"Speichellecker" - SPD-Landrat lästert über Genossen
München - Es ist genau ein Jahr her, da eroberte der Nachwuchsstar der SPD eine tiefschwarze Bastion in Niederbayern, jubelte über die „Aufbruchstimmung“ im ganzen Land und dass es im Herbst 2013 eine Mehrheit „jenseits der CSU“ geben werden. Inzwischen aber scheint die Euphorie des Regener Landrats Michael Adam verflogen. In einem Zornausbruch via Facebook wettert er gegen Bayern-SPD-Chef Florian Pronold und die gesamte Parteispitze: „Christian Ude tut mir leid. Mit diesem Ballast gewinnt er die Wahl nie.“
Landrat Liebling, wie Adam genannt wird, muss Sonntagmittag eine saubere Wut im Bauch gehabt haben. Die SPD-Spitze mit Florian Pronold beschimpft er als „Führungsregime“, das andere möglichst klein halte, „um nicht zu offensichtlich werden zu lassen, dass man selbst bei den Menschen überhaupt nicht ankommt“. Grundsätzlich seien in der Parteizentrale am Oberanger nur Ja-Sager und Speichellecker erwünscht, um die traurige Realität nicht an sich heranlassen zu müssen, schreibt er in seinem Facebook-Eintrag. Vor allem aber ätzt er gegen SPD-Chef Pronold: „Noch heute habe ich Gänsehaut am ganzen Körper, wenn er mich anruft. Die Menschen bei denen es mir so geht, kann ich an einer Hand abzählen.“ Das versetzt die SPD in Schockzustand.
Gerade war alles so schön für die Genossen gelaufen, wo sich in der Regierungskoalition CSU und FDP wegen der Studiengebühren zerfleischen. Ausgerechnet da bricht in den eigenen Reihen ein brutaler Streit aus. Pronold war gestern tief getroffen und ratlos: „Ich bin völlig überrascht und will erst das Gespräch mit ihm suchen“, sagte er zur AZ. SPD-Herausforderer Christian Ude sucht nach Erklärungen. Beim Parteitag der Niederbayern-SPD in Plattling hatte Adam am Samstag mit seinen Getreuen eine herbe Niederlage einstecken müssen. Bei der Listen-Reihung der Kandidaten für den Bundestag war es zum Showdown zwischen seiner Favoritin und der von Pronold gekommen. Die Studienrätin Rita Hagl siegte in einer Kampfabstimmung gegen die Politik-Studentin und Vize-Jusochefin Johanna Ueckermann.
Adam hatte wegen Krankheit an dem Parteitag nicht teilnehmen können. „Ich bedauere echt, dass ich gestern nicht da sein konnte“, schreibt er in Facebook. „Zu gerne hätte ich zu der ein oder anderen Mauschelei etwas gesagt!“ Nun sagt er nichts mehr. Noch am Sonntagnachmittag löschte er seinen Facebook-Eintrag wieder. „Im Internet gibt’s keinen Radiergummi“, stellt Christian Ude fest. Das gebe der Sache eine „unangemessene Aufmerksamkeit“. „Früher hat man beim Verlassen der Wirtschaft die Tür zugeschlagen“, so Ude, „und gerufen: ,Ihr Saubande.’ Dann war’s vorbei.“ Ein Interneteintrag aber bleibt. Adam sei „offensichtlich wahnsinnig sauer“ gewesen, dass sein Vorschlag auf der Parteikonferenz nicht durchgegangen sei.
Ude versucht nun zu vermitteln. Er lasse sich durch diese „Irritationen“ nicht von seinem Urteil abbringen: „Michael Adam ist eines der großen Nachwuchstalente der SPD. Auch wenn er zu Zornesausbrüchen in der Lage ist.“ Aber auch Florian Pronold bekommt von Ude ein dickes Lob: „Er ist der Parteivorsitzende der bayerische SPD unheimlich modernisiert und auf Trab gebracht hat.“ Bisher hatte Adam die Genossen nach seinen überraschenden Siegen als Bürgermeister von Bodenmais und Landrat von Regen nur verzückt