Missbrauchsskandale: Schwierige Fragen am Runden Tisch

Jetzt setzt die Politik ein Gremium ein, das sich mit Aufklärung und Folgen des Missbrauchs beschäftigt. Der Skandal in der Kirche hat das Ansehen des Papstes auf Westerwelle-Niveau abstürzen lassen.
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Christine Bergmann
dpa Christine Bergmann

BERLIN/ROM - Jetzt setzt die Politik ein Gremium ein, das sich mit Aufklärung und Folgen des Missbrauchs beschäftigt. Der Skandal in der Kirche hat das Ansehen des Papstes auf Westerwelle-Niveau abstürzen lassen.

Nun soll die Politik richten, was Kirche und betroffene Schulen nicht vermochten: das Ausmaß des Kindesmissbrauchs in Deutschland aufklären. Das Kabinett beschloss gestern die Einrichtung eines Runden Tischs, an dem Experten und Betroffene die vielen Dimensionen des Problems regeln sollen: Entschädigung, Vorbeugung, Konsequenzen – und die Frage, wie mit längst verjährten Taten umgegangen wird.

Das Gremium ist weit mehr als ein Gesprächskreis: In Wahrheit ist es der Versuch, tätig zu werden, wo kein anderes Instrument mehr funktioniert. Runde Tische gibt es immer dann, wenn Institutionen am Ende sind. Als die DDR etwa in Auflösung war, regelten Runde Tische Abwicklung und freie Wahlen.

Schon im April startet das neue Gremium. Es hat 40 Mitglieder und soll bis Jahresende fertig sein. Zugleich ernannte das Kabinett die frühere Familienministerin Christine Bergmann (SPD) zur Beauftragten für die Missbrauchsbekämpfung

Schon im Vorfeld hatte es unter den drei beteiligten Ministerinnen Krach über die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle gegeben. Beinahe hätte es zwei Runde Tische gegeben: Familienministerin Kristina Schröder und Bildungschefin Annette Schavan (beide CDU) wollten in einem Gremium über Vorbeugung reden. Und die Chefin des Justizressorts, Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP), hatte eine zweite Runde geplant für die Themen Entschädigung und rechtliche Folgen.

Nun gibt es einen Kompromiss, der den Streit abbildet: Der neue Runde Tisch hat zwei Arbeitsgruppen, die sich den jeweiligen Fragen zuwenden. Leutheusser-Schnarrenberger gab sich gestern kämpferisch. Man müsse zwingend über Strafen und Verjährung reden, deswegen würden auch juristische Experten ins Gremium geholt: „Der Runde Tisch ist groß genug.“

Während die Politik mit der Aufarbeitung startet, wird der Umgang mit dem Thema für die Amtskirche immer stärker zum Problem: Eine Forsa-Umfrage zeigt einen dramatischen Absturz des Ansehens bei den Deutschen. Nur noch 17 Prozent haben Vertrauen in die Kirche und nur noch 24 Prozent in Papst Benedikt XVI. – das sind Zahlen, wie sie sonst nur Außenminister Guido Westerwelle einfährt.

Mit dessen Beliebtheitswerten sind die aktuellen Kirchendaten nur sehr bedingt vergleichbar. Aber die Vergleichszahlen vom Januar sprechen eine deutliche Sprache: Damals lagen die Vertrauenswerte für die Kirche noch zwölf Punkte höher, für den Papst sogar 14.

In der Kirche formieren sich nun Papstgegner und -unterstützer. Der Kirchenkritiker Hans Küng warf Benedikt vor, kirchenintern an der Vertuschung solcher Fälle gearbeitet zu haben. Auf der anderen Seite wirbt eine Gruppe „Ja zur Kirche“ nun um Vertrauen für den Papst. mue

Die neue Beauftragte: Eine Frau für schwere Fälle

Sie ist die Frau, die immer wieder aufhört – und zurückkommt. Ganz besonders, wenn es um schwere Fälle geht. Eigentlich hatte Christine Bergmann, die neue Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, schon zweimal aufgehört: 2002, nach der ersten Amtsperiode von Rot-Grün, verabschiedete sich die SPD-Frau von ihrem Amt als Familienministerin: „Man muss auch aufhören können in der Politik“, sagte sie.

Zwei Jahre später war die Dresdnerin wieder da: als Ombudsfrau für Hartz-IV-Streitfälle. Dort beendete sie 2006 die Arbeit – um vier Jahre später, mit 70, in ihre vielleicht größte Herausforderung zu starten. Darauf vorbereitet sei sie bestens, betonte die Nachfolgerin Kristina Schröder. Schon während ihrer Ministerzeit sei Christine Bergmann das Thema sehr am Herzen gelegen.

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