Untreue im Magdeburger Landtag? Fraktionsräume durchsucht
Mitten in der sitzungsfreien Sommerpause rücken Ermittler mit Polizeiwagen und zivilen Fahrzeugen am Landtag von Sachsen-Anhalt an. Wenig später treffen sie auch mit einem Lastwagen ein. Ihr Ziel: die Fraktionsräume von CDU, SPD und AfD. Drei der sechs Landtagsfraktionen in Magdeburg stehen im Verdacht, unzulässige Zulagen an Abgeordnete gezahlt zu haben. Der Vorwurf: Untreue.
"Wir durchsuchen die Geschäfts- und Fraktionsräume der Parteien CDU, SPD und AfD, weil der Verdacht der Untreue besteht", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Magdeburg auf Anfrage. Der Einsatz, der am Dienstagvormittag begann, wurde demnach gemeinsam mit dem Landeskriminalamt und auf Grundlage richterlicher Anordnungen durchgeführt. Die Auswertung der sichergestellten Unterlagen werde einige Zeit in Anspruch nehmen, sagte der Sprecher.
Verdacht: Zulagen trotz klarer Regeln
Hintergrund sind laut Staatsanwaltschaft mögliche gesetzeswidrige Zahlungen von Funktionszulagen durch Verantwortliche der Fraktionen. Nach einer Parlamentsreform von 2020 dürfen zusätzliche Entschädigungen nur noch an bestimmte Funktionsträger wie den Landtagspräsidenten, seine Stellvertreter, Fraktionsvorsitzende und parlamentarische Geschäftsführer gezahlt werden. Darüber hinausgehende Zulagen aus Fraktionsmitteln gelten seither als unzulässig.
Die CDU-Fraktion hat in der Vergangenheit jedoch auch Zulagen an ihren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, ihre stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführerin sowie an Arbeitsgruppenleiter gezahlt. Dabei geht es um mehrere Hundert Euro im Monat - zusätzlich zur regulären Entschädigung von aktuell 8.736,66 Euro. Der Landesrechnungshof hatte schon 2023 erklärt, derartige Zulagen an Stellvertreter seien "gar nicht vereinbar" mit dem Abgeordnetengesetz in Sachsen-Anhalt.
Anzeige durch Bund der Steuerzahler
Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch eine Anzeige des Bundes der Steuerzahler im November 2023. Laut der Organisation wies die CDU-Fraktion in ihrer Rechnungslegung für 2021 Zahlungen in Höhe von 66.000 Euro aus, für 2022 waren es 47.250 Euro - jeweils für "besondere Funktionen in der Fraktion". Für die AfD-Fraktion seien 2021 rund 25.600 Euro dokumentiert, für die SPD-Fraktion 7.500 Euro. "Alle übrigen Fraktionen haben in der Rechnungslegung sowohl für 2021 als auch für 2022 keine zusätzlichen Zahlungen für Funktionszulagen ausgewiesen", teilte der Verband mit.
Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hatte ein zunächst eingeleitetes Verfahren eingestellt, die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg hob diese Entscheidung jedoch teilweise auf und forderte eine erneute Prüfung. Ob die Ermittlungen infolge der Durchsuchungen nun zu strafrechtlichen Konsequenzen führen, ist offen.
Der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Sachsen-Anhalt, Ralf Seibicke, begrüßt das Vorgehen der Ermittler. "Ich freue mich darüber, dass eine gründliche Befassung stattfindet", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Untersuchung zeige, dass die Staatsanwaltschaft "offensichtlich sehr tief eingestiegen" sei. Neben dem politischen Vorwurf der Steuergeldverschwendung müsse jetzt auch aufgeklärt werden, ob strafrechtliche Relevanz bestehe. "Und dann muss man das Ergebnis auch abwarten", so Seibicke.
Wie reagieren die betroffenen Fraktionen?
Die SPD-Fraktion teilte auf Anfrage mit, man unterstütze die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und erteile alle erforderlichen Auskünfte. Die bis 2021 gezahlten Zulagen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende in Höhe von zuletzt 750 Euro monatlich seien mit der Neukonstituierung der Fraktion zum Beginn der achten Wahlperiode abgeschafft worden. "In der laufenden Wahlperiode gibt es für den stellvertretenden Fraktionsvorsitz deshalb keine Zulage mehr", sagte ein Sprecher. Zwischen der Neuregelung 2020 und Ende der Wahlperiode 2021 seien zur pauschalen Abgeltung des erhöhten Aufwandes noch Zahlungen geleistet worden.
Die AfD-Fraktion teilte mit, sämtliche erbetenen Unterlagen seien bereitgestellt worden. "Wir haben uns nichts vorzuwerfen und weisen die Vorwürfe der Untreue entschieden zurück", erklärte Co-Fraktionschef Oliver Kirchner. "Die Maßnahmen mit einem derart massiven Personalaufgebot halten wir für unverhältnismäßig." Ein Sprecher der CDU-Fraktion äußerte sich zunächst nicht zu den Vorgängen.
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