Hoeneß.
Bayern-Patron Uli Hoeneß. © Felix Hörhager/dpa

Da schau her: Der FC Bayern geht als Außenseiter in die kommende Europapokal-Spielzeit! Der Meinung ist dieses Mal nicht irgendein kritelnder TV-Experte, sondern kein Geringerer als Ehrenpräsident Uli Hoeneß.

"Ich freue mich auf diese kommende Saison, weil wir so wie Hoffenheim in die kommende Champions-League-Saison gehen. Keiner rechnet mit uns", sagte der 73-Jährige bei einer Veranstaltung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in Berlin.

Uli Hoeneß (r.) mit Sportvorstand Max Eberl.
Uli Hoeneß (r.) mit Sportvorstand Max Eberl. © IMAGO/Philippe Ruiz

Grund für das plötzliche Understatement des sonst so selbstbewussten Bayern-Patrons sind die jüngsten Entwicklungen auf dem internationalen Transfermarkt – und die gehen ihm gehörig gegen den Strich. "Ich war fassungslos, was die letzten sechs, acht Wochen im internationalen Fußball los war", so Hoeneß, der die Summen, die mittlerweile für Spieler gezahlt werden, als "völlig gaga" bezeichnete und meinte: "Irgendwann sagt der Bürger: Sind die völlig bekloppt?"

Neuer Transfer-Rekord: Premier-League-Klubs geben 3,5 Milliarden aus

Der Unmut des 73-Jährigen ist durchaus nachvollziehbar, schließlich blicken auch die Bayern auf ein äußerst schwieriges Transferfenster zurück. Im Werben um Florian Wirtz, der zum FC Liverpool wechselte, und Nick Woltemade, der nun für Newcastle United spielt, sind sie an der schier unerschöpflichen Finanzkraft der Premier League gescheitert. Die englischen Klubs haben im Sommer mehr als 3,5 Milliarden Euro für Neuzugänge ausgegeben, was selbst für die notorischen Big Spender von der Insel einen neuen Rekord darstellt.

Hoeneß richtete daher eine eindringliche Warnung an die DFL. Die Bundesliga sei gut beraten, ihren eigenen Weg zu gehen und müsse dabei eine Führungsrolle übernehmen. "Wir müssen Stärke zeigen und nicht das Geld der Araber, der amerikanischen Hedgefonds nehmen", forderte der langjährige Bayern-Manager. Die DFL müsse sicherstellen, dass die Bundesligisten "dieses Geld nie annehmen müssen". Ob das gelingt, wird sich zeigen.

FC Bayern verkauft auch nach England und Saudi-Arabien

Auf dem Transfermarkt nehmen die Bayern das Geld in jedem Fall gerne an. Mit Mathys Tel, Joao Palhinha, Adam Aznou und Jonah Kusi-Asare wurden vier Spieler in die Premier League abgegeben, für Kingsley Coman erhielt der Rekordmeister kolportierte 25 Millionen Euro von Saudi-Klub Al-Nassr.

Und das muss es noch nicht gewesen sein. In Saudi-Arabien haben die Klubs noch bis zum 10. September Zeit, Neuverpflichtungen zu tätigen. Sollte ein Verein kurzfristig auf die Idee kommen, dass etwa Min-jae Kim doch ein ganz guter Verteidiger ist und den Bayern ein unmoralisches Angebot unterbreiten, könnte es also noch zu einem Abgang kommen.

Doch zurück zu Hoeneß und der rekordmeisterlichen Selbstverzwergung. Ist die nach diesem Sommer überhaupt angemessen? Die AZ wirft einen Blick auf Bayerns Transfer-Sommer:

Jonathan Tah (29): Note 2

Jonathan Tah ist seit Beginn der Klub-WM im Sommer Stammspieler.
Jonathan Tah ist seit Beginn der Klub-WM im Sommer Stammspieler. © IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Goldberg

Der Transfer des Abwehrchefs von Bayer Leverkusen war ein absoluter No-Brainer. Wenn ein deutscher Nationalspieler im besten Fußballer-Alter "ablösefrei" (für die Teilnahme an der Klub-WM mussten die Münchner noch eine überschaubare Summe an Leverkusen zahlen) auf dem Markt ist und auch noch genau den Mannschaftsteil verstärkt, auf dem ohnehin Nachholbedarf war, kann Bayern nicht nein sagen.

Der 29-Jährige hat sich sofort hervorragend in der Mannschaft integriert und wurde umgehend in den Mannschaftsrat gewählt. Unter Trainer Vincent Kompany ist er bereits seit der Klub-WM gesetzt. Noch spielt Tah aber nicht ganz fehlerfrei, wie sich unter anderem beim 3:2-Sieg im DFB-Pokal bei Wehen Wiesbaden zeigte. Dennoch ein guter Transfer und eine absolut sinnvolle Verstärkung.

Tom Bischof (20): Note 1

Tom Bischof gilt als einer der hoffnungsvollsten Mittelfeldspieler Deutschlands.
Tom Bischof gilt als einer der hoffnungsvollsten Mittelfeldspieler Deutschlands. © IMAGO/Markus Ulmer

Eine Top-Verpflichtung, die in der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unter dem Radar fliegt. Wie Tah kam Bischof nach Ablauf seines Vertrages bei der TSG Hoffenheim (abgesehen von einer überschaubaren Gebühr für die Klub-WM) ablösefrei nach München.

Bischof gilt als einer der talentiertesten Mittelfeldspieler Deutschlands und feierte unter Julian Nagelsmann sogar schon sein Debüt in der A-Nationalmannschaft. Mit seiner aggressiven Spielweise passt er gut ins Pressing-lastige System von Kompany, zudem ist er technisch beschlagen, bringt Kreativität mit und kann im Zentrum mehrere Positionen bekleiden.

An der Seite der Routiniers Joshua Kimmich und Leon Goretzka (beide 30) kann er wachsen und irgendwann in deren Fußstapfen treten. Mit dem 20-jährigen Bischof und dem 21-jährigen Aleksandar Pavlovic sind die Bayern auch in Zukunft gut aufgestellt.

Luis Díaz (28): Note 3

Luis Díaz kam im Sommer vom FC Liverpool zu den Bayern.
Luis Díaz kam im Sommer vom FC Liverpool zu den Bayern. © IMAGO/Gerhard Schultheiß

Nach den Abgängen von Thomas Müller, Leroy Sané, Coman und Tel war der Kolumbianer die erste ganz wichtige Offensiv-Verpflichtung. Díaz ist mit 28 Jahren im besten Fußballer-Alter und bringt aus seiner Zeit in Porto und Liverpool jede Menge internationale Erfahrung mit. Mangels Alternativen war er bei den Bayern von Tag eins an gesetzt und erarbeitete sich mit seiner laufintensiven, kämpferischen Spielweise gleich Sympathien bei den Fans.

Seine Zahlen lesen sich mit drei Toren und zwei Vorlagen in den ersten vier Pflichtspielen auf den ersten Blick sehr gut, allerdings hat er auch schon die eine oder andere Großchance liegengelassen, die ein Spieler seiner Güteklasse zwingend verwerten muss. Zudem bleibt der fade Beigeschmack, dass die Bayern dem FC Liverpool mit seiner Verpflichtung für 70 Millionen Euro den Wirtz-Transfer zur Hälfte mitfinanziert haben.

Nicolas Jackson (24): Note 3

Nicolas Jackson spielt zunächst auf einjähriger Leihbasis für die Münchner.
Nicolas Jackson spielt zunächst auf einjähriger Leihbasis für die Münchner. © FC Bayern

Die Deadline-Day-Leihe des Senegalesen ging nach einigem Hin-und-Her doch noch über die Bühne. Und dank seiner Berateragentur, die kurzerhand die für gewöhnlich streng vertraulichen Zahlen öffentlich machte, weiß die ganze Welt auch um die Konditionen des Deals. Alleine die einjährige Leihe lassen sich die Bayern mit Leihgebühr und Gehalt rund 25 Millionen Euro kosten. Danach besteht eine Kaufoption, welche ab einer bestimmten Anzahl absolvierter Spiele verpflichtend greift, in Höhe von 65,5 Millionen Euro.

Sportlich macht der Transfer dennoch Sinn. Jackson bringt mit seiner dynamischen Spielweise etwas mit, was dem Kader bislang gefehlt hat, und sorgt für mehr Breite in der Offensive. Bei den Kosten dürften Uli Hoeneß aber dennoch die Ohren schlackern...

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