Klingbeils Pläne: Zwei Haushalte, 170 Milliarden Schulden

Finanzminister Klingbeil legt seinen ersten Etat vor. Die Schwerpunkte sind klar. Neue Schuldenspielräume dürften so manchem potenziellen Streit vorgebeugt haben.
von  Theresa Münch, dpa
Vizekanzler Klingbeil plant seinen Haushalt mit hohen Schulden. (Archivbild)
Vizekanzler Klingbeil plant seinen Haushalt mit hohen Schulden. (Archivbild) © Katharina Kausche/dpa

Am Streit über ein paar Milliarden Euro im Bundeshaushalt ist vor wenigen Monaten die Ampel-Koalition zerbrochen. Jetzt hat Finanzminister Lars Klingbeil genau diesen Etat ohne größeren Regierungszoff aufgestellt. Mit hohen Schulden will er in Verteidigung investieren, die Infrastruktur modernisieren und Deutschlands Wirtschaft auf Wachstumskurs bringen. Alles ohne größere Finanzierungslücken, wie aus den der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Plänen hervorgeht. Dass das so geräuschlos vonstattenging, liegt aber wohl weniger am Verhandlungsgeschick des neuen Vizekanzlers.

Im Unterschied zur Ampel-Koalition kann Klingbeil nämlich viele Milliarden Euro Kredite aufnehmen - und das nutzt er auch aus. In diesem und im kommenden Jahr plant der SPD-Politiker allein im Kernhaushalt mit zusammen 170 Milliarden Euro neuen Schulden. Standen 2024 noch Kredite von 33,3 Milliarden zu Buche, sollen es in diesem Jahr weit mehr als doppelt so viel sein: 81,8 Milliarden - und 2026 dann 89,3 Milliarden.

Hinzu kommen Gelder, die an der Schuldenbremse vorbei aus kreditfinanzierten Sondertöpfen fließen: in diesem Jahr 61,3 Milliarden, im nächsten 83,4 Milliarden. Damit käme man insgesamt in diesem Jahr auf neue Schulden von rund 143 Milliarden Euro und im nächsten Jahr von mehr als 170 Milliarden. 

Linke: Beispiellose Verschuldung

Möglich wird all das, weil das schwarz-rote Bündnis von Kanzler Friedrich Merz (CDU) noch vor der Kanzlerwahl für eine Lockerung der Schuldenbremse und einen 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf für Infrastruktursanierung sorgte. 

Klingbeil ebne damit den Weg in eine beispiellose Verschuldung, kritisierte der Haushälter der Linken, Dietmar Bartsch. "Allein die Zinszahlungen drohen zu einem unbeherrschbaren Problem zu werden." Dabei gehe es zu wenig um Zukunft und Zusammenhalt, sondern vor allem um Rüstung. 

Zwei Haushalte innerhalb weniger Monate

Für Klingbeil war es ein Kaltstart. Noch keine zwei Monate im Amt muss er bereits zwei Haushalte vorlegen: Zuerst den für das laufende Jahr, den die Ampel nicht mehr fertig bekam. Seit Jahresbeginn müssen sich die Ministerien deshalb auf das Wichtigste beschränken. Parallel laufen die Arbeiten am Etat für 2026, der ebenfalls noch vor der Sommerpause im Juli auf den Weg gebracht werden soll. 

Die Gespräche mit seinen Ministerkollegen führte Klingbeil anders als sein Vorvorgänger Christian Lindner allein, ohne Kanzler am Tisch. Angenehm dürften sie kaum gewesen sein, denn fast alle Vorhaben im Koalitionsvertrag stehen unter Finanzierungsvorbehalt - und natürlich hält jedes Ministerium seine Projekte für wichtig. Es heißt, die in der Finanzplanung bis 2029 angemeldeten Wünsche der neuen Minister hätten Klingbeils Pläne um rund 50 Milliarden Euro gesprengt. Der Vizekanzler habe "das abgewendet" und seine Kollegen runtergehandelt. 

Etatvolumen

Der Etatentwurf für dieses Jahr und erste Pläne für 2026 sollen an diesem Dienstag im Kabinett beschlossen werden. In diesem Jahr will Klingbeil 503 Milliarden Euro ausgeben, etwa sechs Prozent mehr als im vergangenen Jahr. 2026 soll das Etatvolumen dann auf 519,5 Milliarden Euro steigen. 

Verteidigung und Rüstung

Allein für Bundeswehr, Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste und Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten wie die Ukraine sind in diesem Jahr 75 Milliarden Euro vorgesehen. Bis 2029 sollen die Ausgaben in diesen Bereichen auf fast 170 Milliarden Euro anwachsen. 

Ohne die Lockerung der Schuldenbremse wäre das nur schwer zu finanzieren gewesen. Doch die Grundgesetzänderung ermöglicht es Deutschland, theoretisch unbegrenzt viel Geld in diese Bereiche stecken. Nach Berechnungen des Finanzministeriums werden dort in diesem Jahr 32,1 Milliarden durch neue Kredite finanziert. 

Insgesamt erreicht Klingbeils Entwurf 2025 eine Nato-Quote von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - und erfüllt damit die Vorgabe von zwei Prozent. In den kommenden Jahren sollen die Ausgaben schrittweise steigen, bis auf 3,5 Prozent im Jahr 2029. Damit berücksichtigt der Vizekanzler in seinen Plänen schon jetzt, was in dieser Woche voraussichtlich auf dem Nato-Gipfel beschlossen wird: Die Alliierten wollen die klassischen Militärausgaben auf mindestens 3,5 Prozent des BIP hochfahren und zusätzlich in militärisch nutzbare Infrastruktur investieren, so dass insgesamt 5 Prozent zu Buche schlagen.

In seiner eigenen Partei muss sich der SPD-Chef jedoch auf eine größere Debatte darüber gefasst machen. Denn prominente Sozialdemokraten haben gerade erst eine Abkehr von der Aufrüstungspolitik gefordert und sich gegen eine Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland sowie gegen die Erhöhung des Verteidigungshaushalts ausgesprochen.

Infrastruktur

Zweiter Schwerpunkt im Bundeshaushalt der nächsten Jahre ist die Sanierung der maroden Infrastruktur - und damit verbunden die Hoffnung auf mehr Wirtschaftswachstum. "Uns ist wichtig, dass dieses Land wieder leistungsstark wird", heißt es im Finanzministerium. "Es muss Schluss sein mit der Phase des Kaputtsparens." 

Insgesamt sollen in diesem Jahr rund 115,7 Milliarden Euro investiert werden, im kommenden Jahr 123,6 Milliarden. Möglich wird auch das durch die neuen Verschuldungsspielräume des Bundes - in diesem Fall durch ein Sondervermögen, für das die Schuldenbremse nicht gilt und das mit Krediten bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert werden soll. 

Das Geld soll über zwölf Jahre fließen. In diesem Jahr will Klingbeil 37,2 Milliarden Euro aus dem Sondertopf abschöpfen, im kommenden Jahr 57,9 Milliarden. Daraus soll vor allem die Instandsetzung von Brücken, Straßen und Energienetzen bezahlt werden, es soll aber auch Geld in Digitalisierung, Krankenhäuser und Wohnungsbau fließen. Teile des Geldes verwalten die Länder, Teile fließen auch in einen Topf für Klimaschutz-Investitionen. 

Probleme in der Zukunft

In den Haushaltsverhandlungen der Ampel-Regierungsjahre war "Handlungsbedarf" ein geflügeltes Wort, das Finanzierungslücken umschreiben sollte. Davon spricht man im Finanzministerium für 2025 und 2026 nun nicht. Eingeplant ist lediglich eine sogenannte globale Minderausgabe. Man erwartet, dass die Ministerien in diesem Jahr vier Milliarden ihrer Mittel nicht ausgeben, im nächsten Jahr acht Milliarden. Das gilt als realistisch. 

Problematischer dagegen dürften die Etats der Jahre 2027 bis 2029 werden. Denn dann müssen unter anderem Kredite getilgt werden, die der Bund in der Corona-Pandemie aufnahm. Außerdem sinkt der Kreditspielraum, falls sich die Wirtschaft wie geplant erholt.

Zeitplan

Das Kabinett soll beide Haushalte an diesem Dienstag auf den Weg bringen. Mit dem Etat für 2025 soll es dann schnell gehen: Er soll noch vor der Sommerpause Mitte Juli das erste Mal im Bundestag beraten werden. Der Beschluss ist für Mitte September geplant. Der Haushalt für 2026 ist nicht ganz so eilig: Hier beschließt das Kabinett erst einmal nur Eckwerte, der genaue Plan soll am 30. Juli beraten werden. Wenn alles glattgeht, könnte der Bundestag den Etat 2026 Mitte Dezember beschließen.

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