Interview

Neue Breitseite von Hubert Aiwanger in der AZ: "Aus der woken grünen Blase kommen Aussagen, die zu denken geben"

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger über sein Verhältnis zu Markus Söder, "woke" Grüne, einen CSU-Treppenwitz der Geschichte - und ein Windrad auf seinem Hof.
Natalie Kettinger, Markus Peherstorfer |
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Hubert Aiwanger.
Hubert Aiwanger. © Martha Schlüter

München - Will Hubert Aiwanger aus den Freien Wählern eine Bauer-Bürger-Bewegung wie in den Niederlanden machen? Was hält der Bayerns Wirtschaftsminister von dem Vorwurf, er würde sich zu wenig um den Mittelstand kümmern? Die AZ hat mit ihm darüber gesprochen – und über das "Kleinwindrad", das er sich auf seinem Hof gut vorstellen könnte. 

AZ: Herr Aiwanger, in einem Interview haben Sie unlängst gesagt: "Ich glaube, dass viele Grüne ein Fall fürs Sofa beim Psychiater wären." Und: "Die Grünen sind auch angetreten, um die bürgerlich-konservative Welt zu untergraben und alles, was mit Werten zu tun hat – sei es Familie, sei es Eigentum, sei es Nation, sei es eigene Kultur – ist denen zuwider." Glauben Sie das eigentlich selbst?
HUBERT AIWANGER: Aus der woken grünen Blase kommen seit Jahren Aussagen, die zu denken geben. Familie, Eigentum, Tradition, Werte werden vielfach in Frage gestellt. Die sind in vielen Fällen mit sich selber nicht im Reinen und fühlen sich in diesem Land, so wie es ist, nicht wohl. Das kritisiere ich: diesen Angriff auf die eigene Heimat, der bewährtes Bestehende infrage stellt.

Freut sich über das gute Einvernehmen bei den Haushaltsverhandlungen: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.
Freut sich über das gute Einvernehmen bei den Haushaltsverhandlungen: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. © Daniel von Loeper

Hubert Aiwanger: "Freut mich, dass Landwirte und Mittelstand ihre politische Heimat bei den Freien Wählern finden"

Aber muss man sich nicht in Hinblick auf die Zukunft flexibel aufstellen und darf – Beispiel Klimaschutz – nicht immer nur rückwärts denken? Auch mit Hinblick auf den Fachkräftemangel: Das Land muss sich doch verändern.
Das tue ich auch, indem ich mich beispielsweise auf Wasserstoff und ähnliche Themen konzentriere, bei denen mich die Grünen anfangs ausgelacht haben. Aber jetzt will auch der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bis zu 50 Gaskraftwerke bauen, die wasserstofftauglich sind. Und bezüglich der Fachkräftesituation müssten wir auf qualifizierte Zuwanderung setzen und nicht auf eine wachsende Migration in die Sozialsysteme. Gleichzeitig müssten wir dafür sorgen, dass die qualifizierten Menschen in Deutschland bleiben. Wir haben ungefähr 200.000 hoch qualifizierte Auswanderer pro Jahr – bei 670.000 Geburten. Bei uns jagt man die Eliten mit hohen Steuern et cetera außer Landes und meint, durch unqualifizierte Zuwanderung die Lücken füllen zu können. Das klappt nicht.

Es gibt das Gerücht, Sie würden aus den Freien Wählern eine deutsche Bauern-Bürger-Bewegung wie in den Niederlanden machen wollen. Was ist dran?
Es freut mich, dass Landwirte und Mittelstand in letzter Zeit zunehmend auch über Bayern hinaus ihre politische Heimat bei den Freien Wählern finden. Das ist gut für die Demokratie, weil wir damit verhindern, dass Leute politisch heimatlos werden oder an die Ränder gehen. Aber ich habe da keine internationalen Vorbilder.

Hubert Aiwanger im Gespräch mit den Redakteuren Natalie Kettinger und Markus Peherstorfer.
Hubert Aiwanger im Gespräch mit den Redakteuren Natalie Kettinger und Markus Peherstorfer. © Daniel von Loeper

Europäisches Parlament und Wahl: Man muss genau hinschauen, wie die CSU abstimmt

Die CSU hat Sie im Europawahlkampf klar zum Gegner erklärt. Wie soll das gehen: Partner in der bayerischen Regierung – und gleichzeitig Kontrahenten?
Das müssen Sie die CSU fragen. Ich habe die CSU nicht zu unserem Hauptgegner ausgerufen. Wenn die CSU davon spricht, nur sie verträte bayerische Interessen im Europaparlament, muss man genauer hinsehen, wie sie dort abstimmt. Unter anderem hat die CSU zugestimmt, dass Holz kein erneuerbarer Energieträger mehr sein soll, und das erst nachher wieder revidiert. Die CSU hat auch für eine Bargeld-Obergrenze gestimmt. Ich glaube, dass wir Freie Wähler in Brüssel eine bürgernähere Politik machen als die CSU.

Die CSU wiederum wirft Ihnen vor, Sie könnten sich in der liberalen Fraktion im Europaparlament nicht durchsetzen, die CSU in der EVP-Fraktion aber schon.
Es war vor allem ein Treppenwitz der Geschichte, dass Manfred Weber als Spitzenkandidat der EVP angetreten ist und am Ende Ursula von der Leyen EU-Kommissionspräsidentin wurde. Das war eine Wählertäuschung, die die CSU bis heute nicht erklären konnte. Jeder kehre vor der eigenen Tür.

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Verhältnis von Hubert Aiwanger zu Markus Söder: "Er sieht einfach, dass wir gute Politik machen"

Wie ist aktuell Ihr Verhältnis zu Markus Söder?
Gut. Wir haben gerade in bestem Einvernehmen den Haushalt des Freistaates Bayern über die Bühne gebracht, nach wenigen Stunden Verhandlungen. Es war unsererseits noch nie so harmonisch wie momentan. Er sieht einfach, dass wir gute Politik machen.

Harmonisch wie nie? CSU-Boss Markus Söder und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger.
Harmonisch wie nie? CSU-Boss Markus Söder und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. © dpa/Peter Kneffel

Der Sprecher des Mittelstandsverbands sagt: "In der Mittelstandspolitik ist Minister Aiwanger aus unserer Sicht deutlich zu passiv." Sie beschäftigten sich mit Land- und Forstwirtschaft, zu den Nöten vieler anderer Branchen habe man allerdings seit Monaten nichts mehr von Ihnen gehört. Was sagen Sie dazu?
Dass er sich besser informieren muss. Er braucht nur meine Twitter- und Facebook-Äußerungen oder meine Pressemeldungen zu lesen. Ich mache eine aktive Wirtschaftspolitik. Sonst stünde Bayern auch wirtschaftlich nicht besser da als der Bund oder andere Länder. Ich setze mich täglich beim Bund für eine mittelstandsfreundliche Kehrtwende ein: bezahlbare Energiepreise, niedrigere Steuern oder die Abschaffung der Erbschaftsteuer. Auch die Veranstaltungen, an denen ich teilnehme, sind ja Mittelstandsdemos und nicht reine Bauerndemos. Ich würde mir wünschen, dass er auch dabei wäre und eine Rede hält, wenn ich Seite an Seite mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, mit Handwerkerverbänden, Spediteuren und anderen dort bin.

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Freie-Wähler-Boss Aiwanger: "Zeigen Sie mir ein Bundesland, das es besser macht"

Schon seit 2019 importiert der Freistaat laut Ifo-Institut mehr, als er exportiert. Also genau, seit Sie Wirtschaftsminister sind. Keine gute Bilanz, oder?
Es ist zeitgleich auch Corona ausgebrochen, ein Jahr nachdem ich Wirtschaftsminister geworden bin.

Aber nicht nur in Bayern.
Auch die Wirtschaftszahlen verschieben sich nicht nur in Bayern. Wir stehen noch am besten da von allen Ländern. Die Wirtschaftszahlen gehen überall zurück. Natürlich kann in Bayern mehr einbrechen als in anderen Ländern, die wenig Industrie haben. Beim Wirtschaftswachstum haben wir trotzdem noch ein Plus, die anderen haben ein Minus. Wir haben deutlich weniger Arbeitslosigkeit als andere Länder. Zeigen Sie mir ein Bundesland, das es besser macht. Natürlich kann sich Bayern hohen Energiepreisen, hohen Steuern und anderen schlechten Rahmenbedingungen, die die Ampel-Bundesregierung vorgibt, nicht entziehen.

Die Bürger von Mehring im Kreis Altötting haben einen großen geplanten Windpark abgelehnt – ein Leuchtturmprojekt der Staatsregierung. Ist die CSU schuld, weil sie jahrelang gegen Windkraft mobilgemacht hat?
Ich glaube, dass die Planung mit 40 Windrädern ohne genaue Infos der Bevölkerung über die Standorte viele Anwohner verunsichert hat. Unter dem Eindruck des Energiepreisschocks wurde schnell entschieden. Wir müssen mit Sensibilität noch einmal auf die Bürger und Kommunen zugehen. Ich glaube schon, dass wir da einen Windpark hinbekommen, dass wir den aber etwas anpassen müssen, um Akzeptanz zu gewinnen. Ich war in diese Planungen nicht involviert, weil ich damals noch nicht für die Staatsforsten zuständig war.

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Hubert Aiwanger würde sich Windrad in den Hof stellen

Der Kompromiss könnte also eine Verkleinerung sein?
Könnte sein. Vielleicht bekommen wir die 40 Windräder aber auch anderweitig unter oder es gibt Kommunen, die sich zusätzlich mit einbringen wollen. In Mehring sollten mehrere Windräder in 1000 Metern Abstand zu einer Siedlung stehen. Das ist den Betroffenen vielleicht einfach zu nahe. Wir müssen die Planungen überprüfen und gegebenenfalls bürgerfreundlich anpassen.

Würden Sie sich ein Windrad auf den Hof stellen?
Vielleicht ein Kleinwindrad. Ein großes hat unten 30 Meter Durchmesser, da wäre mein ganzer Hof weg. Aber ein kleines mit zehn oder 15 Metern Höhe wäre eine Idee.

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  • Geradeaus-Denker am 03.02.2024 11:58 Uhr / Bewertung:

    Die wichtigste Aussage ist wohl, wir stehen noch am besten da. Ist das das Verdienst der Staatsregierung oder das der Unternehmen und der arbeitenden Menschen?

  • Bongo am 04.02.2024 22:47 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Geradeaus-Denker

    In anderen Bundesländer gibt es auch Unternehmen und fleißig arbeitende Menschen und trotzdem liegen viele mit den Wirtschaftszahlen hinter Bayern. Muß also doch auch etwas mit der Regierung zu tun haben!

  • Geradeaus-Denker am 03.02.2024 02:51 Uhr / Bewertung:

    Er beklagt, dass der Windpark ohne Information der Büger falsch angegangen wurde. Kann sein. Schön, wenn wir einen Wirtschaftsminister hätten, der das Verständnis fördern würde. Vielleicht einen, der sogar ein Programm entwickeln würde, wie Windparks in kommunaler Hand oder gar mit Bürgerbeteiligung entstehen könnten.
    Das wäre doch ein super Wirtschaftsminister!

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