FC Bayern möchte zurück zu den Wurzeln: "Habe es gehasst, wenn sie mit ihrer Mia-san-mia-Attitüde kamen"

Immer wieder kritisieren ehemalige Spieler des FC Bayern, dass dem deutschen Rekordmeister das "Mia san mia"-Gen abhandengekommen sei. Die AZ hat sich auf Spurensuche begeben, wo der Slogan herkommt.
von  Kilian Kreitmair
Strahlt beim FC Bayern an jeder Ecke: Der Slogan "Mia san Mia".
Strahlt beim FC Bayern an jeder Ecke: Der Slogan "Mia san Mia". © IMAGO

München - Das Wunder von München ist vollbracht. Nach knallharten Verhandlungen haben die Bayern-Bosse um Jan-Christian Dreesen Durchhaltevermögen bewiesen und Tottenham-Boss Daniel Levy dazu gebracht, Harry Kane in die bayrische Landeshauptstadt ziehen zu lassen. 

FC Bayern: Kane soll im Sturm wieder für "Mia san mia"-Mentalität sorgen

Direkt nach der Ankunft bekam der Stürmer des FC Bayern sein neues Arbeitsgewand überreicht. Darauf in fetten Lettern: "Mia san mia". Ab sofort gilt es für Kane, diesen Slogan des Klubs zu verkörpern und die Angriffsriege des Rekordmeisters mit seinen Torjägerqualitäten wieder zurück zu alter Stärke zu führen. 

Denn in den vergangenen Monaten kritisierten sowohl die Fans des FC Bayern als auch ehemalige Spieler wie Bastian Schweinsteiger, dass die aktuellen Bayern-Spieler und die Verantwortlichen den Slogan nicht mehr so verkörpern, wie es nötig ist. "Man muss es leben. Man muss nicht darüber sprechen, man muss es leben", sagte der ehemalige Mittelfeldmotor der Münchner. 

Bastian Schweinsteiger vermisst "Mia san mia"-Mentalität beim FC Bayern

Weiter führte Schweinsteiger aus: "Man muss die Werte, die man vertritt, gerade das 'Mia-san-mia'-Gen, aber auch für die Nationalmannschaft, man muss die Tugenden, für die uns viele andere Länder beneidet haben - die muss man ein bisschen nach vorne rücken." Schon zuvor kritisierte Bayern-Ikone Lothar Matthäus, dass er die gewohnte "Mia-san-mia"-Mentalität momentan vermisst. 

Aber woher kommt der unverwechselbare und so einprägsame Slogan des FC Bayern? Welche Bayern-Stars haben diesen noch gelebt? Und muss sich der Verein womöglich einen neuen Slogan ausdenken? Die AZ hat sich auf Spurensuche begeben und darüber mit Markenentwickler Christopher Spall gesprochen.

Seinen Ursprung hat das "Mia san mia" nicht beim deutschen Rekordmeister, sondern in Österreich. Schon zu Zeiten von Kaiser Franz Joseph wurde der Spruch von Soldaten verwendet, um ihrem Überlegenheitsgefühl Ausdruck zu verleihen. Seinen Weg zum deutschen Rekordmeister fand der Slogan erst in den 80ern.

Die damaligen Akteure um Hansi Pflügler, Hansi Dorfner und Ludwig Kögl grölten nach Erfolgen grammatikalisch nicht ganz korrekt: "Mia san mia, mia san mia, mir san stärker wie die Stier." Damit war das "Mia san mia" beim FC Bayern geboren und wurde von Generation zu Generation weitergegeben. 

Von Maier bis Effenberg – diese FC-Bayern-Spieler verkörperten das "Mia san mia"

Als Symbolbilder für den Slogan entwickelten sich in den kommenden Jahren vor allem Oliver Kahn und Stefan Effenberg. Unvergessen bleibt dabei das Champions League Finale 2001 gegen den FC Valencia. In einer legendären Nacht im Mailänder Guiseppe-Meazza-Stadion brachte Effenberg den FC Bayern mit seinem Willenstreffer zum 1:1 zurück ins Spiel – und ins Elfmeterschießen.

Dort avancierte dann das andere bayerische Mentalitätsmonster, Kahn, zum Helden der Münchner. Der "Titan" hielt drei Elfmeter gegen die Spanier und sicherte dem Klub damit zum vierten Mal in der Vereinsgeschichte den Henkelpott.

Hielt im Champions-League-Finale 2001 drei Elfmeter: Oliver Kahn.

Bis das "Mia san mia" aber zum offiziellen Slogan des FC Bayern wurde, dauerte es noch bis ins Jahr 2008. Die Idee dafür kam damals ausgerechnet von Marc Kosicke, dem  Berater von Jürgen Klopp.

Zuvor hatte sich Uli Hoeneß auf einem Flug zu einer FIFA-Veranstaltung bei Kosicke beschwert, dass zahlreiche Neuzugänge gar nicht wissen würden, was es heißt, für den Verein aufzulaufen. Das veranlasste den Berater eine Arbeitsgruppe zu gründen, die sich vom Fanshop-Mitarbeiter bis zum Jugendakademieleiter zusammensetzte. 

Klopp-Berater Kosicke entwickelte "Mia san mia"-Slogan des FC Bayern

Innerhalb von vier Wochen erarbeiteten sie zusammen Werte wie Heimatverbundenheit oder Selbstbewusstsein, für die der Verein bis heute noch steht. Dabei wusste Kosicke schon von Anfang an, dass sich das "Mia san mia" zum neuen Slogan des deutschen Rekordmeisters entwickeln würde.

So sagte der gebürtige Bremer später in einem Interview mit dem "Kicker": "Der Name stand von Anfang an fest, weil ich es als kleiner Junge gehasst habe, wenn die Bayern mit ihrer 'Mia san mia'-Attitüde kamen und in der 90. Minute noch gewonnen haben." 

Entwickelte 2008 den "Mia-san-Mia"-Slogan des FC Bayern: Marc Kosicke.

Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge waren von dem Slogan begeistert. Fortan verkörperte der FC Bayern das "Mia san mia" und selbst Trainergrößen wie Louis van Gaal verinnerlichten das Motto des Vereins. Doch Jahre später scheint es, als würde der Slogan immer mehr ins Rosten kommen und vornehmlich Kritik ernten. 

Markenexperte Spall über "Mia san mia"-Slogan: "Bedeutet Überheblichkeit und Intoleranz"

"Die Diskussion um das 'Mia san mia' ist eigentlich eine Diskussion um die FCB-DNA als Ganzes und die Frage, ob der FC Bayern seinen Kern verloren hat", sagt Christopher Spall der AZ dazu. Der renommierte Markenexperte ist der Meinung, dass der Inhalt, den der FC Bayern mit dem Slogan transportiert, schlicht nicht mehr zeitgemäß ist. 

 "'Mia san mia' bedeutet auch Überheblichkeit und Intoleranz. Ich glaube, dass es sich keine Marke der Welt heute noch erlauben kann, Ignoranz zu kommunizieren und sich für etwas Besseres zu halten. Es kommt heute darauf an, auf Augenhöhe zu kommunizieren und die Leute mitzunehmen", erklärt der Geschäftsführer der Markenidentitäts-Beratung Spall. 

Sieht den "Mia san mia"-Slogan des FC Bayern kritisch: Medienexperte Christopher Spall.

Verein sollte Bayern-DNA zu neuem Leitspruch verdichten

Weiter führt Spall aus: "Was der Leitspruch vermitteln sollte, ist nicht Überheblichkeit oder Intoleranz, sondern das, was den FC Bayern immer im Kern ausgemacht hat." Zu diesem Kern gehört für den Markenexperten neben den familiären Werten, die der jetzige Ehrenpräsident Uli Hoeneß in seiner Zeit als Manager und Präsident geprägt hat: Leistung vor allem auch in Drucksituationen zu bringen und die Überzeugungskraft bei Rückschlägen nicht zu verlieren.

"Das sind die Eckpfeiler der Bayern-DNA. Mit dieser Vereins-DNA sollte sich jeder Spieler und jeder Fan eigentlich identifizieren", so Spall. "Ich schlage dem FC Bayern vor, diesen Kern in einem Leitspruch zu verdichten und glaube, das wäre eine stärkere Identifikationsplattform als das 'Mia san mia'." 

Bastian Schweinsteiger gewann 2013 mit dem FC Bayern die Champions League.

FC Bayern sollte die Kernwerte im Alltag mehr unter Beweis stellen

Noch viel wichtiger ist es aber laut dem Kommunikationsfachmann – und da stimmt er Schweinsteiger zu –, dass die Kernwerte, die den FC Bayern zu einem unverwechselbaren Verein gemacht haben, wieder im Alltag gelebt und unter Beweis gestellt werden. 

Das ist sicher eine der Aufgaben, welche die Bosse um den Vorstandsvorsitzenden Jan-Christian Dreesen angehen müssen/sollen. Ob es ihnen gelingt, dass "Mia san mia" mit (neuem) Leben zu füllen - und dann das Motto vielleicht noch durch etwas zu ersetzen, was zeitgemäßer ist? 

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