Renten-Irrsinn: 40 Jahre gearbeitet, 708 Euro Rente
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen entdeckt die künftige Altersarmut – so will sie die von ihr geplante Zuschussrente doch noch durchsetzen. Widerstand in der Union – Kuhhandel mit der FDP?
München - Beschlossen wurden sie schon vor Jahren – jetzt ärgert sich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) über die Härten der Rentenreformen, die die Bezüge alter Menschen empfindlich schmälern.
Die Einschnitte wurden schon unter dem früheren SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder verabschiedet. Nach und nach sinkt das Rentenniveau bis 2030 auf 43 Prozent des Lohns abzüglich der Sozialbeiträge, den der betreffende Arbeitnehmer im Lauf seines Berufslebens erzielt hat. Weil es die meisten Menschen nicht schaffen, bis zur regulären Altersgrenze – künftig 67 Jahre – im Job zu bleiben, kommen für sie weitere Kürzungen dazu.
Die Riester-Rente soll die entstehenden Einkommenslücken ausgleichen – so sah es Schröders Reform vor. Allerdings sind die Zahlungen aus den Vorsorgeverträgen nicht üppig genug, um ein auskömmliches Einkommen im Alter zu garantieren. Und viele Beschäftigte schaffen es nicht, genügend Geld auf die Seite zu legen.
Wie wirken sich die Kürzungen in Euro und Cent aus?
Von der Leyens Ministerium hat noch mal nachgerechnet. Das Ergebnis: Ab 2030 bleibt selbst Arbeitnehmern, die 2500 Euro brutto im Monat verdienen und 35 Jahre Vollzeit gearbeitet haben, nur eine Rente in Höhe von 688 Euro. Wer zu wenig Geld zur Verfügung hat, kann im Alter Grundsicherung (in München: 393 Euro monatlich plus Warmmiete) beantragen. Dafür muss er seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse offenlegen – oder er gibt sich mit Einkünften unterhalb der Grundsicherung zufrieden.
Auch Menschen, die früh ins Berufsleben einsteigen und lange durchhalten, stehen nicht viel besser da. Bei 40 Jahren Beitragszahlung muss der Arbeitnehmer konstant mindestens 2200 Euro brutto im Monat verdienen, um auf einen Rentenanspruch etwa in Höhe der Grundsicherung zu kommen.
Was will die Ministerin?
In einem Brief an die Junge Gruppe der Unionsfraktion sieht sie „die Legitimität des Rentensystems für die junge Generation“ in Gefahr. Von der Leyen fordert deswegen eine Zuschussrente. Jeder, der mindestens 35 Jahre lang eingezahlt hat, solle mindestens 850 Euro im Monat bekommen. Wie dies finanziert werden soll, sagt von der Leyen nicht. Gerade hat das Bundeskabinett beschlossen, dass der Rentenbeitrag ab Januar von 19,6 Prozent auf voraussichtlich 19 Prozent sinken wird.
Wie realistisch sind ihre Pläne?
Die Jung-Konservativen sind, wie fast alle Unions-Minister, dagegen. Der größte Widerstand kommt von den Liberalen. Am Wochenende sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle, die Rentenversicherung sei „keine Sparkasse“. Für eine Zuschussrente gebe es „keine Vereinbarung im Koalitionsvertrag“. Es deutet sich allerdings ein Kuhhandel an: Die FDP kann ihre Forderung nach der Abschaffung der Praxisgebühr durchsetzen, dafür tritt 2013 die Zuschussrente der Sozialministerin in Kraft.