Kritik an "Bulldozer-Politik" – Mehrere Parteien, Verbände und Kirchen entsetzt
Der harte Einsatz der Polizei gegen Gegner des Bahnprojekts "Stuttgart 21" ist bei mehreren Parteien, bei Kirchen, Gewerkschaften und Verbänden auf scharfe Kritik gestoßen.
Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir sprach von einer "brutalen Bulldozer-Politik", durch die die Auseinandersetzung nur noch schärfer und schwieriger werde.
Die Linke forderte den Rücktritt von Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU). Kritik kam auch von der SPD. Spitzenvertreter der evangelischen und der katholischen Kirche in Stuttgart zeigten sich "erschüttert". Özdemir kritisierte, die Strategie von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU), "mit gezielten Provokationen die Stuttgart 21-Gegner zu emotionalisieren um sie anschließend möglichst kriminalisieren zu können, ist offenkundig und zynisch", kritisierte er. Nötiger denn je sei jetzt ein sofortiger Baustopp.
Der Generalsekretär der SPD Baden-Württemberg, Peter Friedrich, sprach von einer "vollkommen unnötigen Eskalation", die den Ministerpräsidenten "keinen Schritt näher an Stuttgart 21 bringt". Vielmehr werde dadurch der Konflikt nur verschärft. "Es sind beschämende Bilder, die in Stuttgart durch die Eskalation entstehen." Der SPD-Politiker äußerte "Mitleid mit den Polizisten", die nun der Prellbock für die Eskalationsstrategie von Mappus seien. Die Generalsekretärin der Bundes-SPD, Andrea Nahles, mahnte, nur Besonnenheit könne zu einer tragfähigen Lösung des Konflikts führen. Mappus trage die Verantwortung, "Staat und Bürger nicht weiter gegeneinander aufzustacheln", SPD-Landesschef Nils Schmid forderte den Ministerpräsidenten auf, auf den Vorschlag einer Volksabstimmung über Stuttgart 21 einzugehen.
Diese sei die Chance, die verhärteten Fronten aufzubrechen und die Sachargumente wieder in den Vordergrund zu rücken. "Wenn Herr Mappus diese Gelegenheit jetzt verstreichen lässt, dann trägt er auch ein erhebliches Maß an Mitverantwortung für alles, was jetzt passiert."
Der baden-württembergische Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann beklagte eine "völlig unangebrachte Demonstration der Macht". Die Strategie des Ministerpräsidenten sei unverantwortbar: "Er nimmt dafür eine tiefe Spaltung der Bevölkerung in Stadt und Land in Kauf."
Der Vize-Fraktionschef der Linken im Bundestag, Ulrich Maurer, forderte den Rücktritt von Rech: "Wer versucht, angemeldete Schülerdemos mit Schlagstöcken, Reizgas und Wasserwerfern aufzulösen, hat mit der Demokratie gebrochen und muss als Innenminister seinen Hut nehmen." Rech habe einen Einsatz zu verantworten, "wie man ihn sonst nur aus Diktaturen kennt". Linken-Landeschef Bernd Riexinger sagte, die Landesregierung habe am Donnerstag "ihre Unschuld verloren".
"Erschüttert" zeigten sich auch der evangelische Landesbischof Frank Otfried July und katholische Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, über die Eskalation um das Projekt. Sie riefen alle Parteien auf, "unverzüglich vom Einsatz gewalttätiger und illegaler Mittel Abstand zu nehmen". Wer Verantwortung für den Frieden in der Bürgerschaft trage, müsse bereit sein, zum Tisch des gemeinsamen Gesprächs zurückzukehren. Eine erschreckende Unversöhnlichkeit, wie sie bei den aktuellen Vorgängen zutage trete, erschüttere das Gemeinwesen in seinen Grundfesten.
DGB-Landeschef Nikolaus Landgraf kritisierte die Landesregierung scharf: "Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen." Er forderte den Ministerpräsidenten auf,zur Deeskalation beizutragen und in einen direkten Dialog mit den Projektgegnern zu treten. Das "Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21" zeigte sich "zutiefst empört über den heutigen wahnsinnigen Gewaltexzess der Polizei gegenüber friedlichen Stuttgart 21-Demonstranten".
Der Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas, Pfefferspray sei durch nichts zu rechtfertigen. Die Konsequenz von Hunderten von Verletzten, insbesondere Schülern, sei ein Skandal, den Mappus zu verantworten habe", sagt der BUND-Regionalvorsitzende Axel Wieland.
dapd