Klüngel-Verdacht: Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) reagiert

Einem Abteilungsleiter aus dem Verkehrsministerium wird vorgeworfen, Privates und Geschäft vermischt haben. Nun sollen Förderrichtlinien überarbeitet werden. Ein Schuldeingeständnis?
Stefan Lange |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
1  Kommentar
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). © Britta Pedersen/dpa

Berlin - Vor dem Hintergrund möglicher Vetternwirtschaft in seinem Haus lässt Bundesverkehrsminister Volker Wissing die Förderrichtlinien seines Ministeriums überarbeiten. Dies geht aus der Antwort auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Felix Schreiner hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Ziel der Überarbeitung sei die "Verbesserung der administrativen Abläufe bei Förderprogrammen", heißt es darin.

Die Förderstrategie werde seit dem Frühjahr überarbeitet, dies geschehe "unabhängig von dem vorliegenden Fall". Gemeint sind Medienberichte, wonach der Leiter der Grundsatzabteilung des Ministeriums bei der Vergabe von Fördermitteln für Wasserstoffprojekte Privates mit Dienstlichem vermischt haben könnte.

Erst Skiurlaub, dann Fördergelder: Vetternwirtschaft im Verkehrsministerium?

Entkräften konnte das Ministerium diese Vorwürfe bisher nicht. Nach Recherchen des Handelsblattes geht es dabei vor allem um die Beziehung des Abteilungsleiters zu einem Unternehmer. Beide sollen demnach mutmaßlich befreundet sein und auch Skiurlaube gemeinsam verbracht haben.

Zugleich bekam der Unternehmer Zusagen für Fördergelder in Höhe von rund 26 Millionen Euro aus einem Wasserstoffprogramm des Ministeriums. Es geht auch um 72,5 Millionen Euro aus dem Ministerium, mit denen der Unternehmer ein Wasserstoffzentrum in Niederbayern aufbauen soll.

Brachte den Stein ins Rollen: CDU-Politiker Felix Schreiner.
Brachte den Stein ins Rollen: CDU-Politiker Felix Schreiner. © IMAGO / Political-Moments

Das Verkehrsministerium prüft den Fall, ein Ergebnis liegt noch nicht vor. "Es ist in unserem ureigensten Interesse, dass wir zu allen Vorwürfen, die im Raum stehen, umfangreich Aufklärung betreiben können, um hier nicht das Bild behaften zu lassen, dass hier etwas im Unreinen wäre. Wenn dem so wäre, dann würden selbstverständlich auch die entsprechenden Konsequenzen getroffen", sagte ein Sprecher.

Felix Schreiner (CDU): "Die Angelegenheit ist noch nicht vom Tisch"

Schreiner erklärte dazu: "Die Angelegenheit ist noch nicht vom Tisch." Offensichtlich gebe es innerhalb des Bundesverkehrsministeriums weiterhin Klärungsbedarf. "Anders ist die laufende Überprüfung des Förderverfahrens nicht zu deuten." Aller Voraussicht nach wird sich der Verkehrsausschuss des Bundestages nach der Anfang September endenden Sommerpause mit dem Vorgang befassen.

Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte das Ministerium erklärt, seine Korruptionsprävention "maßgeblich gestärkt" zu haben. Das Verfahren "zur Feststellung besonders korruptionsgefährdeter Arbeitsgebiete im gesamten Geschäftsbereich" sei neu ausgerichtet und die Fachaufsicht gestärkt worden, hieß es kurz vor der Bundestagswahl. Zuvor hatte der Bundesrechnungshof Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung des Ministeriums gerügt.

Der Fall erinnert an Staatssekretär Patrick Graichen

Offenbar gibt es nun weiteren Handlungsbedarf bezüglich der nachvollziehbaren Vergabe von Steuergeld. "Der Bundesverkehrsminister muss vollständig und transparent nachweisen, dass persönliche Beziehungen keine Rolle bei der Vergabe von Fördergeldern im Rahmen der Wasserstoffstrategie spielten", sagte der Abgeordnete Schreiner, der unter anderem Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur des Bundestages ist.

Auch im Verhältnis zwischen Patrick Graichen und Robert Habeck kam es zum Vorwurf der Vetternwirtschaft.
Auch im Verhältnis zwischen Patrick Graichen und Robert Habeck kam es zum Vorwurf der Vetternwirtschaft. © Hendrik Schmidt/dpa/Archiv

Der Baden-Württemberger erinnerte an den Fall des Staatssekretärs Patrick Graichen, der nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft von seinem Chef Robert Habeck (Grüne) in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde.

Es darf nun "keine Anzeichen mehr von Einflussnahme geben", sagte Schreiner. "Jeder Verdacht muss umgehend und ohne Lücken durch das jeweilige Ministerium aufgearbeitet werden. Ansonsten droht eine weitere Glaubwürdigkeitskrise gegenüber der Politik und dem Staat insgesamt."

Das Verkehrsministerium antwortet schwammig

Spannend ist vor diesem Hintergrund weiterhin die Frage, auf welcher Grundlage der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband in den Genuss von Steuermitteln gekommen ist. Da geht es unter anderem um 1,4 Millionen Euro für das "Innovationscluster HyMobility". Es soll ein Netzwerk und eine Innovationsplattform schaffen, um die Wasserstoff-Mobilität voranzutreiben.

In der Antwort des Ministeriums heißt es dazu, entsprechenden Fördermittel würden im Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff und Brennstoffzellentechnologie (NIP) vergeben. In den NIP-Förderrichtlinien ist die Förderung von Lobbyverbänden allerdings überhaupt nicht explizit vorgesehen.

"Überprüfung dieses Förderverfahrens läuft": Wissings Behörde fällt das Hintertürchen auf

Wissings Haus erklärt das in der Antwort auf Schreiners Anfrage so: Die einschlägige Förderrichtlinie sehe vor, "dass grundsätzlich Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, Gebietskörperschaften, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen" antragsberechtigt seien. Und weiter: Der juristische Begriff "grundsätzlich" werde immer dann gewählt, "wenn aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und aus sachlichen Erwägungen auch Ausnahmen möglich sein sollen".

Es handele sich hier also um keine abschließende Aufzählung. "Auch die Förderung anderer Akteure ist damit möglich." Möglicherweise ist auch Wissings Experten inzwischen aufgefallen, dass es sich hier um ein Hintertürchen handelt. "Die Überprüfung dieses Förderverfahrens läuft derzeit", heißt es.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Interessenkonflikt? Dazu will das Verkehrsministerium nichts sagen

Das Ministerium weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass nach Paragraf 20 des Verwaltungsverfahrensgesetzes "Beschäftigte, bei denen eine Interessenkollision im Sinne dieses Gesetzes vorliegt, in dem jeweiligen Verwaltungsverfahren nicht tätig werden" dürften. Zuvor hatte ein Ministeriumssprecher bereits eingeräumt, dass das NIP in der Verantwortung der Grundsatzabteilung und ihres Leiters liegt. "Der Mann nimmt Einfluss in seiner Funktion als Abteilungsleiter, was die Ausgestaltung und grundsätzliche Ausrichtung dieser Förderrichtlinien angeht".

Schreiner wollte zudem von der Regierung wissen, ob sie ausschließen könne, "dass ein möglicher Interessenkonflikt in der Grundsatzabteilung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr zum Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband bestand beziehungsweise besteht". Eine berechtigte, womöglich die entscheidende Frage in diesem Vorgang. Wissings Verkehrsministerium hat sie nicht beantwortet.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
1 Kommentar
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Matze-G am 15.08.2023 22:02 Uhr / Bewertung:

    Das war doch zu erwarten von der FDP ...Macht ist eben auch wenn man zum Steigbügelhalter wird.
    Hauptsache richtig regieren ??? Oder wie war der Spruch von Lindner???
    Lieber nicht regieren ...als falsch regieren. Besser regieren als nicht privat profitieren ...sollte es heissen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.