So schlecht wie einst Sören Lerby: Das Ende von Thomas Tuchels Schonfrist beim FC Bayern?
München - Das 1:3 in Mainz warf unzählige Fragen auf und diejenigen, die sich womöglich beantworten könnten, waren ratlos. "Es sind zu viele Niederlagen, zu viele in derselben Art und Weise. Ich finde, dass wir immer eine gewisse Grundleidenschaft brauchen im Spiel. Die hatten wir nicht", sagte der Trainer des FC Bayern.
Die Erkenntnis des angefressenen Chefcoachs: "Wenn es dann irgendwie so wirkt, als würden wir einen Dienst abhalten müssen und nicht mehr so richtig die Leidenschaft da ist, dann ist das ein Punkt, an dem wir was verändern müssen, und da sind wir gerade. Es geht um das große Ganze."
Vier Bayern-Spiele in Serie ohne Sieg gab's zuletzt im Oktober 2018
O-Ton Julian Nagelsmann. Ort: Mainz. Zeitpunkt: 30. April 2022. Knapp ein Jahr später, selber Ort, selbes Ergebnis, beinahe dieselbe Mannschaft. Und dieselben – nein – noch größere Probleme. Denn damals waren die Bayern eine Woche zuvor bereits Meister geworden. Diesmal zeigte sich Thomas Tuchel restlos bedient und ratlos. Die Sorgen seines Vorgängers von damals, mit der Schale in der Tasche, hätte der 49-Jährige jetzt gerne.
Vier Pflichtspiele ohne Sieg wie zuletzt im Oktober 2018 lassen den Verein erschüttern, von oben bis unten. Eine Ergebniskrise, eine Tabellenkrise, eine Titelkrise. Die Mannschaft im Tal, die Führung des Vereins in der Kritik, in Person des Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn womöglich kurz vor der Ablösung.
Dem FC Bayern droht eine Spielzeit ohne Titel
Durch das 1:3 in Mainz an diesem Samstag verspielten die Bayern die Tabellenführung, ließen Borussia Dortmund dank des überzeugenden 4:0 gegen Frankfurt vorbei – und auf einen Punkt Abstand wegziehen. Nach zehn Meisterschaften hintereinander droht eine titellose Saison, laut Kahn "für uns alle eine Katastrophe, wenn das eintritt". Sportvorstand Hasan Salihamidzic sprach mit zusammengekniffenen Lippen von einem "Tiefpunkt".
Thomas Tuchel sah blass aus, als er nach Erklärungen suchte und – bemerkenswert offen – kaum welche finden konnte. "Ich weiß es nicht." Oder: "Ich weiß nicht, wieso..." Viele seiner Antworten begannen derart. "Ich weiß nicht, wieso. Die Punkte gehen wie Sand durch die Hände", sagte er an seiner ehemaligen Wirkungsstätte, an der er von zahlreichen Mitarbeitern und den Fans der 05er warmherzig empfangen wurde.
Seine Mannschaft könne sich "nicht mehr auflehnen, wenn Dinge schieflaufen", meinte Tuchel nachdem diese erneut eine Führung und dann den Sieg nach der Pause binnen 14 Minuten aus der Hand gab. 16 Punkte hat Bayern nach Führung diese Saison verspielt – ohne diesen Makel wäre man nun schon fast durch. Das Team sei "komplett auseinandergebrochen", kritisierte Präsident Herbert Hainer sauertöpfisch.
Über Tuchel will Kahn nicht diskutieren
Julian Nagelsmann wurde entlassen, als Bayern noch in allen Wettbewerben war – mittlerweile kann sich der 35-Jährige Visitenkarten drucken lassen: Virtuelles Triple 2023. Tuchel sei "der letzte, über den wir diskutieren müssen", sagte Kahn. Wirklich? Für den ehemaligen Bayern-Trainer Felix Magath mache die Mannschaft einen "führungslosen und disziplinlosen" Eindruck.
Tuchels Bilanz: Exakt so schlecht wie die von Sören Lerby
Die Schlussfolgerung des 69-Jährigen am Sonntag im Sport1-"Doppelpass": "Der Trainerwechsel kam zu spät." Natürlich wird Tuchel geschützt, aber wie lange? Die Schonfrist für die Spieler, das zeigte der Wutausbruch von Kahn in Mainz, ist nun definitiv abgelaufen.

Tuchels Bilanz der ersten sieben Spiele nach seiner Übernahme ist nun exakt so schlecht wie die von Sören Lerby ab Oktober 1991: Zwei Siege, zwei Remis, drei Pleiten. In jenem Herbst wollte Sportdirektor Udo Lattek, die Trainerlegende der Münchner aus den 70er und 80er Jahren, Bayerns ehemaligen Spielmacher Lerby für den 1. FC Köln als Trainer verpflichten.
Manager Uli Hoeneß spritzte dazwischen! Auch wenn Tuchel im Vergleich zu Lerby ein Chefcoach von internationalem Renommee und mit viel mehr Erfahrung ist, sind die Parallelen zu erkennen.