Die rote Klatsche
BERLIN - Außer der FDP verlieren fast alle Parteien bei der Europawahl. Die meisten reden sich die Niederlage schön – die SPD versucht es erst gar nicht.
Ein getrübter Erfolg für die Union, ein bitterer Tiefschlag für die SPD: Die Sozialdemokraten sind bei der Europawahl in Deutschland nach ihrem historischen Einbruch vor fünf Jahren nicht aus dem Tal gekommen. Die Union musste laut Hochrechnungen vom späten Sonntagabend deutliche Verluste hinnehmen, bleibt aber mit Abstand stärkste Partei. Das Ergebnis gilt auch als Stimmungstest für die bevorstehenden Landtagswahlen und für die Bundestagswahl am 27. September.
Der CSU gelang klar der Wiedereinzug in das europäische Parlament. FDP und Linkspartei gewannen hinzu, die Grünen hielten ihr Ergebnis. Die erstmals angetretenen Freien Wähler scheiterten an der bundesweiten Fünf-Prozent-Hürde. Es zeichnete sich mangels kontroverser Themen und prominenter Kandidaten eine ähnlich niedrige Wahlbeteiligung wie beim Tiefstand von 43 Prozent im Jahr 2004 ab.
17 Prozentpunkte zwischen Union und SPD
Die Union erreichte nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF 38,1 bis 38,2 Prozent Prozent (2004: 44,5 Prozent). Die SPD lag bei 20,9 bis 21,2 Prozent - sie hatte 2004 mit 21,5 Prozent ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl eingefahren. Die Bürger hatten der Partei des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder vor fünf Jahren einen Denkzettel verpasst. Knapp vier Monate vor der Bundestagswahl beträgt der Abstand zwischen Union und SPD damit rund 17 Prozentpunkte.
Die Grünen hielten ihr Ergebnis mit 12 bis 12,3 Prozent (2004: 11,9 Prozent) konstant. Die FDP erzielte mit 10,36 bis 10,9 Prozent (6,1 Prozent) ein Rekordergebnis, die Linke konnte sich mit 7,2 bis 7,7 Prozent (6,1 Prozent) etwas verbessern. Die Freien Wähler und andere sonstige Gruppierungen werden keinen der 99 deutschen Abgeordneten in das Straßburger Parlament entsenden. Deutschland stellt als größtes EU-Land gut jeden siebten der künftig 736 Parlamentarier, die erneut für fünf Jahre gewählt wurden.
Wahlkampf inmitten der Wirtschaftskrise
In Deutschland waren 64,3 Millionen Bürger aufgefordert, ihre Stimme abzugeben. Davon kamen 2,1 Millionen aus anderen EU-Staaten. Parallel wurden in sieben Bundesländern - Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland sowie in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt - neue Kommunalparlamente bestimmt. Aussagekräftige Ergebnisse wurden dabei jedoch frühestens am Montag erwartet. In Thüringen, Sachsen und dem Saarland stehen am 30. August auch Landtagswahlen an.
Der Europa-Wahlkampf war in Deutschland inmitten der Wirtschaftskrise von nationalen Themen wie Staatshilfen für Opel und Arcandor (Karstadt) überlagert. Der mögliche EU-Beitritt der Türkei und die Nachfolge des deutschen EU-Kommissars Günter Verheugen (SPD) zählten zu den wenigen europäisch geprägten Debatten.
Bei der Europawahl waren mehr als 375 Millionen Menschen in den 27 EU-Staaten zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Bürger in Bulgarien und Rumänien wählten zum ersten Mal regulär mit. Die Wahlbeteiligung lag in Deutschland um 14.00 Uhr nach Angaben von Bundeswahlleiter Roderich Egeler bei 20,2 Prozent. Vor fünf Jahren hatte sie zu diesem Zeitpunkt 20,4 Prozent betragen. Ob der damalige Negativrekord von insgesamt 43 Prozent nach Schließung der Wahllokale unterboten wurde, sollte offiziell erst in der Nacht feststehen. EU-weit hatten 2004 nur 45,5 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt.
Das Europaparlament wird seit 1979 direkt gewählt. Mit dem Vertrag von Lissabon soll die Volksvertretung deutlich mehr Kompetenzen erhalten und auch den Kommissionspräsidenten wählen. Die größte Hürde für das Inkrafttreten des Vertrags ist eine erneute Volksabstimmung in Irland, die für den Herbst geplant ist. (dpa/nz)