Grüne und SPD wollen Machtwechsel

Grüne und SPD demonstrieren fünf Monate vor der Bundestagswahl völlige Eintracht im Kampf um einen Machtwechsel in Deutschland.
von  dpa

Berlin - Beim Grünen-Bundesparteitag in Berlin wertete SPD-Chef Sigmar Gabriel am Samstag die rot-grüne Wunschkoalition in einer umjubelten Rede als richtungsweisend: "Es geht um Fairness, um Nachhaltigkeit, um Gerechtkeit." Grünen-Chefin Claudia Roth rief zum gemeinsamen Angriff auf Schwarz-Gelb auf: "Wer nicht kämpft, hat schon verloren." Die rund 800 Delegierten beschlossen Forderungen nach höheren Steuern und Abgaben zulasten von Wohlhabenden.

Damit hat der Wahlkampf, der sich noch in der Frühphase befindet, ein Hauptthema. Die Koalition setzte das Versprechen dagegen, die Steuern nicht zu erhöhen. Nach Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab CSU-Chef Horst Seehofer eine solche Zusage im bayerischen Andechs ab.

Grünen-Chef Cem Özdemir versicherte, die Grünen träten gegen alle Widerstände für eine Umverteilung von Reich zu Arm an: "Robin Hood ist hier, der Sheriff von Nottingham ist dagegen bei Frau Merkel, bei Schwarz-Gelb."

Der Spitzensteuersatz soll nach dem Willen der Grünen von 42 auf 49 Prozent ab 80 000 Euro brutto steigen. Allerdings soll der Grundfreibetrag von 8130 auf 8700 Euro angehoben werden. Eine auf zehn Jahre befristete Vermögensabgabe soll Reiche mit 1,5 Prozent belasten und 100 Milliarden Euro erbringen.

Die Ermahnung von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die Steuerschraube nicht stark zu drehen, schlug sich kaum nieder. Die Beschlüsse entsprachen ziemlich genau dem Antrag von Partei- und Fraktionsspitze. So beschlossen die Delegierten auch eine dauerhafte Vermögensteuer nach Auslaufen der Vermögensabgabe. Kretschmann hatte davor gewarnt, weil er das für wirtschaftsfeindlich hält. Fraktionschefin Renate Künast sagte, es sei normal, dass Bundes- und Länderinteressen auch einmal aufeinandertreffen.

Zudem soll mehr Geld aus der Erbschaftsteuer eingenommen und das Ehegattensplitting abgeschmolzen werden. Kapitaleinkünfte sollen teils stärker besteuert werden.

"Unser Bündnis muss mehr sein als eine rechnerisch mögliche Koalition", sagte Gabriel. Allerdings deutete er an, dass andere Koalitionen nicht ganz ausgeschlossen seine - wie wenn man sich in einer Zweierbeziehung nach Alternativen umschaue: "Gucken, na ja, das machen wir doch alle irgendwann mal im Leben." Grünen-Chefin Roth rief in den Jubel der Delegierten: "Jetzt ist die Zeit für die klare Ansage - und das wird Sigmar genauso sehen: Wir wuppen das!"

Gabriel sagte: "Nichts fehlt diesem Land mehr, als eine Politik, die sich wieder an Prinzipien und Werten orientiert und bei der Reden und Handeln wieder übereinstimmen." Roth kritisierte politische Kurswechsel der Kanzlerin, "gegen deren Schlingerkurs die Irrfahrt des Odysseus ja als geordnete Reise erscheint". Scharf ging sie mit er CSU wegen ihrer Affären ins Gericht: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral - bei der CSU kommt die Moral nicht mal nach dem Fressen."

Bis zum späten Abend fügten die Grünen in Dutzenden Abstimmungen ihr Wahlprogramm zusammen. So sprechen sie sich für ein generelles Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen und 80 auf zweispurigen Landstraßen aus. Das Wahlalter im Bund soll auf 16 Jahre sinken. Mit der Anhebung des Hartz-IV-Satzes für Langzeitarbeitslose auf 420 Euro und einem Aussetzen von Sanktionen durch die Jobcenter wollen die Grünen die Agenda 2010 nachbessern. Eine steuerfinanzierte Garantierente soll mindestens 850 Euro betragen. Im Einklang mit der SPD beschlossen sie die Forderung nach einem allgemeinen Mindestlohn von 8,50 Euro oder mehr.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte in Celle, die Grünen forderten Steuererhöhungen von etwa 40 Milliarden Euro. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), monierte: "Mit ihren Plänen zu umfangreichen Steuererhöhungen setzen die Grünen auf eine reine Umverteilungspolitik." FDP-Generalsekretär Döring sagte: "Die Grünen machen Ernst mit ihrer Verarmungsstrategie für die Mitte der Gesellschaft."

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