Wenn die eigene Basis zur Gefahr wird

In der Partei kommt das Personalkarussell in Fahrt: Staatskanzlei-Chef Siegfried Schneider braucht einen Nachfolger. Erstmals könnten dabei die Mitglieder mitreden – ein Risiko für Seehofer. Die AZ hat die möglichen Kandiaten für den Posten.
von  Abendzeitung
Staatskanzlei-Chef Siegfried Schneider braucht einen Nachfolger.
Staatskanzlei-Chef Siegfried Schneider braucht einen Nachfolger. © dpa

MÜNCHEN - In der Partei kommt das Personalkarussell in Fahrt: Staatskanzlei-Chef Siegfried Schneider braucht einen Nachfolger. Erstmals könnten dabei die Mitglieder mitreden – ein Risiko für Seehofer. Die AZ hat die möglichen Kandiaten für den Posten.

Es sah nach einem genialen Schachzug aus: Staatskanzlei-Chef Siegfried Schneider (54) übernimmt die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM). Er macht seinen Landtagssessel für Finanzminister Georg Fahrenschon (42) frei, der den Einzug ins Parlament knapp verfehlt hatte. Räumt für ihn seinen mächtigen Posten als Chef der Oberbayern-CSU, damit der Kronprinz alle Weihen als Seehofer-Nachfolger hat. Ein neuer Chef für die Staatskanzlei lässt sich auch noch finden.

Doch nun droht die so perfekte Lösung zur Nagelprobe für die CSU zu werden: Die will künftig eine Mitmachpartei sein. Und eine Frauen-Quote hat sie auch beschlossen. Wie ernst diese Vorsätze sind, kann Parteichef Horst Seehofer jetzt gleich mal beweisen – vor allem, wenn es um den Chefsessel in Oberbayern geht. Mit seinen 44000 CSU-Mitgliedern in 22 Kreis- und 529 Ortsverbänden ist das mit Abstand der größte aller zehn Bezirksverbände. Bis auf einen werden sie alle von Männern geführt.

Die erste Gelegenheit für die CSU, sich als „Mitmachpartei“ zu präsentieren. So wie es ihr die große Schwester CDU in NRW bereits vorgemacht hat. Dort durfte nicht mehr ein Parteitag, sondern die ganze Basis beim Kampf um den Chefsessel entscheiden. Die zog den Außenseiter Bundesumwelt-Minister Norbert Röttgen den von der Funktionärskaste bereits gesetzten Armin Laschet vor.

Ein riskanter Plan für Georg Fahrenschon, der vor allem auf alte Seilschaften aus der Jungen Union setzt. Denn damit wäre in Oberbayern wieder alles offen – Fahrenschon aber nicht mehr der Favorit. Als Finanzminister ist er überall höchst anerkannt, als Oberbayern-Chef allerdings vielen zu farblos. Ihm werden ausgezeichnete Vermittlerfähigkeiten nachgesagt. Aber an Führungskraft, die er als Bezirksvorsitzender brauche, fehle es ihm. Sein größtes Manko: Als Finanzminister hat er die Landesbank als Ballast.

Als Favoritin bei der Basis gilt Bundesagrarministerin Ilse Aigner (45). Sie ist in der CSU fest verankert, kommt bei den Bauern im Oberland an. Kann’s gut mit den Leuten. Spielt an den Stammtischen Schafkopf. Ist in den Vereinen bestens vernetzt. Sieht sich aber mehr in Berlin als in Oberbayern und zögert noch.

Als Außenseiterin könnte Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (48) ins Rennen gehen. Sie steht für die moderne CSU, ist aber Quereinsteigerin. Beides ist ihr Manko. In der CSU ist sie noch nicht akklimatisiert, für die im Oberland zu modern, heißt es. Beim schwarzen Establishment hat die intelligente und durchsetzungsfähige Ingolstädterin keine Unterstützer. Die Männer fürchten sie, die Frauen neiden ihr den Erfolg. In den Bierzelten aber kommt sie an.

Ein Kinderspiel dagegen ist die Neubesetzung der Staatskanzlei. Dort ist Ministerpräsident Seehofer Alleinherrscher, der seine Regierungsmannschaft berufen und feuern kann, wie es ihm beliebt. Einziges Problem: Unter seinen elf Ministern sind nur drei Frauen. Mit Angelika Niebler (47), der einflussreichen Vorsitzenden der Frauen-Union und EU-Abgeordneten, könnte er eine Staatskanzlei-Chefin installieren. Die Juristin aus Vaterstetten wäre die Idealbesetzung. Gute Chancen zum Aufstieg hat aber auch Schul-Staatssekretär Marcel Huber (52). Der Tierarzt aus Mühldorf am Inn gilt als großer Mediator.

Vorausgesetzt Schneider wird BLM-Chef. Ein Restrisiko besteht. FDP, SPD und Grüne sind gegen den CSU-Mann und wollen dem 47-köpfigen Medienrat einen Gegenkandidaten vorschlagen. „Wenn sie einen finden, der parteilos, bayerisch und kompetent ist, wird’s eng“, fürchtet man in der CSU. Dann bliebe halt alles beim Alten. Angela Böhm

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