Die Landkundschaft gibt den Bayern Kontra

Die Kicker aus dem 3300-Einwohner-Dörfchen Hoffenheim dominieren die Liga und machen kecke Sprüche. Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge spürt „Respekt“ - Kapitän Mark van Bommel sagt über den Emporkömmling: "Meister werden wir!"
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Die Hoffenheimer Obasi (vorne) und Salihovic bejubeln den Sieg und die Tabellnführung.
dpa Die Hoffenheimer Obasi (vorne) und Salihovic bejubeln den Sieg und die Tabellnführung.

Die Kicker aus dem 3300-Einwohner-Dörfchen Hoffenheim dominieren die Liga und machen kecke Sprüche. Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge spürt „Respekt“ - Kapitän Mark van Bommel sagt über den Emporkömmling: "Meister werden wir!"

Der direkte Vergleich findet erst am 5. Dezember statt. Doch die Liga steuert auf ein Titel-Duell FC Bayern gegen Hoffenheim zu. „Dieses Team ist eine wunderbare Überraschung“, sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, „Respekt ist angesagt, den haben sie sich erspielt.“ Schon nervös? Rummenigge: „Nein, wir zittern nicht.“

Beängstigend souverän war das 3:0 des Aufsteigers gegen den HSV. 1899 zeigte verwirrend schnellen Kombinations-Fußball und legte den besten Start eines Aufsteigers seit zehn Jahren hin. Seit zehn Jahren? Genau, da wurde Kaiserslautern als Aufsteiger Meister.

Hoffenheim ist die Mannschaft der Liga. Klar ist Klinsmanns Fußball, den die Bayern spielen, spektakulär – doch das Rangnick-Projekt, die Landkundschaft aus Hoffenheim (einem Stadtteil von Sinsheim mit 3300 Einwohnern) muckt auf. Nicht nur auf dem Platz durch die Klassekicker Demba Ba, Luiz Gustavo, Eduardo, Salihovic und Top-Torjäger Ibisevic. Allesamt No-Names wie ihr Manager, Jan Schindelmeiser.

Keck und wortgewandt gab er in einer Live-Schalte von „Premiere“ Rummenigge Kontra. Der hatte auf die Frage „Was kann Bayern von Hoffenheim lernen?“ geantwortet: „Dass man mit viel Geld in relativ schneller Zeit eine gute Mannschaft auf die Beine stellen kann.“ Die ewige Dietmar-Hopp-Nummer, die Anspielung auf den Mäzen des Vereins. „Kurzfristig war das nicht unser Ziel“, entgegnete Schindelmeiser, „wir wollen uns kontinuierlich entwickeln, setzen auf unser Scouting und unsere Jugend.“ Sein Fazit: „Wir haben noch Luft nach oben.“ Und das als Tabellenführer. „Ein sehr guter Dorfklub“, konterte Mark van Bommel und stellte klar: „Meister werden wir.“

Die AZ machte den Vergleich: Ist der Spitzenreiter aus Hoffenheim schon besser als die Bayern?

Die Manager: Jan Schindelmeiser und Uli Hoeneß

Wer ist TSG-Manager Schindelmeiser? Der 44-Jährige absolvierte ca. 250 Spiele in der damaligen Amateur-Oberliga (3. Liga). Erwarb die Trainer A- und B-Lizenz des DFB, studierte an der Universität Göttingen Sport, Publizistik, Politik und BWL mit dem Schwerpunkt Sportmanagement, arbeitete als Manager für Braunschweig, TeBe Berlin und Augsburg, begann 2007 bei Hoffenheim. Schindelmeiser, der als geradlinig, ruhig und zielstrebig gilt: „Herr Hopp lässt uns freie Hand und vertraut uns voll, was mit einem hohen Grad an Verantwortung einhergeht.

Die Trainer: Ralf Rangnick und Jürgen Klinsmann

Warum er denn schlechte Laune habe, wurde Rangnick nach dem 3:0 gegen den HSV gefragt. Seine Antwort: „Soll ich auf den Tischen tanzen? Ich weiß, dass gerade jetzt die Gefahr besteht, Fehler zu machen.“ Auch das Spiel brachte er gewohnt nüchtern-analytisch auf den Punkt. „Die Mannschaft hat 1:1 so gespielt, wie ich es von ihr verlangt habe.“ Rangnick (50) ist seit Juni 2006 in Hoffenheim, stieg von der Regionalliga bis in die Bundesliga auf – wie zuvor schon mit dem SSV Ulm. Er wurde 2005 mit Schalke Vizemeister und stand im Pokalfinale. Sieht seine Arbeit als Projekt, der Spitzname „Fußballprofessor“ passt, auch wenn er sich dagegen wehrt.

Die Kunstschützen: Sead Salihovic und Franck Ribéry

Sead Salihovic (24) ist einer der Freistoßspezialisten der Liga. Und mächtig selbstbewusst: „Schafft der Ball es über die Mauer, ist es zu 98 Prozent ein Tor.“ Schon vier Treffer erzielte der Linksfuß in dieser Saison. Bei Hertha BSC schaffte er es nicht, weil er damals zu sehr das Leben genoss („Ich nahm Fußball nicht ernst“) und Gewichtsprobleme hatte. 2006 dann der Wechsel nach Hoffenheim, mittlerweile ist er bosnischer Nationalspieler. Als er sieben Jahre alt war, flohen seine Eltern wegen des Krieges aus Serbien über Slowenien und Österreich nach Berlin. Salihovic: „Wir kommen aus armen Verhältnissen, so etwas darf man nie vergessen.“ Eine Parallele zu Ribéry.

Die Torjäger: Vedad Ibisevic und Miroslav Klose

Vedad Ibisevic, geboren im nordbosnischen Vlasenica, hat mit seiner Familie eine richtige Odyssee hinter sich. Im Jahr 2000, als Ibisevic 16 war, übersiedelten seine Eltern in die Schweiz, später nach St. Louis/USA. Michel Platini entdeckte ihn bei einem Länderspiel der bosnischen Juniorennationalmannschaft, vermittelte ihn zu Paris St. Germain, später wechselte er zu Dijon. In der Saison 2006/07 hatte er eine eher schlechte Saison in Aachen, Rangnick lockte ihn zu Hoffenheim. Sein entscheidender Wechsel: Ibisevic ist mit zehn Treffern der Top-Torjäger der Liga (Klose hat zwei Mal getroffen), längst wird er von Scouts aus England beobachtet.

Die Strafraumschränke: Demba Ba und Luca Toni

Für 2,75 Millionen Euro kam Demba Ba im Sommer 2007 vom belgischen Erstligisten Excelsior Mouscron. Ein Jahr hatte er wegen eines Schien- und Wadenbeinbruchs pausiert, die Beule ist noch heute auf seinem rechten Schienbein zu sehen. „Es macht keinen Spaß, im Moment gegen ihn zu spielen“, vermutet Trainer Rangnick. Durch seine Größe (1,90

m) und Wucht (84 kg) ist Ba eine kaum auszuschaltende Anspielstation – und derzeit durchsetzungsstärker und cleverer (fünf Saisontreffer) als Bayerns Luca Toni (94 kg bei 1,96 m/drei Tore). Ba, mittlerweile senegalesischer Nationalspieler, sagt: „Ich will der beste Stürmer der Liga werden und einer der besten der Welt."

P. Strasser

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