Welche Religion? Der gläserne Schüler ist beschlossen

Die Staatsregierung will am Mittwoch umfassende Datenbanken zur Erfassung von Schülern beschließen. Auch Lehrer kommen unter die Lupe. Mit dem Stimmen der FDP wird ein altes CSU-Projekt wiederbelebt
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Tanz, Fremdsprachen, Literatur: VHS- Programm für das nächste Semester ist da
dpa Tanz, Fremdsprachen, Literatur: VHS- Programm für das nächste Semester ist da

Die Staatsregierung will am Mittwoch umfassende Datenbanken zur Erfassung von Schülern beschließen. Auch Lehrer kommen unter die Lupe. Mit dem Stimmen der FDP wird ein altes CSU-Projekt wiederbelebt

Für Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer war es „Pipifax“: Im Koalitionsvertrag hatten CSU und FDP auch den gläsernen Schüler beerdigt. Der hatte der CSU, die bis dahin Bayern alleine regierte, erheblichen Ärger gebracht. Alle Schülerdaten sollten erfasst werden: Leistungen, Religion, Erziehungsberechtigte, sogar der Migrationshintergrund. Ein Orwellscher Überwachungsstaat. Den bekommen Bayerns Schulen jetzt doch. Heute soll der gläserne Schüler im Landtag beschlossen werden.

Die amtliche Schülerdatenbank kann dann im Juni in Kraft treten. Ausgerechnet die Liberalen, die sonst so gegen den Überwachungsstaat ankämpfen, hauchen dem Schreckgespenst nun Leben ein. Bis zum neuen Schuljahr sollen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden, damit Schüler und Lehrer völlig transparent werden.

Im Vergleich zur alten CSU-Fassung wurden im Gesetzentwurf Details geändert und der Datenschutz verschärft – aber die Erfassung zahlreicher persönlicher Daten bleibt. Künftig wird unter anderem gespeichert

wie oft ein Schüler wiederholt, wo seine Lernschwächen sind,

welcher Religion er angehört,

welche Sprache er daheim spricht,

was seine Muttersprache ist.
Sogar „frühere Erziehungsberechtigte“ werden erfasst.

Die Lehrer bleiben nicht verschont. Auch von ihnen werden Informationen gesammelt wie zum Beispiel über Beurlaubung, längerfristige Abwesenheit, außerschulische Abordnung, Reduktionen wegen Behinderung oder Alter und Lernbefähigung.

Beim Wechsel von Schülern und Lehrern an eine andere Schule sollen die Daten abgerufen werden können. Sie werden jeweils sechs Jahre lang gespeichert. Dagegen laufen Opposition, Eltern- und Lehrerverbände Sturm. Sie fürchten unter anderem, dass auch Arbeitgeber an die Schüler-Daten kommen könnten.

„Wir sind nicht umgefallen“, weist die bildungspolitische Sprecherin der FDP, Renate Will, Kritik zurück und verteidigt das Gesetz. „Es gibt in Bayern keinen gläsernen Schüler, sondern künftig ein gläsernes Gesetz. Wir machen alles transparent.“ Sogar der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri sei in die Gesetzgebung einbezogen worden. Ein Novum. Kultusminister Ludwig Spaenle: „Das ist einmalig in Deutschland.“ Damit habe Bayern „ein bundesweit einmaliges Niveau an Datenschutz“.

Die Schüler- und Lehrerdaten werden nun teils pseudonymisiert und anonymisiert. Sie laufen nicht mehr im Kultusministerium zusammen, sondern im Landesamt für Statistik. An den Schulen aber ist der personalisierte Zugriff auf die hoch sensiblen Informationen noch möglich. Da will die FDP nachbessern:„Datenabrufe sind zu protokollieren.“

Die Datenbank wird zu Verbesserung der Schulplanung gebraucht. So argumentiert die Staatsregierung. Renate Will: „Dazu stehe ich. Um die Schulverwaltung effizienter zu gestalten und Bildungsabläufe besser nachvollziehen zu können braucht man natürlich Daten. Wir können so Trends verfolgen, sie aber nie auf einzelne Personen zurückführen.“

Opposition, Eltern und Lehrer allerdings bezweifeln den Sinn. Florian Ritter (SPD): „ Anstatt die Förderung von Schülern und Schülerinnen an den bayerischen Schulen zu verbessern, werden Daten über die Notwendigkeit der Förderung erhoben. Das macht nichts besser.“ Christine Kamm (Grüne): „Bayern braucht eine gute Bildungspolitik und keinen gläsernen Schüler.“

Einen Protest im Internet hat die Elternbeiratsvorsitzende vom Münchner Karlsgymnasium, Doreen Huppert, organisiert: „Die heutzutage offen liegenden und bekannten Defizite des Schulwesens werden auch mit einer weitreichenden Datenverarbeitung nicht gelöst werden können, sondern nur durch die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel.“ Widerstand kündigt die bayerische LandesschülerInnenvereinigung an. Ihr Vorstand Markus Durst: „Es ist nicht in Ordnung, dass über Schüler Daten erhoben werden.“

Angela Böhm

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