Almabtrieb statt Klettertour? - Van Gaals Kabinen-Donner
MÖNCHENGLADBACH - Der Zornes-Donner von Louis van Gaal hallte tief durch die Katakomben des Borussia-Parks. Minutenlang schrie und polterte der Bayern-Trainer nach dem 3:3 in Gladbach. Doch die Spieler zeigten Verständnis für die deutlichen Worte.
Der Holländer war erbost darüber, dass sein Team beim spektakulären 3:3 (2:1) bei Borussia Mönchengladbach den Sieg fahrlässig vergeben hatte und somit die vom Vorstand angekündigte „Klettertour“ in der Fußball-Bundesliga ausblieb. „Ich war ein bisschen böse auf meine Spieler“, meinte der Coach, dem in der Meisterschaft bei acht Punkten Rückstand auf einen direkten Champions-League-Platz allmählich die Felle davon schwimmen.
Während van Gaal seiner Wut freien Lauf ließ, saßen die Gladbacher Profis nur wenige Meter entfernt enttäuscht in der Kabine. „Das ist ein gutes Zeichen, wenn die Spieler nach einem Unentschieden gegen Bayern sauer sind“, befand Gladbachs Trainer Michael Frontzeck, der sich auch nach dem neunten sieglosen Spiel in Serie zuversichtlich zeigte und weiterhin das Vertrauen im Umfeld genießt. Seine Mannschaft habe eine fantastische Reaktion gezeigt und tolle Moral bewiesen. „Wir sind auf einem guten Weg, auch wenn die Tabelle das nicht hergibt“, meinte der Trainer des Tabellenletzten.
In der verrückten Partie, die in der 5. Minute mit einem spektakulären Schuss von der Seitenauslinie durch Patrick Herrmanns 1:0 für die Gastgeber eröffnet wurde, hätten die Bayern schon zur Pause klar in Führung liegen müssen. Zwei Treffer von Mario Gomez (11.) und Bastian Schweinsteiger (40.) plus zwei Lattentreffer von Schweinsteiger und Kroos sowie ein an den Pfosten gesetzter Foulelfmeter ebenfalls von Schweinsteiger dokumentieren die Münchener Überlegenheit. Van Gaal sprach von der besten ersten Halbzeit der Saison. Borussen-Profi Tobias Levels sagte es noch deutlicher. „Da haben wir uns in die Hosen geschissen“.
Marco Reus und Vier-Millionen-Einkauf Igor de Camargo mit seinem ersten Bundesligatreffer brachten die Gastgeber innerhalb von zehn Minuten nach der Pause 3:2 in Front, ehe Philipp Lahm in der Schlussphase den Bayern wenigstens noch das Remis rettete.
„Das fühlt sich an wie eine Niederlage“, befand Karlheinz Rummenigge. Dennoch gab sich der Vorstandschef kämpferisch. „Wir müssen versuchen, uns in den nächsten Wochen nach oben zu hangeln. Es sollte sich keiner da oben zu sicher fühlen“. Präsident Uli Hoeneß schlich drei Tage nach dem Friedensgipfel mit van Gaal wortlos aus dem Stadion.
Die Bayern-Profis hatten Verständnis für den Wutausbruch des Trainers. „In unserer Situation ist das Remis dramatisch“, sagte Thomas Müller. „Vor allem, wenn man sieht wie leicht der Sieg möglich gewesen wäre.“ Auch Remis-Retter Lahm wusste um die Bedeutung des vergebenen Erfolges. „Der Trainer ist zu Recht laut geworden. Wir sind in einer Lage, in der man eigentlich keine Punkte liegen lassen darf“, meinte der Nationalspieler. „Die Moral ist da, der Punkt ist mehr als verdient, aber letztendlich ist es zum Kotzen“, sagte Gomez, der immerhin seinen neunten Treffer im siebten Pflichtspiel nacheinander erzielte.
Dem unter Druck geratenen Bayern-Trainer fehlen allmählich die Siege in der Liga – nur zwei aus den letzten sechs Spielen. Erfolge waren bislang die besten Argumente von van Gaal. „Die Meisterschaft wird im Mai und nicht im November entschieden“, betonte der Holländer.
Doch wenn die Klettertour in der Liga nicht bald in Angriff genommen wird, droht dem Rekordmeister der Almabtrieb. Oder wie es Franz Beckenbauer im ZDF-Sportstudio ausdrückte: „Dann wird halt mal ein anderer Meister.“ (dpa)