Koalitionstreffen zu Streitthemen im Kanzleramt
Berlin - Die Spitzen von Union und SPD bemühen sich nach den jüngsten Streitereien um den Zusammenhalt der großen Koalition. Nach Sticheleien der Sozialdemokraten gegen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) betonte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, sie "trägt nicht die Verantwortung für die derzeitigen Zustände" bei der Bundeswehr. Zuvor war von der Leyen aus den eigenen Reihen in Schutz genommen worden. Am Dienstagabend kamen Union und SPD ein Jahr nach der Bundestagswahl zum ersten regulären Koalitionsausschuss zusammen.
Themen im Kanzleramt sollten unter anderem die Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr, der stockende Ausbau des schnellen Internets und der Streit um Starkstrom-Trassen vom Norden in den Süden sein. Zuständige Minister sollten kurzfristig dazugebeten werden. Das Treffen begann mit 20 Minuten Verspätung, weil zunächst SPD-Chef Sigmar Gabriel fehlte. Im Vorfeld war die Erwartung konkreter Ergebnisse gedämpft worden. Das Treffen wurde als vertrauensbildende Maßnahme und als Möglichkeit zur Erörterung strittiger Punkte eingestuft.
Auf Druck von CSU-Chef Horst Seehofer soll die Notwendigkeit von zwei großen Trassen zum Transport von Windstrom nach Bayern überprüft werden. Der Ministerpräsident hat subventionierte Gaskraftwerke in Bayern als Alternative zu Windstrom von der Küste ins Spiel gebracht.
Aus der SPD, aber auch aus der CDU kommt massive Kritik an Seehofer, da er 2013 dem Bau der Leitungen zugestimmt hatte. Dazu wird es am Donnerstag auch ein Treffen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Seehofer und Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) geben. Vor allem ohne den 800 Kilometer langen SuedLink dürfte der Bau neuer Windparks in Nord- und Ostsee keinen Sinn mehr machen.
Zur Sprache kommen sollten voraussichtlich auch die Frage nach mehr Geld für die Sanierung maroder Straßen und Brücken sowie Pläne zur Lockerung von Hartz-IV-Sanktionen für unter 25-Jährige.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt betonte, dass es keine Tagesordnung für die Runde gebe, sei "Zeichen eines grundsätzlichen Vertrauens untereinander". Zugleich kritisierte sie, Äußerungen von SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi über von der Leyen seien an der Sache vorbeigegangen. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, es gehe "überhaupt nicht, der jetzigen Verteidigungsministerin Verantwortung zuzuschieben für das, was in der Vergangenheit war". SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel hatte von der Leyen eine Vernachlässigung der Arbeit und zu viele Fototermine vorgeworfen.
Kurz vor dem Treffen einigten sich die Fraktionsspitzen von Union und SPD auf Regeln für Politiker-Wechsel in die Wirtschaft. Demnach soll eine Karenzzeit von 12 Monaten gelten, bei besonderen Fällen von bis zu 18 Monaten. Das Bundeskabinett soll in jedem Einzelfall über eine Interessenkollision entscheiden und auf Ratschlag eines Expertengremiums die Dauer der Abklingphase vor dem Start der neuen Tätigkeit festlegen. "Ich finde, das ist eine Regelung mit Augenmaß", so Oppermann. Die Regierung soll nun einen Gesetzentwurf vorlegen.
Bisher gab es zwar Treffen der drei Parteichefs von CDU, CSU und SPD - Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel, Seehofer und Gabriel -, aber keine Sitzungen in großer Runde. Neben den Fraktionschefs waren erstmals auch die Fraktionsgeschäftsführer sowie Generalsekretäre Peter Tauber (CDU), Andreas Scheuer (CSU) und Fahimi (SPD) im Kanzleramt dabei.