Merkel wirbt für breiten Konsens
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will um möglichst breite Unterstützung für eine Energiewende in Deutschland werben. "Die Bundesregierung setzt alles daran, diesen Weg zusammen mit einer breiten Mehrheit der Bürger zu gehen", sagte die CDU-Vorsitzende der "Bild am Sonntag".
Berlin - Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) setzt dabei auch auf eine Verständigung mit SPD und Grünen. Merkel will Anfang Mai selbst mit Vertretern von Kirchen, Umweltgruppen und Gewerkschaften über die Energiewende diskutieren. Im Juni will sie mit den im Bundestag vertretenen Fraktionen diskutieren. Die Kanzlerin bekräftigte, die Atom-Katastrophe von Fukushima habe auch ihre persönliche Haltung zur Kernkraft und ihren Risiken verändert: "Auch ich habe dazugelernt." Röttgen plädierte im "Spiegel" dafür, "einen gemeinsamen Kurs auch mit SPD und Grünen zu finden, im besten Fall sogar einen nationalen Energiekonsens".
Merkel machte den Weiterbetrieb der für drei Monate abgeschalteten acht Atommeiler allein von den Ergebnissen der Sicherheitsüberprüfung abhängig. Laut "Spiegel" will sie Atomkraftwerke, die bei der Sicherheitsüberprüfung durchfallen, entweder direkt über eine "aufsichtliche Verfügung" im Konsens mit den Ländern vom Netz nehmen lassen oder über eine Änderung des Atomgesetzes durch das Parlament.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte als Grundlage für einen Atomausstieg ein neues Gesetz. DGB-Chef Michael Sommer zeigte sich in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" überzeugt, dass die Energiekonzerne sich noch nicht geschlagen geben: "Die Extra-Profitmacher werden sich wehren. Deshalb ist eine neue gesetzliche Grundlage zwingend nötig."
Nach der Klage des Energiekonzerns RWE gegen die Abschaltung des Atomkraftwerks Biblis A räumte Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU) in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" ein, dass die sofortige Stilllegung der ältesten Meiler ein "juristisches und finanzielles Restrisiko" berge.
Der FDP-Umweltexperte Michael Kauch geht dennoch davon aus, dass keine Schadenersatzansprüche der Energiekonzerne drohen. Die Laufzeiten der deutschen Reaktoren seien als Reststrommengen festgelegt, sagte er der Zeitung. "Wenn die Meiler jetzt für drei Monate außer Betrieb sind, darf anschließend also mehr oder länger Strom produziert werden."
Dies sieht Umweltminister Röttgen nicht zwangsläufig so. Entscheidend sei, "dass es bislang noch keine Investitionen auf der Basis der Laufzeitverlängerungen gegeben hat, die so etwas wie Vertrauensschutz auslösen könnten", sagte er.
Laut RWE drohen als Folge des Moratoriums höhere Strompreise: "Für Kunden von Versorgern, die sich jetzt zu hohen Börsenpreisen eindecken müssen, könnte sich das rein rechnerisch in einer Preiserhöhung von bis zu fünf Prozent niederschlagen", sagte Vorstand Leonhard Birnbaum der "Rheinischen Post". Unionsfraktionsvize Michael Fuchs wies in der "Rheinpfalz am Sonntag" darauf hin, dass die Preise an der Strombörse seit dem Moratorium bereits gestiegen sind. Nötig sei ein Ausstieg mit Augenmaß - "und kein Abschalten koste, was es wolle".
In der Union wird der Ruf nach einem raschen Atomausstieg immer lauter. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte nun in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Wir müssen so schnell wie möglich auf Kernkraftwerke verzichten." Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) kündigte in der "Frankfurter Rundschau" einen Wettbewerb mit Baden-Württemberg an, wer die Energiewende schneller schaffe. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Ursula von der Leyen räumte in der "Süddeutschen Zeitung" ein, ihre Partei habe "die volle Dringlichkeit der notwendigen Energiewende" verschlafen.