Deutsche Sturmflaute - was für ein Comeback von Thomas Müller beim DFB spricht

München - Niklas Süle ist ein spannender Gesprächspartner - weil er geradeaus sagt, was er denkt und dabei mit seinen Bezeichnungen oft ins Schwarze trifft.
Sonst erfolgreiche Sturmreihe der DFB-Elf schwächelt
Über Serge Gnabry, Leroy Sané und Timo Werner, die Sturmreihe der deutschen Nationalmannschaft, sagte Süle einmal: "Das sind schon kleine Mopeds." Und wenn man das dynamische Trio im Winter 2018 so über den Rasen flitzen sah, unaufhaltsam und furchtbar torgefährlich, hätte es kaum einen besseren Begriff geben können. Meeeeeeep, meeeeeep! Die Mopeds kommen!
Gut zwei Jahre später, im Dezember 2020 tuckern die deutschen Mopeds seit einigen Monaten nur noch vor sich hin. Bayerns Gnabry, vergangene Saison herausragend und einer der wichtigsten Akteure auf dem Weg zum Triple, blieb zuletzt sieben Spiele in Folge ohne Torbeteiligung in der Bundesliga. In allen Wettbewerben stehen für ihn in dieser Spielzeit bei 19 Einsätzen vier Tore und zwei Assists in der Bilanz. Das ist nicht der Gnabry aus der Vorsaison.
Sané muss jetzt liefern, fordert Rummenigge
Bei Sané läuft es ähnlich durchwachsen. 16 Spiele, fünf Tore, drei Assists. Okay, aber nicht mehr. Zwar muss man beim Star-Neuzugang berücksichtigen, dass er seit Sommer 2019 von Verletzungen gebremst wurde, doch der FC Bayern er wartet deutlich mehr von ihm. Karl-Heinz Rummenigge etwa, der Münchner Vorstandschef, vermisst bei Sané noch das "Bayern-Gen", wie er sagte: "Wir haben alles in die Waagschale geworfen, damit er zu Bayern kommt. Das muss er jetzt zeigen!" Bei den Münchnern - und im Nationalteam.
Gleiches gilt für Werner, der sich vor der Saison dem FC Chelsea anschloss. Acht Tore und sechs Vorlagen gelangen dem Neuzugang in 21 Partien, seit dem 7. November hat er nun aber schon nicht mehr getroffen. "Er macht den Gegnern Angst und stellt sie vor Probleme", sagte Chelsea-Trainer Frank Lampard zwar über Werner - doch nach der 1:3-Niederlage am zweiten Weihnachtsfeiertag im Derby gegen den FC Arsenal hörte sich das schon anders an. "Heute hat uns Timo mit und ohne Ball nicht genug gegeben", sagte Lampard der BBC.
Keiner von Jogi Löws fünf Angreifern in Topform
So richtig überzeugt ist man auf der Insel also noch nicht vom deutschen Sturm-Import. Diese Zwischenbilanz könnte man eins zu eins auch auf den zweiten Top-Neuzugang übertragen: Kai Havertz. Der Mittelfeldkünstler findet sich bei Chelsea öfter mal auf der Ersatzbank wieder. Seine Ausbeute: 18 Spiele, vier Tore vier Assists. Auch gegen Arsenal wurde er spät erst eingewechselt. Da ist viel Luft nach oben.

Wenn man nun bedenkt, dass Dortmunds Marco Reus (21 Einsätze, vier Tore, zwei Vorlagen) ebenfalls nach seiner Topform fahndet, müsste diese Situation Bundestrainer Joachim Löw schon ein wenig bedenklich stimmen. Denn keiner seiner fünf besten Angreifer spielt derzeit auf höchstem Niveau. Und im Sommer 2021 steht immerhin die Europameisterschaft an.
Ist Thomas Müller die Lösung für die Nationalmannschaft?
Die Lösung? Vielleicht heißt sie doch Thomas Müller. "Ich bin überzeugt, dass er bei den Diskussionen, die wir da derzeit haben, sicherlich einer derjenigen sein wird, auf die Jogi Löw im Frühjahr nicht verzichten wird", sagte Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß über Müller, der wie Mats Hummels und Jérôme Boatengim Frühjahr 2019 aussortiert wurde. "Im Moment sehe ich keine Veranlassung, aber ich bin der Allererste, der im Sinne des Erfolgs und der deutschen Nationalmannschaft alles Erdenkliche tut, was möglich ist", erklärte Löw kürzlich über das Trio und ergänzte, nicht nur nach sportlichen, sondern auch mannschaftsdienlichen Kriterien zu entscheiden.
Beide Kriterien würden klar für eine Rückholaktion Müllers sprechen. Der spielt bei Bayern famos auf - als Torschütze, Vorbereiter und verlängerter Arm des Trainers Hansi Flick auf dem Platz. In 22 Partien dieser Saison war Müller neun Mal selbst erfolgreich, zehn Treffer bereitete er vor. Das ist im Vergleich zu den anderen genannten Offensivkräften des DFB-Teams der Spitzenwert. Doch Löw zögert. Der Bundestrainer verweist stets auf die Notwenigkeit eines Umbruchs - dabei gehört zum Beispiel Reus dem gleichen Jahrgang an wie Müller (1989). Nur spielt der Dortmunder eben schwächer. Ende März stehen die ersten Länderspiele im Jahr 2021 an. Dann wird sich zeigen, ob Löw wieder auf Müller vertraut.
Um es mit Süle zu sagen: Bayern-Star Müller ist seit Monaten das deutsche Moped, das am verlässlichsten und schnellsten über die Fußballplätze saust.