Die Mutti und der König

 Der starke Seehofer wird für Merkel unbequem
zo |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Die Übermacht der CSU: Angela Merkel und Horst Seehofer bei einem Wahlkampfauftritt in Miesbach.
dpa Die Übermacht der CSU: Angela Merkel und Horst Seehofer bei einem Wahlkampfauftritt in Miesbach.

 

 

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel könnte es mit dem kraftstrotzenden Horst Seehofer als Koalitionspartner richtig ungemütlich werden.

München/Berlin - Direkt nach den ersten Bayern-Prognosen am Sonntagabend hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin zum Handy gegriffen – und nicht wie sonst eine mit „AM“ gezeichnete SMS geschickt.

Sondern sie hat ihn persönlich angerufen, den Seehofer Horst. Und ihm gratuliert. Ihm, dem neuen starken Mann in der Union. Dem Retter der CSU, dem Wiederhersteller der bayerischen Weltordnung, dem König Horst.

Machtpolitikerin Merkel weiß ganz genau: Der starke Fast-zwei-Meter-Mann kann ihr das Weiterregieren in Berlin künftig so richtig ungemütlich machen. Und zwar egal, wie die Bundestagswahl ausgeht – ob es nun zu einer Neuauflage von Schwarz-Gelb kommt oder tatsächlich doch zur großen Koalition.

Seehofer hat seine Duftmarke gesetzt, eine eindrucksvolle absolute Mehrheit hinter sich. „Merkel muss mit einem extrem selbstbewussten CSU-Chef zusammenarbeiten“, sagt Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing der dpa.

Erste große Kraftprobe wird die Pkw-Maut

Erste große Kraftprobe nach der Wahl wird die Pkw-Maut. Seehofer hatte mit seiner Ansage, einen Koalitionsvertrag ohne Maut nicht zu unterschreiben, seine Position bereits unmissverständlich klargemacht. Gestern Abend, mit 47,7 Prozent im Rücken, legte er nach: „Wir werden die Pkw-Maut nicht aufgeben“, rief er seinen Anhängern zu.

Merkel schwurbelt – nachdem sie im TV-Duell zu einer Aussage zum Thema Maut gezwungen worden war („wird es mit mir nicht geben“) noch nebulös herum, man werde schon eine Lösung für dieses Thema finden. Ohne genau zu sagen, wie diese Lösung aussehen soll.

Fraglich ist, ob sich Seehofer damit zufrieden stellen lässt. „Wir haben ja auch beim Betreuungsgeld gesehen, dass Sachen rausgekommen sind, die wir ursprünglich nicht für mehrheitsfähig gehalten haben“, sagt Münch.

Seehofer hat dieses Thema tatsächlich zu einer Nagelprobe für seine Durchsetzungskraft hochstilisiert – und für genau diese Eigenschaft, so zeigen Wahlanalysen, haben ihn die Bayern gewählt. Besonders sympathisch finden die Wähler ihn nicht – aber durchsetzungsstark, das schon. Seehofer wird diese Strategie im Bund nun gnadenlos fahren.

Konsens ist ihm wurscht, es geht um Bayern

Hat er sich in den letzten Monaten aus strategischen Gründen zurückgehalten, Merkels präsidiale Konsens-Politik still ertragen, wird er jetzt knallhart auf Konfrontation gehen. Konsens ist ihm wurscht. Ihm geht es um Bayern. Aus und basta.

Sollte es erneut zu einer Koalition mit der schwächelnden FDP kommen, will Seehofer eine größere Rolle spielen – das hat er im Wahlkampf bereits angekündigt. Er will mehr christlich-sozial statt christlich-liberal.

Auch in einer möglichen großen Koalition wird sich Seehofer nicht mehr mit dem dritten Platz als spinnerte kleine Regionalpartei abspeisen lassen, wie zuletzt 2005. Darüber hinaus ist Bayern in Zukunft die einzige pure Unionsstimme im Bundesrat. Auch hier braucht ihn Merkel.

Es ist paradox: So unähnlich sind sich Merkel und Seehofer gar nicht. Beide verkörpern den Typus des pragmatischen Politikers, die vom politischen Gegner Konzepte klauen und als die eigenen ausgeben. Diese Beliebigkeit bis hin zur Selbstaufgabe sichert ihnen ihre Popularität.

Eins aber kann Seehofer besser, das hat er jetzt bewiesen: Er kann besser mobilisieren. Er hat es geschafft, die Wechselwähler von der FDP zurückzuholen. Und er hat diejenigen wieder an die Urne gebracht, die 2008 frustriert daheimgeblieben waren.

Merkel dagegen erweckt den Eindruck, als sei am nächsten Sonntag gar keine Wahl. Mit diesem Schlafwagen-Wahlkampf läuft sie aber Gefahr, auch die eigenen Wähler zu narkotisieren. „Cool bleiben und Kanzlerin wählen“ steht auf den T-Shirts der Jungen Union. Was sie nicht verraten: Danach wird’s uncool.

 

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.