Franz und Bayern: Was ist da los?

Es war kurz vor Mitternacht in Gelsenkirchen und eigentlich alles besprochen. Ein handelsüblicher Europapokal-Abend, ein Schalker 1:0 gegen Porto, kein Grund zur Aufregung. Aber im Premiere-Studio wurde Franz Beckenbauer, der Experte am Mikro, Sekunden vor dem nahen Dienstschluss plötzlich noch einmal munter.
von  Abendzeitung
Ein Bayer, ein Fan, ein Kritiker – und das alles zusammen: Franz Beckenbauer
Ein Bayer, ein Fan, ein Kritiker – und das alles zusammen: Franz Beckenbauer © Bongarts/Getty Images

Es war kurz vor Mitternacht in Gelsenkirchen und eigentlich alles besprochen. Ein handelsüblicher Europapokal-Abend, ein Schalker 1:0 gegen Porto, kein Grund zur Aufregung. Aber im Premiere-Studio wurde Franz Beckenbauer, der Experte am Mikro, Sekunden vor dem nahen Dienstschluss plötzlich noch einmal munter.

Denn da kam die Rede auf seinen FC Bayern. Darauf, dass Stars wie Philipp Lahm, Willy Sagnol und Mark van Bommel pikiert reagiert hatten auf die Kritik des Präsidenten (AZ berichtete). Der Franz runzelte also die Stirn und sprach: „Scheinbar werden die Spieler immer empfindlicher. Ich kann aus einem schlechten Spiel kein gutes machen. Wenn ich sehe, Sagnol ruht sich auf seiner Position aus, dann muss ich das kritisieren. Denn das sehe nicht nur ich, sondern das sehen 70 000 Zuschauer im Stadion – wie zum Beispiel gegen Werder Bremen (1:1, d. Red.).“

»Ich bin ja nicht der Einzige im Stadion, der das sieht« Beckenbauer weiter: „Lahm kommt langsam wieder in eine gute Verfassung, hat jetzt auch ein Jahr einen Durchhänger gehabt, wie Schweinsteiger auch, also das muss man natürlich ansprechen. Ich bin ja nicht der Einzige im Stadion, der das sieht.“

Die nächste Abrechnung des Kaisers, diesmal zur Geisterstunde. Wie passend. Denn das Binnenverhältnis Bayern/ Beckenbauer macht neuerdings einen gespenstischen Eindruck. Was ist da los? Beckenbauers Kommentare werden lange schon nirgends so gewissenhaft ausgewertet wie an der Säbener Straße. Oft genug haben Manager Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge die medienwirksamen Einlassungen des Kaisers kritisiert. Mal intern, mal extern. Oft genug haben sich Spieler, die sich von Beckenbauer verfolgt fühlten, mächtig geärgert.

Von Nähe zeugt das nicht

Neu sind Scharmützel im Tagestakt. War es nur ein Zufall, dass Lahm am Montag im „Kicker“ gelästert hatte, es gebe wohl zwei Beckenbauers: „Einen, der in der Zeitung schreibt, und dann den Präsidenten des FC Bayern.“ Nur ein Zufall, dass van Bommel und Sagnol am selben Tag in die Klub-Pressekonferenz entsandt wurden und sich gegen Beckenbauer in Stellung brachten? Von Nähe zeugt das nicht. Hat es Methode? Schon bei der Entscheidungsfindung, Jürgen Klinsmann zum Nachfolger von Trainer Ottmar Hitzfeld zu machen, durfte sich der Präsident und Aufsichtsratschef weitgehend ausgegrenzt fühlen. Das sei allein „die Idee vom Kalle“ gewesen, sagte Beckenbauer.

Gestern ließ er seine Bayern bereits wissen, er werde auch künftig „nur das sagen und schreiben, was ich sehe, das wird sich auch unter Jürgen Klinsmann nicht ändern.“ Schöne Aussichten. Dass sich Beckenbauers Meinung immer wieder mal mit den Klubinteressen kreuzt, wurde auch im Vorfeld des heutigen Uefa-Cup-Spiels gegen Aberdeen (18.45 Uhr, Pro 7) deutlich. Im Bemühen, das Match gegen den international eher zweitklassigen Gegner anzupreisen, hatte der FC Bayern in einer Pressemitteilung auf die enorme Kartennachfrage hingewiesen.

Und was macht Beckenbauer? Der sagte gestern in einem „sid“-Interview: „Wenn ich mir das Spiel der Bayern in Aberdeen anschaue (2:2, d. Red.), dann denke ich manchmal, die Spieler nehmen das Ganze nicht so ernst. Aber man kann ihnen noch nicht mal einen Vorwurf machen. Das steckt im Unterbewusstsein drin.“ So wie in Beckenbauers offenbar auch. So ließe sich der Zwist endlos weiterführen. Man darf gespannt sein, wann Hitzfeld sich einschaltet. Über den sagte Beckenbauer gestern: „Ottmar Hitzfeld hat schon von Jürgens neuen Methoden profitiert. Er lässt die Spieler nach dem Spiel zum Beispiel im Entmüdungsbecken nicht mehr ins warmeWasser steigen, sondern ins kalte.“ In den Ohren des erfolgreichsten deutschen Klubtrainers mag das klingen wie der pure Hohn.

M. Schilling

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