Heimspiel für die "Alternative für Deutschland"

Der Anti-Euro-Fighter in München: Hans-Olaf Henkel kämpft  im Augustiner-Keller gegen die gemeinsame Währung – ein Heimspiel vor 600 Zuhörer.
Matthias Maus |
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Hans-Olaf Henkel im Augustiner-Keller: Hier macht er Wahlkampf für die "Alternative für Deutschland" - ein Mitglied dieser neuen Partei ist er nicht.
Sigi Müller Hans-Olaf Henkel im Augustiner-Keller: Hier macht er Wahlkampf für die "Alternative für Deutschland" - ein Mitglied dieser neuen Partei ist er nicht.

Der Anti-Euro-Fighter in München: Hans-Olaf Henkel kämpft im Augustiner-Keller gegen die gemeinsame Währung – ein Heimspiel vor 600 Zuhörern

München - Hier, so viel ist sicher, wird er „endlich mal nicht unterbrochen“. Deshalb, sagt Hans-Olaf Henkel, kann er endlich mal erklären, wohin das führt mit dem Euro. „Der Euro ist ein Spaltpilz“ sagt der ehemaligen Präsident des deutschen Industrie-Verbandes BDI. „Der Euro zerstört den Frieden“ und: „Der Euro unterhöhlt die Demokratie.“

Kleiner macht er’s nicht im Festsaal des Augustiner-Kellers. Während draußen die Münchner Genussmenschen die Maß im Freien nehmen, fächeln sich drinnen rund 600 Anhänger der „Alternative für Deutschland“ Luft zu. Es liegt nicht nur an der Sommerhitze, dass vielen unter den Wappen der bayerischen Städte die Luft wegbleibt. Kerzengerade steht Henkel auf der Bühne und entwirft ein Schreckensszenario einer Zukunft mit dem Euro.

Merkel und Schäuble im Politbüro?

Er erzählt von der „Brandmauer“, die eingerissen sei, seit Griechenland und andere Krisenstaaten gerettet wurden „durch das Geld des deutschen Steuerzahlers“. Er beschwört „eine Kultur der organisierten Verantwortungslosigkeit“, die den Euro-Raum ergriffen habe, er geißelt einen „Zentralismus in Europa“, und er sieht das „Ende des Wettbewerbs“.So düster ist das Bild, dass man sich schon fragt, ob man schon in einer Diktatur lebt, ob der planwirtschaftliche Sozialismus schon gesiegt hat und ob Merkel und Schäuble in Wahrheit Mitglied eines Politbüros sind.

Er kommt an unter den 600 Zuhörern, von denen viele Angst um ihre Zukunft haben - und um ihr Geld. Rolf Nelsbach beispielsweise ist selbstständig. „Ja ich weiß, dass viele Selbstständige vom Euro profitieren“, sagt der 65-Jährige mit der Rolex am Gelenk. „Aber wenn sie auf heimische Kundschaft angewiesen sind, dann ist das ganz bitter“

Henkel, der als Halbwaise in Hamburg aufwuchs, hat schon auf vielen Hochzeiten getanzt. Nicht nur den Freien Wählern gab er einen Korb. 2005 unterstützte er noch die FDP, 2011 bescheinigte er der Partei von Philipp Rösler jedoch „Abkehr vom Prinzip des Liberalismus“. Die FDP habe so „keine Zukunft mehr“. Da könnte er sich irren.

Die Griechen ändern seine Ansichten

Aber mit Irrtümern hat Henkel kein Problem. Der Vater von vier Kindern spricht gern von „meinem Fehler“. Der bestehe darin, dass er als Vorsitzender des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) für den Euro kämpfte. Von 1995 bis 2000 war das. Lautstark, wortgewandt und an vorderster Front – so wie er jetzt gegen die Währung spricht.

„Meine Meinung habe ich 2010 geändert, als Merkel die No-Bailout-Klausel gekippt hat“. Seitdem müsse Deutschland für die Griechen gerade stehen. Das führe ins Unglück. Die Bereitschaft, Fehler einzugestehen, steigert Glaubwürdigkeit. Darauf setzt Henkel.

Die Politik ist eigentlich nicht die Bühne des Hobby-Skifahrers, am wohlsten fühlte sich der Norddeutsche lange in Deutschlands Talkshows. „Die Talkshow ist Henkels Treibhaus“, schreibt der „Spiegel“. Sobald künstliches Licht auf ihn falle, „richtet er sich auf, streckt den Hals raus und erblüht“. Doch diese Zeiten sind vorbei, behauptet Henkel: „Ich gehe schon lange nicht mehr in diese Sendungen mit Euromantikern“, behauptet er unter großem Beifall: „Da sind dann auch meistens die Moderatorinnen anderer Meinung als ich“.

"Wir werden ja totgeschwiegen"

Mangelndes Selbstbewusstsein war noch nie das Problem Henkels, („Man sieht mir mein Alter nicht an“ sagt der 73-Jährige), und es stört ihn auch nicht, dass „Merkel mich für einen Verrückten hält“. Jetzt, er könnte sich längst den Ruhestand gönnen, ist der Kampf gegen den Euro zu seinem Alterswerk geworden.

Einst wollte er selbst eine Anti-Euro-Partei gründen, nach seinen Exkurs zu den freien Wählern wagt er die Annäherung an die AfD – aber keine Mitgliedschaft. Dabei hat er durchaus seine eigenen Vorstellungen zur Zukunft der Gemeinschaftswährung. Zurück zur Mark will Henkel gar nicht. Ihm schwebt eher ein „Nord-Euro“ vor, mit Deutschland, den Benelux-Staaten, Österreich, und Finnland.

Und auf der anderen Seite sollen doch die südlichen Staaten, Frankreich, Italien, Griechenland, Spanien mit ihrem „Süd-Euro“ herumwirtschaften. Das entspreche „der Ausgabenfreude und dem währungstechnischen Improvisationstalent dieser Länder.“ Henkel hat ein Heimspiel hier, und mancher mag sich gefragt haben, warum die AfD bisher nicht aus dem Zwei- bis-drei-Prozent-Keller in den Umfragen herauskommt.

„Wir werden ja totgeschwiegen“ sagt Vera Pudil, Bankangestellte aus München. Aber Andreas Beltz aus Apfelbach ist optimistisch: „Die FDP lag auch mal nur bei acht Prozent und hat dann 14 Prozent bekommen.“

 

Partei im Porträt:
„Alternative für Deutschland“:
Zeitbombe oder Rohrkrepierer?

Die AfD appelliert an Anti-Euro-Ängste, hat aber große Startschwierigkeiten: Sie könnte zum Sprengsatz werden. Doch die „Alternative für Deutschland“, die mit ihren Anti-Euro-Kurs nur ein Thema hat, kommt nicht richtig in die Gänge.

Bei zwei Prozent verorten die Demoskopen die AfD derzeit. Das kann aber gewaltig täuschen. Vor allem die Union könnte sich umsehen. Erst im April gegründet, appelliert die Partei unter der Führung von Bernd Lucke an die Euro-Ängste der Deutschen. Der Hamburger Ökonomie-Professor ist Bundesvorsitzender und hat die „geordnete Auflösung des Euro-Gebietes“ zum Ziel ausgerufen.

In der Zeit der Stützungskäufe, Rettungsschirme und Merkels „alternativlosen“ Euro-Dogma („Scheitert der Euro, scheitert Europa“) bietet die AfD ein Sammelbecken für Ungläubige, Unzufriedene und Ängstliche. Die Südländer sollen ihren eigenen Währungen wieder einführen, die Steuerzahler sollen nicht allein für die Rettungsmaßnahmen der EU geradestehen, auch Banken, Hedge-Fonds und private Großanleger sollen in die Verantwortung genommen werden: Die Wiedereinführung der D-Mark dürfe „kein Tabu sein“

Das klingt zunächst einleuchtend, vorgetragen vorwiegend von Professoren. Der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty ist dabei, der Publizist Konrad Adam oder der ehemalige hessische CDU-Staatssekretär Alexander Gauland. Der AfD-Auftritt wirkt biederer, seriöser als die Piraten-Show. Lucke und die meisten in der Partei argumentieren vor allem zahlenverliebt.

Für die „Alternativlosigkeit“ der Merkel-Politik, der schließlich alle im Bundestag bis auf die Linke folgen, fehlt Lucke „der Beweis“. Wie seine Alternative denn aussieht, ist Lucke oft gefragt worden. Aber außer der Ablehnung des Euro bringt er nicht viel vorzeigbares heraus. „Der Staat muss fiskalisch verantwortlich handeln“, sagt er, oder: „Die Politik muss den Willen der Bürger ernst nehmen.“

Die Folgen eines Euro-Austritts spielen Luckes Leute gerne herunter. Dass die ohnehin hoch verschuldeten Süd-Staaten die Forderungen der deutschen Banken nach einer Wiedereinführung von Drachme, Peseta oder Lira erst recht nicht mehr bedienen könnten, lässt er nicht gelten: „Wenn die Krisenstaaten nach der Abwertung wachsen, können sie ihre Schulden besser bedienen“, sagt er im „Spiegel“.

Trotz populistisch einfacher Argumente hat die junge Partei erhebliche Wachstums-Probleme. In NRW verabschiedete der Landesverband gerade eine „Düsseldorfer Erklärung“, mit sich die AfD gegen die massenhafte Übernahme ehemaliger Republikaner oder anderer nationalistischer Europa-Feinde wappnen. Der Aufnahmeantrag von 40 Personen wurde abgelehnt – aus Sorge vor rechtsextremer Unterwanderung.

Dass eine hauptsächliche konservative Wählerklientel von der AfD angesprochen wird, müsste die Unionsparteien beunruhigen. Sie könnte dem am Ende fehlen. Die Schwäche in den Umfragen ist kein Trost. Demoskopen erklären das auch mit der Scheu vieler Befragter, sich zur Außenseiter-Partei zu bekennen. Eine Sorge, die sich die CSU in Bayern übrigens nicht machen muss. Nach einem chaotischen Parteitag im Mai beschloss die AfD, nicht bei der Landtagswahl anzutreten. Aber bei der Bundestagswahl wird sich herausstellen, ob der Sprengsatz doch noch zündet, oder ob die AfD nur ein Rohrkrepierer ist.

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