Polen plant ab Montag Kontrollen an Grenze zu Deutschland
Als Reaktion auf deutsche Grenzkontrollen wird Polen vorübergehend eigene Kontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Eine entsprechende Anordnung des Innenministeriums trete ab kommendem Montag in Kraft, sagte Regierungschef Donald Tusk bei einer Kabinettssitzung in Warschau. Auch an der Grenze zum östlichen Nachbarn Litauen soll künftig kontrolliert werden.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) verteidigte die deutschen Grenzkontrollen zur Bekämpfung von irregulärer Migration gegen die wachsende Kritik aus den Nachbarländern. "Wir müssen zurzeit Grenzkontrollen machen, weil der Schutz der europäischen Außengrenzen nicht hinreichend gewährleistet ist", sagte der CDU-Chef nach einem Treffen mit dem luxemburgischen Ministerpräsidenten Luc Frieden in Berlin. SPD-Politiker warfen Merz vor, sich beim Thema Grenzkontrollen nicht ausreichend mit den europäischen Partnern abgestimmt zu haben.
Dagegen befürchtet die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ein "Pingpong-Spiel" an der Grenze, bei dem Deutschland künftig Menschen zurückweise, während polnische Grenzschützer diese dann nicht annehmen beziehungsweise an Deutschland zurückweisen könnten.
Dobrindt: Es wird kein "Pingpong-Spiel" geben
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte, es werde kein "Pingpong-Spiel" an der Grenze geben. Er habe seinem polnischen Amtskollegen, Tomasz Siemoniak, angeboten, auf deutscher Seite gemeinsame Grenzkontrollen durchzuführen. In Polen kursierten Gerüchte, die jeder Grundlage entbehrten, dass von deutscher Seite Migranten, die irgendwo in Deutschland aufgegriffen würden und bei denen keinerlei Zusammenhang mit Polen bestehe, an die Grenze und dann nach Polen geschickt würden. Diese Falschmeldungen würden von "radikalen Aktivisten" verbreitet, sagte der Minister weiter.
Ein Sprecher der EU-Kommission verwies darauf, dass Kontrollen an den Binnengrenzen unter bestimmten Bedingungen möglich seien.
Tusk: Habe deutsche Seite vorgewarnt
Regierungschef Tusk machte deutlich, Polen reagiere auf das Vorgehen der Bundesregierung. "Ich habe die deutsche Seite bereits im März vorgewarnt und mehrfach mit dem neuen Kanzler darüber gesprochen." Die bisherige geduldige Haltung seines Landes gegenüber den einseitigen Kontrollen könne durch die geänderte Praxis, dass nun auch Menschen nach Polen zurückgeschickt werden, nicht mehr aufrechterhalten werden.
Dauer der Kontrollen hängt von Deutschlands Schritten ab
Auch den voraussichtlichen Zeitraum der polnischen Kontrollen machte Tusk von Entscheidungen der Bundesregierung abhängig. Eigentlich sollten die deutschen Kontrollen im September enden, es gebe aber Informationen, wonach sie noch verlängert werden sollten, sagte der Regierungschef. "Unsere Antwort darauf wird ebenfalls symmetrisch sein. Die Zeit ist endgültig vorbei, in der Polen nicht angemessen auf bestimmte Maßnahmen reagiert."
Deutschland kontrolliert bereits seit Oktober 2023 stichprobenhaft an der Grenze zu Polen, um irreguläre Migration zu stoppen. Bundesinnenminister Dobrindt hatte kurz nach dem Antritt der neuen Bundesregierung im Mai intensivere Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, dass künftig auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. An dieser Praxis hält die Bundesregierung auch nach einer Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts fest. Das Gericht hatte festgestellt, die Zurückweisung von drei Somaliern bei einer Grenzkontrolle am Bahnhof Frankfurt (Oder) am 9. Mai sei rechtswidrig gewesen. Das Bundesinnenministerium wertet das jedoch als Einzelfallentscheidung.
Merz: Es gibt keinen Rückführungstourismus nach Polen
Merz sagte weiter, er habe mit Tusk mehrfach über das Thema gesprochen. Man wolle die Belastungen gemeinsam so gering wie möglich halten. "Wir haben hier ein gemeinsames Problem, das wir gemeinsam lösen wollen."
Entschieden wies Merz polnische Medienberichte zurück, nach denen es Rückführungen von bereits in Deutschland aufgenommenen Asylbewerbern nach Polen gebe. "Es wird hier zum Teil behauptet, es gäbe sozusagen regelrecht einen Rückführungstourismus aus Deutschland heraus nach Polen und die würden dann praktisch über die Grenze zurück nach Polen geschafft. Das ist nicht der Fall."
Kritik an Merz kam vom Koalitionspartner SPD. "Die enge Absprache mit den europäischen Nachbarn ist Merz und Dobrindt bisher mäßig gelungen", sagte Adis Ahmetović, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, dem Spiegel. "Die Reaktion Polens zeigt jetzt, wovor wir seit Jahren warnen: Gerade in sensiblen Fragen der Sicherheit und Migration braucht es enge Zusammenarbeit und frühzeitigen Dialog mit unseren Nachbarn."
Polens Ultrarechte organisieren selbst ernannte Grenzpatrouillen
In Polen sind die Zurückweisungen aus dem westlichen Nachbarland ein Aufregerthema. Tusks Mitte-Links-Regierung steht unter dem Druck der rechtskonservativen Oppositionspartei PiS. "Deutschland schiebt regelmäßig illegale Migranten auf unsere Seite. Der Staat hat abgedankt, und Chaos und Straflosigkeit nehmen von Tag zu Tag zu", schrieb PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski am Montag auf X.
Mittlerweile organisieren Ultrarechte von der "Bewegung zur Verteidigung der Grenzen" selbst ernannte Patrouillen an Grenzübergängen zu Deutschland. In sozialen Medien brüsten sie sich damit, dass sie verdächtig aussehende Menschen anhalten und ihre Papiere verlangen. Tusk kritisierte dieses Vorgehen als schändlich.
Hinweis: Diese Meldung ist Teil eines automatisierten Angebots der nach strengen journalistischen Regeln arbeitenden Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sie wird von der AZ-Onlineredaktion nicht bearbeitet oder geprüft. Fragen und Hinweise bitte an feedback@az-muenchen.de