Jubelstürme für Merkel - „Wir haben was Tolles geschafft!“
BERLIN - Erst bei Sicht auf das FDP-Ergebnis brandet der Jubel auf im Konrad-Adenauer-Haus: Guido Westerwelle rettet die Wahlparty der CDU. Die alte und neue Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel ist erleichtert. Ihr neuer Koalitionspartner bebt vor Wichtigkeit.
Die Sache ist ihnen nicht geheuer. Zwar hat die CDU-Spitze extra viele Bratwürstl mit CDU-Aufschrift braten lassen. Doch auch der Alkohol will noch nicht so recht fließen, als um 18 Uhr die erste Wahlprognose über die Riesen-Bildschirme im Konrad-Adenauer-Haus flimmert.
Als das CDU-Ergebnis eingeblendet wird, bleiben die 4000 CDU-Anhänger verhalten. Erst als die FPD-Prognose zu sehen ist, brandet Jubel auf. Junge Mädchen mit orangefarbenen T-Shirts geben alles, johlen um die Wette. „teAM Deutschland“ steht auf den Shirts mit Merkels Initialen.
Erst jetzt, als klar ist, dass die schwarz-gelbe Koalition möglich ist, wird die Stimmung besser. Die Leute klatschen rhythmisch in die Hände. Sie skandieren „Angie, Angie, Angie!“. Und sie verfolgen höhnisch den Auftritt von SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier im Fernsehen. Als der SPD-Mann ankündigt, dass er Oppositionsführer werden will, schallt es „Opposition ist Mist!“ im Adenauer-Haus.
Und dann, kurz nach 19 Uhr, ist sie da. Bundeskanzlerin Angela Merkel bahnt sich den Weg aufs Podium. Sie trägt einen roten Blazer – wie zum Abschied an die Sozialdemokraten, mit denen sie jetzt nicht mehr regieren muss. Ein völlig aufgelöster CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla schmatzt Bundeskanzlerin Angela Merkel ab, die ihr schönstes Grinsen aufgesetzt hat. „Liebe Freunde“, will sie loslegen, aber sie kommt nicht weiter. „Angie, Angie, Angie!“ schallt es. Die jungen Jubler sind jetzt völlig enthemmt. Einige der Mädels mit den Merkel-T-Shits weinen wie auf einem Konzert einer Boygroup.
Merkel hingegen fackelt nicht lange und setzt ihre Dankes-Botschaft ab. „Mein Verständnis war es, und mein Verständnis ist es, dass ich Bundeskanzlerin aller Deutschen sein möchte“, sagt sie, ganz im Stile einer Staatsfrau. Sie möchte, sagt sie, „dass es allen besser geht, und das gerade in einer solchen Krise“. Dann jubelt Merkel aber doch noch ein wenig: „Ich glaube, dass wir heute Abend richtig ausgelassen feiern können.“ Jubel. Dann wird sie wieder ernst: „Danach wartet wieder Arbeit auf uns. Ich wollte jetzt aber keine Ernüchterung herbeireden. Sie sind glücklich, ich bin’s auch. Wir haben was Tolles geschafft.“ Und dann ist Merkel weg. Eine einzige Spitze hat sie in Richtung SPD abgelassen. Nämlich an der Stelle, als sie von der „Volkspartei CDU“ gesprochen hat.
Den eigentlichen Partymacher erwähnt Merkel erst im TV-Interview mit der ARD: Sie gratuliert der FDP. „Das ist ein sehr sehr gutes Ergebnis.“
Der große Sieger des Wahlabends nimmt sich auch einen Künstlerauftritt heraus. Als letzter von allen Parteiführern tritt er erst um 19.20 Uhr vor seine Fans. Und die haben sich mit „Westerwelle“-Plakaten bewaffnet. Der Parteivorsitzende hat seinen ganzen Hofstaat mitgebracht. Alle, „die die Ehre haben, hier vorne zu stehen“ (Westerwelle) wollen jetzt mit aufs Sieger-Foto – auch um ihren Anspruch auf Regierungsämter zu untermauern (siehe Infokasten).
Westerwelle bebt vor Wichtigkeit. Doch er versucht, nicht zu feixen. Er will schon ein Staatsmann sein, was ein wenig komisch aussieht. „Wir freuen uns über das beste Ergebnis, das die FDP seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland erreicht hat“, kräht der FDP-Chef. Und dann stellt er Forderungen auf: Ein faires Steuersystem soll her, bessere Bildungschancen natürlich auch und die Bürgerrechte sollten bitteschön auch „endlich wieder respektiert werden“. Klingt so, als ob er sich viel vorgenommen hat.
Volker ter Haseborg
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