Können die Grünen Kanzler?
Da ist noch Luft nach oben in der Partei. Was wäre, wenn nicht nur Baden-Württemberg so wählt – ein AZ-Check denkbarer Kandidaten.
Berlin .- Die Grenzen der Vorstellung verschieben sich: Ein grüner Ministerpräsident – das klang vor kurzem noch absurd. Was, wenn man weiterdenkt? Ein grüner Kanzler? Oder natürlich, gerade bei dieser Partei, eine Kanzlerin?
Undenkbar wär’s nicht mehr. Baden-Württemberg ist nicht untypisch. Was dort war, kann auch anderswo sein: eine soweit stabile Union, aber wegen der schwachen FDP nicht mehr stark genug für eine Regierung. Das Mitte-Links-Lager in der Summe vorn, verteilt auf SPD und Grüne. Und die Grünen hatten die SPD in Umfragen schon vor der Atomdebatte mal überholt. Wenn es dann einen grünen Kandidaten gibt, der die Mitte der Gesellschaft erreicht... Wer könnte das sein? Die AZ spielt es durch.
Renate Künast. Die Fraktionschefin im Bundestag hat erstmal anderes vor: Die 55-Jährige will im Herbst in Berlin Regierende Bürgermeisterin werden. Klappt das, hätte sie die beste Ausgangsbasis in der Partei: Dann kann sie bei der Bundestagswahl 2013 zwei Jahre Erfahrung als Regierungschefin vorweisen. Sie gilt als zäh und durchsetzungsstark, blitzgescheit und etwas spröde. Wie gut sie mit dem Bürger kann und er mit ihr, wird sich im Berliner Wahlkampf zeigen.
Claudia Roth. Die Parteichefin (55) der Grünen besetzt par excellence die emotional-leidenschaftliche Führungsrolle, quasi Herz und Seele der Partei – aber nicht so sehr der Kopf. Für das Befinden der Basis von unschätzbarem Wert, im Kanzleramt schwerer vorstellbar. Auch, dass sie das selber will.
Cem Özdemir: Das wäre gleich ein doppeltes Novum: der erste grüne und der erste türkischstämmige Kanzler. Als großer Bürgerschreck würde vermutlich auch das nicht taugen, dazu ist der 45-jährige zu schwäbisch, zu freundlich und bedächtig. Bisher hat er aber keinen unbedingten Zug zur Macht erkennen lassen.
Jürgen Trittin: Ein alter Haudegen in Sachen Regieren ist der 56-Jährige allemal – jahrelang hat er in Niedersachsen mit Gerhard Schröder den Laden geschmissen, dann war er Umweltminister unter Rot-Grün. Für die Rolle als Liebling eines breiten Publikums ist er womöglich etwas zu rotzig.
Joschka Fischer: Er gehört schon lang nicht mehr zur Spitze der Grünen, weder offen noch heimlich. Dem breiten Wahlvolk hat er sich als Vizekanzler und überaus beliebter Außenminister aber eingeprägt. Seine Qualitäten als Zugpferd im Wahlkampf hat er ausreichend bewiesen. Fraglich ist, ob der 62-Jährige noch nah genug an seiner Partei ist oder sie an ihm.